14. Jewish Film Festival Berlin & Potsdam
25. MAI. BIS 8. JUNI 2008 IM KINO ARSENAL, BERLIN
UND IM FILMMUSEUM POTSDAM
Zum 60. Geburtstag des Staates Israel will natürlich auch das JFFB mal richtig auftrumpfen. Doch ob dies gelingt, kann der Autor dieser Zeilen leider nicht im Vorfeld entscheiden, die der Presse schon im Voraus gezeigten Filme konnten nicht durchweg begeistern, und auch unter den bereits von Festivals (insbesondere der Berlinale) bekannten Filmen (die zufällig auch demnächst einen deutschen Kinostart haben) wie Lemon Tree und Sweet Mud gehen nicht die Impulse aus, die in früheren JFFB wirkliche Entdeckungen mit sich brachten. Vor fünf Jahren waren zwei der drei der Presse vorgestellten Filme solche Perlen (Girafot und The Hebrew Hammer), in den darauffolgenden Jahren gab es auch mal Schmankerl wie ein Frühwerk von Susaanne Bier oder Michel Devilles Un monde presque paisible, doch ausgerechnet in einem solchen Jubiläumsjahr mit dem bisher umfangreichsten Filmprogramm und den aufstrebenden Plänen, das Festival ab 2009 in einer Auswahl durch die ganze Republik zu schicken, wählte man für die Pressearbeit drei kurze, nur auf DVD vorliegende, und wie gesagt nur teilweise überzeugende Werke aus (die zwei Folgen der Fernsehserie Arab Work wurden zu kurzfristig gezeigt, der Filmredakteur war zu diesem Zeitpunkt bereits in Erlangen, um sich auch mal mit anderen Medien zu beschäftigen). Da fragt man sich, ob hier mal wieder die Funktion der Presse mit einer PR-Agentur verwechselt wird. Ich zumindest kann kein potentielles Publikum euphorisieren, wenn zumindest auch ein wenig ein Funke auf mich übergesprungen ist.
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Stefan Braun
(Itamar Alcalay)
Israel 2007, Buch: Nir Shenhav, mit Eliezer Rath, Rina Abadi, Ilana As, Chara Fono, Yoel Fono, Hanna Genin, Carmela Kalitzky, Astman Oscar, Nissim Pereg, Pincas Plattner, Lea Schwarz, Ronny Tal, 62 Min., Vorführung am 4. Juni um 18 Uhr 30 gemeinsam mit dem Dokumentarfilm Waiting for Godik, Regisseur und Drehbuchautor von Stefan Braun sind als Gäste angekündigt.
Dieser Dokumentarfilm erzählt vom High Society-Kürschner Stefan Braun und seiner Beziehung zum Kellner und Schneider Eliezer Rath. Hierbei wird (offenbar reichhaltig vorhandenes) Original-Filmmaterial mit Interviews von Bekannten, Freunden, Angestellten und Kunden verwoben, wobei insbesondere der Einsatz der MusiCasetten von Eliezer “Laci” Rath zunächst interessant erscheint (Parallelen zu Mein Leben Teil 2 von Angelika Levi drängen sich auf), doch ebenso wie die aufwendige Animation von Photos kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das thema nur ein sehr eingeschränktes Publikum interessieren wird (und insbesondere die gay community dürfte vom Film nur sehr eingeschränkt angesprochen werden). Von einigen schönen Momenten (eine Katze streicht einem ausgestopften Rehkitz um die Beine, alte Frauen inszenieren sich in ihren schönsten Pelzen, die eigentümlichen Vorwürfe des Kürschnergewerbes an die umweltgerichteten politischen Umwälzungen) abgesehen kann der Film nur schwer das Interesse wachhalten, und wenn es im letzten Drittel eigentlich nur noch um Geldfragen das Erbe der Kürschnerlegende betreffend geht, wird es regelrecht ärgerlich.
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My Father, My Lord
(David Volach)
Originaltitel: Hofshat Kaits, Israel 2007, Buch: David Volach, Kamera: Boaz Yehonatan Yaacov, Schnitt: Haim Tabacmen, mit Assi Dayan (Abraham), Ilan Griff (Menahem), Sharon Hacohen-Bar (Esther), 73 Min., Vorführung am 1. Juni um 21 Uhr.
Debütfilm eines in ultraorthodoxem Umfeld aufgewachsenen Filmstudenten, der die schwierige Kindheit des kleinen Menahem schildert.
Der Film beginnt mit einem zwischen Buchstapeln (als wichtiges Bestandteil des jüdisch orthodoxen Lebens ragen Bücher hier immer wieder in den Bildkader hinein) voller Verzweiflung heulendem Rabbi Abraham (Assi Dayan), der dann nach einem Zeitsprung eine Kirche betritt und nachdenklich das Namensschild eines nicht besetzten Stuhles betrachtet.
