So ist Paris
(R: Cédric Klapisch)
Originaltitel: Paris, Frankreich 2008, Buch: Cédric Klapisch, Kamera: Christophe Beaucarne, Schnitt: Francine Sandberg, Musik: Loïc Dury, Casting: Nadia Nataf, mit Romain Duris (Pierre), Juliette Binoche (Elise), Fabrice Luchini (Roland Verneuil), Albert Dupontel (Jean), François Cluzet (Philippe Verneuil), Karin Viard (Madame Muyard), Mélanie Laurent (Laetitia), Gilles Lellouche (Franky), Zinedine Soualem (Mourad), Julie Ferrier (Caroline), Farida Khelfa (Farida), 129 Min., Kinostart: 17. Juli 2008
Über “Paris im Film” gibt es ein dickes Lexikon mit 600 Filmen, und dieser im Original schlicht Paris benannte Film führt eine lange Tradition fort, zu deren letzten Vertretern etwa der ähnlich auffällig betitelte Episodenfilm Paris j’e taime gehört. Eine stärkere Verwandtheit ist aber zum hierzulande eher unbekannten Fauteuils d’orchestre (dt.: Ein perfekter Platz) von Danièle Thompsons attestierbar, denn in beiden Filmen (ähnlich wie in der Berliner Variante Die Helden aus der Nachbarschaft von Jovan Arsenic) geht es um einen überschaubaren Mikrokosmos innerhalb der Metropole.
Romain Duris spielt in seiner bereits sechsten Zusammenarbeit mit dem Regisseur einen jungen (Ex-)Tänzer mit Herzleiden, dessen Schwester (Juliette Binoche), eine Sozialarbeiterin, kurzerhand mit den Kindern bei ihm einzieht, um den Todkranken zu unterstützen. Dadurch wird aus der an “Totgeweihten-Filme” von Ozon und Chéreau erinnernden Prämisse eher eine unfreiwillige Geschwister-Zusammenführung wie in The Savages.
Bilder © 2008 PROKINO Filmverleih GmbH
Eine andere Episode dreht sich um einen Geschichtsprofessor (Fabrice Luchini aus La discrète und Confidences trop intimes), der sich in eine Affäre mit einer Studentin verrennt (und dessen Bruder, einen Architekten), außerdem geht es noch um die Liebesprobleme einiger Marktverkäufer, die nach außen bärbeißig wie die Asterix-Figuren Automatix und Verleihnix wirken, im Endeffekt aber die weitreichendste emotionale Tiefe in den Film einbringen.
Man merkt dem Film an, dass Klapisch nach seinen Ausflügen nach Barcelona und St. Petersburg zur Abwechslung mal “zuhause” arbeiten wollte, doch einiges wirkt zu vertraut und zu bequem. So arbeitet sich Klapisch schon im Vorspann an einem abenteuerlichen, fast experimentellem Schnittrhythmus ab, führt diesen Ansatz aber ebensowenig fort wie die über Nebenfiguren spürbaren politischen Themen des Films. Letztendlich wollte der Regisseur wohl doch eher an seine Publikumserfolge anknüpfen als an seine filmisch überzeugenderen, aber unbekannteren Frühwerke.
Gerade die Figur des todkranken Pierre scheint zu Beginn des Films ähnlich wie in Wenders’ Der Himmel über Berlin als Grenzgänger zwischen Leben und Tod über der Stadt zu schweben, doch solche Anklänge an Arthaus und Autorenkino werden zugunsten banaler Liebesgeschichten unterdrückt - was ich nicht immer und automatisch ankreiden würde, aber gerade durch die seltsame Unentschlossenheit des Films, der bei allen tragischen Ansätzen letztlich ziemlich harmlos daherplätschert, wünscht man sich, dass der Regisseur nicht versucht, so zirka jedem einzelnen Pariser einige Momente zu schenken, sondern lieber einem wie auch immer gearteten Publikum etwas zu bieten, das länger nachwirkt. Sei es als Liebesgeplänkel, als Komödie, als Philosophievorlesung oder als filmisches Experiment. Der Film Paris ist all dies - und gleichzeitig nichts davon. Doch vielleicht war das vom Regisseur sogar gewollt, denn irgendwann gibt es mal die Dialogzeile “So ist Paris. Keiner ist je zufrieden.”