Berlin 36
(R: Kaspar Heidelbach)
Deutschland 2009, Buch: Lothar Kurzawa, Kamera: Achim Poulheim, Schnitt: Hedy Altschiller, Musik: Arno Steffen, Kostüme: Lucia Faust, mit Karoline Herfurth (Gretel Bergmann), Sebastian Urzendowsky (Marie Ketteler), Axel Prahl (Hans Waldmann), Thomas Thieme (Hans von Tschammer und Osten), August Zirner (Edwin Bergmann), Maria Happel (Paula Bergmann), Franz Dinda (Rudolph Bergmann), Leon Seidel (Walter Bergmann), Johann von Bülow (Karl Ritter von Halt), Julie Engelbrecht (Elisabeth „Lilly“ Vogt), Klara Manzel (Thea Walden), Robert Gallinowski (Sigfrid Kulmbach), Elena Uhlig (Frau Vogel), Otto Tausig (Leo Löwenstein), John Keogh (Avery Brundage), Marita Breuer (Eleonore Ketteler), Angelika Bartsch (Ärztin im Gesundheitsamt), Harvey Friedman (Jackson), Matthias Redlhammer (Stadionsprecher), Philip Schwarz, André Lehnert (Zehnkämpfer), 100 Min., Kinostart: 10. September 2009
Im Winter ein Jahr war der erste große Schritt, und nun ist es offensichtlich, dass Karoline Herfurth, nach kleinen Rollen in den internationalen Erfolgen Das Parfüm und The Reader zumindest eine mittelgroße deutsche Produktion fast alleine tragen kann. Auch wenn man sie um den Deutschen Filmpreis betrogen hat, ist sie mittlerweile ein „household name“, eine allgemein bekannte Darstellerin.
Ob Berlin 36 sie nun besonders fordert (trotz historisch akkurater Hochsprungszenen im Scherenschritt), ist eine ganz andere Frage. Das Potential ist da. Eine jüdische Athletin, die nur auf Druck der Amerikaner hin bei Hitlers ganz persönlichen Olympischen Spielen geduldet werden soll, und außerdem noch eine sehr viel arischere Hochsprunghoffnung namens Marie Ketteler, bei der sich aber früher oder später offenbart, dass sie eigentlich ein Mann ist (Sebastian Urzendowsky mit subtilem Spiel). Doch wo man eine politisch brisante Geschichte mit einer historischen Gender-Thematik verbinden könnte, da zeigt der Film eine zögerliche Mädchenfreundschaft (trotz gemeinsamem Zimmer werden erotische Möglichkeiten komplett ausgeblendet), ein leises Leiden unter einem fiesen Teutonentrainer (Thomas Thieme), eine Wand des Hasses und einen vorbildlichen Sportfilm.
Der auf historische TV-Stoffe spezialisierte Regisseur Heidelbach (Das Wunder von Lengede) liefert authentische Kostüme und fast perfekten CGI-Einsatz bei den Massenszenen im Stadion (man vergleiche mit den peinlichen Bildern in Das Wunder von Bern), doch die Geschichte wird allzu bieder heruntergespult, und allein mit dem Willen, nah „an der Wahrheit“ zu bleiben, kann man dies nicht entschuldigen. Axel Prahl, der in seiner ersten Szene noch unterschwellig bedrohlich wirkt, braucht als „guter Trainer“ auch nicht viel leisten, und so gerät der ganze Film zu einer Revue der verschenkten Möglichkeiten - ohne dabei eine gewisse Grundsympathie des Zuschauers zu verspielen.
Kleinigkeiten: der Umgang mit einer Fußverletzung wirkt etwas hanebüchen, die tatsächlichen Höhen beim Hochsprung werden zugunsten der Dramaturgie auffällig verheimlicht, und wenn noch vier Athleten im Rennen sind, sagt der Stadionsprecher aufgrund der zwei Deutschen, die noch dabei sind „Eine Medaille geht nach Deutschland - nur welche, das ist die Frage?“. Wo doch zwei deutsche Medaillen durchaus möglich sind. Und nachdem ich mich schon über diese Details aufgeregt habe, wird der konkrete Ausgang des Wettbewerbs bis auf das Abschneiden der Hauptfiguren auch ausgeblendet, was sehr seltsam ist.
Eine filmische Auflösung eines narrativen Problems (Überblendung, wer den Film sieht, wird wissen, was ich meine), auf die die Filmemacher wahrscheinlich sehr stolz sind, wirkt übrigens aus meiner Sicht ziemlich holprig und einfallslos. Verschenktes Potential halt allenthalben.