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© 2008 Twentieth Century Fox
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Die Geschwister Savage
(R: Tamara Jenkins)
Originaltitel: The Savages, USA 2007, Buch: Tamara Jenkins, Kamera: Mott Hupfel, Schnitt: Brian A. Kates, Musik: Stephen Trask, mit Laura Linney (Wendy Savage), Philip Seymour Hoffman (Jon Savage), Philip Bosco (Lenny Savage), Peter Friedman (Larry), David Zayas (Eduardo), Gbenga Akinnagbe (Jimmy), Cara Seymour (Kasia), Tonye Patano (Ms. Robinson), Guy Boyd (Bill Lachman), Debra Monk (Nancy Lachman), Rosemary Murphy (Doris Metzger), Hal Blankenship (Burt), Joan Jaffe (Lizzie), Laura Palmer (Real Estate Agent), Margo Martindale (Roz), Patti Karr (Woman with Red Pillow), 114 Min., Kinostart: 24. April 2008
Shirley Jackson, die mittlerweile hierzulande nahezu vergessene Großmeisterin eines kleinen Subgenres, das manche "New American Gothic" nennen (The Lottery, We Have Always Lived in the Castle, The Haunting of Hill House), veröffentlichte auch mal ein Buch mit dem Titel Life among the Savages (dt. etwa: "Leben unter den Wilden"). Hierin geht es aber nicht, wie man annehmen könnte, um eine Abenteuergeschichte inmitten eines Eingeborenenstammes, sondern um die autobiographisch angehauchten augenzwinkernden Erlebnisse einer Hausfrau und Mutter von vier Kindern (ein völlig anderes Genre, das die Schriftstellerin hiermit begründete).
Einen ähnlichen Wortwitz legt auch The Savages zugrunde, nur dass hier die vermeintlichen "Wilden" auch tatsächlich Savage als Familiennamen tragen, ein kleiner Scherz, den der deutsche Titel Die Geschwister Savage leider ein wenig zunichte macht. Außerdem wird wie bei der Eindeutschung von In her Shoes (In den Schuhen meiner Schwester) auch hier die im Original implizierte ältere Generation (auch Shirley MacLaines Schuhe spielten eine Rolle) komplett ausgespart, denn neben den hier von Philip Seymour Hoffman und Laura Linney dargestellten Geschwistern geht es auch um den Vater Lenny Savage (Philip Bosco, in den 1980ern ein vielversprechender Nebendarsteller, der aber nie über diesen Status hinauskam), der die ganze Geschichte erst zum Laufen bringt, als er seinen ganzen Frust über den ihn missachtenden Pfleger seiner Lebensgefährtin damit ausdrückt, indem er die Wände des Badezimmers mit seinen Ausscheidungen, die der Pfleger nicht durch einen simplen (von Lenny vergessenen) Knopfdruck entsorgen wollte, beschmiert. Wobei wir fast wieder bei Shirley Jackson und dem Sprichwort "Narrenhände beschmieren Tisch und Wände" wären.
Doch hier kümmert sich nicht die Elterngeneration um den Wildgewordenen, sondern die Lenny seit Jahren nicht mehr besuchten Kinder werden alarmiert, und als die Lebensgefährtin, auf deren Kosten Lenny sozusagen lebte, kurz darauf verstirbt, und deren Erben den nun nicht mehr zur Familie gehörenden Demenzkranken schnellstmöglich loswerden wollen, müssen sich Wendy und John plötzlich wieder um ihren Vater kümmern, den sie jahrelang erfolgreich aus ihrem Gedächtnis verbannt hatten (es gehört zu den Stärken des Films, dass die Jahrzehnte zurückliegenden Gründe des Familienzerwürfnisses nie detailliert ausformuliert werden).
Und auch, wenn sich dies wie eine eher nüchtern-realistische, wenn nicht depressive Filmprämisse ausnimmt, ist The Savages ein weiterer Vertreter des in den letzten Jahren so erfolgreichen Trends der Independent-Komödien um zerrüttete Familienwerte, wie Little Miss Sunshine oder zuletzt Juno.
Wobei die ausgezeichnete Besetzung des Films bereits Grund genug für einen Kinobesuch wäre, denn Hoffman, Linney und auch Bosco sind hier in Bestform (die beiden erstgenannten wurden für ihre Rollen auch für den Oscar bzw. Golden Globe nominiert), und Drehbuch und Regie von Tamara Jenkins sind ebenfalls spot on.
Von den ersten Einstellungen an (ein sehr seltsames Gartenballett) entwickelt der Film einen starken Sog, der sich immer wieder in klitzekleinen, aber gut beobachteten Details äußert. So etwa die Schnittkante zwischen dem Dialog "Erst, wenn die Ampel auf Rot springt, ist die Kacke am Dampfen" und dem roten Nagellack der ebenfalls mit einem sprechenden Namen (Doris Metzger) versehenen Noch-Lebensgefährtin Lennys.
Durch das "Familienproblem" werden die Kinder Jon und Wendy (die übrigens auch ihre ganz eigenen Probleme haben) mit einer Welt konfrontiert, die insbesondere der Theaterwissenschaftler Jon noch längere Zeit auszuschalten versucht ("We don't have to go after him, Wendy; we're not in a Sam Shepard play."). Man unternimmt Reisen mit "Dad", sucht ein neues Zuhause ("Valley View klingt hübsch - Ist es das? Riecht es da?" - "Die riechen alle!"), und es zeichnet den Film aus, dass er größtenteils nicht einer geradlinigen Dramaturgie und Charakterzeichnung wie etwa Rain Man folgt, sondern sich seine ganz eigene Geschichte sucht, wobei ich persönlich hier auch den Einfluss der Produzenten Ted Hope (u. a. Filme von Hal Hartley und Todd Solondz, aber auch The Ice Storm, In the Bedroom, Human Nature, American Splendor oder The Door in the Floor) und Alexander Payne (der für 2009 endlich auch mal wieder ein eigenes Regieprojekt angekündigt hat) zu spüren glaube.
Ein besonderer Verdienst des Films, den man übrigens auch ohne Kinobesuch genießen kann (auch, wenn er natürlich dazu verleitet), ist übrigens das sehr schöne Plakat, das der Comic-Künstler Chris Ware erstellt hat ...