Der kleine Menahem (Ilan Griff) ist neugierig auf das Leben. In der Schule betrachtet er einen Vogel beim Nestbau, beim Nachhauseweg sieht er, wie ein Hund unbedingt zu einer im Krankenwagen weggefahrenen alten Frau will. Wenn er seinen Vater, den Rabbi, fragt, ob Hunde eine Seele haben, so wird dieser energisch. Völlig ausgeschlossen, das Tier- und Pflanzenleben ist auch von der göttlichen Vorsehung ausgenommen. Wo der Junge Fragen an das Leben stellt, erhält er nur religiös fundierte, aber mitunter realitätsferne Antworten. Schon früh im Film ahnt man, dass dem Jungen Unheil droht. Als erstes offenbart sich die Strasse als mögliche Gefahr. Dass es immer wieder um Abraham und seine Opferung des Sohnes Isaak geht, beruhigt den Betrachter auch nicht eben. Doch dabei ergeht sich der Film ein wenig zu stark in Symbolismen, plötzlich hat alles Bedeutung. Für Menahem vor allem Tiere, der Hirsch, der bei einem Tafelbild der Abraham-Opfer-Szene nicht haften will, oder auch Fische, die auf dem Weg ins Tote Meer gerettet werden müssen. Ein anderes mit Symbolkraft aufgeladenes Tier ist der “Muttervogel”, den man entsprechend der Thora verscheuchen soll, um sich dann dem Jungen “anzunehmen” (absichtlich freie Übersetzung... “Send away the mother bird”, “Take the son”). Wenn dann Menahems Mutter Esther nicht das Gelände der Thora-Schule betreten darf oder beim Besuch des Toten Meeres zurückgelassen wird, entwickelt sich der Plot des Films zwar durchaus religionskritisch, aber ohne die geringste Überraschung. Das orthodoxe Judentum mehr oder weniger mit der biologischen Zukunft des Toten Meeres gleichzusetzen, ist zwar im Jubiläumsjahr auf dem Jewish Film Festival recht gewagt, aber der Film an sich wird dadurch nicht besser.
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Dans la vie
(Philippe Faucon)
Frankreich 2007, Buch: Amel Amani, Philippe Faucon, William Karel, Sarah Saada, Kamera: Laurent Fénart, Schnitt: Sophie Mandonnet, mit Sabrina Ben Abdallah (Sélima), Ariane Jacquot (Esther), Zohra Mouffok (Halima), Hocine Nini (Ali), Philippe Faucon (Elie - Esther’s son), 73 Min., Vorführung am 26. Mai um 21 Uhr.
Der einzige mir bekannte Film auf dem JFFB (außer Sweet Mud), den ich wirklich empfehlen kann, stammt aus Frankreich, und befasst sich nur am Rande mit religiösen Aspekten. Wie in einem Kontrastprogramm zu My Father, My Lord wird hier eine Frauenwelt skizziert (wobei natürlich die männlichen Aspekte der Gesellschaft nicht annähernd so in den Hintergrund gedrängt werden wie bei den geschlechtlich-umgekehrten Vorzeichen), die natürlich gleich viel freundlicher erscheint, bei der aber die Unterfütterung mit Vorurteilen eine ähnlich wichtige Rolle spielt. Die betagte im Rollstuhl sitzende Jüdin Esther hat einen ziemlichen Verschleiß an Pflegematerial, und es wirkt schnell so, als ob auch die algerisch-stämmige Halima bei ihr nur ein kurzes Gastspiel haben wird. Doch ungeachtet der Religionsunterschiede finden die Frauen Anknüpfungspunkte (auch Esther stammt aus Algerien), wobei der Film keiner geradlinigen Entwicklung zum Opfer fällt, sondern der Weg zum Zusammenraufen holprig bleibt (“I won’t let some Jew boss me around”). Diese Zusammenfassung vereinfacht den Film sehr stark, was aber nur deshalb unternommen wurde, um dem Betrachter nicht die Freude an den Wendungen zu nehmen.
Regisseur Philippe Faucon arbeitet hier vor allem mit Laiendarstellern, was bei emotionalen Ausbrüchen zu Schwächen führen kann, was aber gleichzeitig auch eine dokumentarische Nähe ermöglicht. Der erfrischende, nicht verschämte, aber auch nicht durch Selbstzensur bestimmte Umgang mit weiblicher Nacktheit sorgt hier etwa für eine den ganzen Film umspannende Geschlossenheit, die klar das Talent des Regisseurs repräsentiert.
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