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Bildmaterial © 2010 Warner Bros. Ent.
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Vater Morgana
(R: Till Endemann)
Deutschland 2010, Buch: Till Endemann, Daniel Schwarz, Kamera: Lars Liebold, Schnitt: Norbert Herzner, Musik: Daniel Welbat, Stephan Gade, mit Christian Ulmen (Lutz Stielike), Michael Gwisdek (Walther Stielike), Felicitas Woll (Annette Diercks), Marc Hosemann (Lothar Rehberg), Heinz Hoenig (Günther Diercks), Ulrike Krumbiegel (Britta), Michael Lott (Holger), Friederike Kempter (Kerstin), Hans Peter Korff (Juwelier Jensen), Kyra Mladeck (Frau Dr. Markwitz), Annalena Schmidt (Dr. Beer), Aykut Kayacik (Fazeh), Hans Peter Hallwachs (Moebius), Alexander Stamm (Axel), Philip Drews (Lutz als Kind), 89 Min., Kinostart: 16. Dezember 2010
Ich habe eine gewisse Ulmen-Müdigkeit erreicht. Das liegt weniger an seinen Internet-Aktivitäten (ulmen.tv) oder an seiner TV-Karriere von Unter Ulmen bis Dr. Psycho, wo er im Kurzformat ja wenig ernstzunehmende Comedy-Konkurrenz hat, sondern an seiner Kino-Karriere, so wie ich sie wahrnahm. Herr Lehmann habe ich nie gesehen (als der rauskam, hatte ich bereits eine ausgeprägte Leander-Haußmann-Müdigkeit entwickelt), Elementarteilchen überzeugte mich nicht, und dann kam bereits die geballte Post-TV-Ulmen-Ladung der letzten 12 Monate: Männerherzen, Jerry Cotton, Maria, ihm schmeckt’s nicht!, Hochzeitspolka (hier hatte ich schon Mut zur Lücke entwickelt) und jetzt Vater Morgana, wo schon der ausgeprägte Wortwitz des Filmtitels mir Gänsehaut verschafft, und auch das Pärchen-Casting mit Felicitas Woll die Richtung des Films bereits vorgibt, aber man soll ja jedermann eine zweite Chance geben (oder dritte, vierte etc.).
Und ungeachtet dessen, dass der Film sich zu einer echten Fata Morgähna entwickelt, die man auch ohne Alzheimer-Diagnose gleich vergessen kann, entwickelte ich einen völlig neuen Blick auf den Hauptdarsteller, die den Film doch zu einem besonderen Erlebnis für mich machte. Denn der nervös fuchtelnde, obrigkeitshörige schüchterne Herr mit Ansatz zur Moppeligkeit erinnerte mich in seiner Diktion und seinem Schauspielstil ebenso wie in der Biedermeierlichkeit des Films an einen der großen deutschen Comedy-Stars: Heinz Erhardt. Wenn man Christian Ulmen dabei zuschaut, wie er die musikalischen Vorzüge einer Komposition der Münchner Freiheit ausdefiniert, wobei er trotz Fachwissen sehr hilflos wirkt, dann kommt das näher an Erhardt heran, als es mancher Switch-Komiker mit voller Absicht, dicker Brille, fettigen Haaren und Schwarzweißbildern vollbracht hätte. Da der Wortwitz Erhardts sich aber leider in den Dialogen des Films (siehe Titel) nicht wiederfindet, konnte auch diese Offenbahrung den Film nicht mehr retten.
In Max Schmeling wurde der schlechte Dialog ja zur veritablen Kunstform erklärt, doch in Vater Morgana kommen selbst die unfreiwilligen Lacher zu selten.
Und gänzlich ins Ärgerliche driftet die Entscheidung des Regisseurs und Co-Autor Till Endemann (Das Lächeln der Tiefseefische), die übliche RomCom mit einer Krimigeschichte um einen Juwelendieb mit Alzheimer »upgraden« zu wollen. Die Vater-Sohn-Geschichte hat ja noch einige nette Ansätze, und Michael Gwisdek als tangotanzender Gentleman (»Stil kommt von Stielike«) erinnert durchaus an Harald Juhnke, wenn er nicht gerade wieder durch das Drehbuch sabotiert wird (»Man muss das Leben feiern, wenn man gerade fällt«). Felicitas Woll als Angebetete Annette, die im Gegensatz zum Schreibtischhengst einer Sicherheitsfirma Ulmen eine reinrassige Polizeikommissarin spielt, wirkt in der Rolle als Kommissarin hochprofessionell und resolut (der Pistolenhalter allein würde sie in jede US-Krimiserie bringen), bloß um dann alle Nase lang in ihrer wenig ausdefinierten Liebe zu Herrn Ulmen ihre Verletzbarkeit als Frau demonstrieren zu müssen. Aus einer Szene mit ihrer Kollegin:
Kollegin: »Es geht um Lutz, um deinen Lutz ... Traust Du dem sowas zu?«
(Annette schüttelt unmerkbar den Kopf)
Kollegin: »Dann kann man ja gar nicht mehr an die Liebe glauben.«
Das Bild der Liebe, das dieser Film propagiert, definiert sich über ein gemeinsames Hobby (Angeln), einen ähnlichen Beruf (diese ersten zwei Punkte lassen sich auch auf die Vater-Sohn-Beziehung übertragen), einen mühsam angesparten Ehering, der allerdings im Zusammenhang mit dem Juwelenraub zum Beweisstück mutiert, die vertrottelte Wahrheit, die in jeder RomCom nach anfänglichen Hindernissen das ultimative Vertrauen signalisiert ... und den Song Ohne Dich schlaf ich heut nacht nicht ein. Sorry, aber da bleibe ich lieber Single.
Das wäre ja schon ein schönes Schlusswort gewesen, aber ich bin noch nicht fertig. Was den Film richtig versaut, ist das vermeintlich »gute« Drehbuch, das am Schluss alle Probleme in Wohlgefallen auflöst. (An dieser Stelle muss ich immer an die weisen Worte des großen Nachwuchs-Filmtheoretikers C. D. Gerstner denken, der die Disney-Version des Glöckners von Notre Dame so zusammenfasste: »Und am Schluss sind alle gute Freunde.«)
Der Juwelendieb, der sich seines Vergehens nicht erinnert, ist somit unschuldig (vergleiche die Wortähnlichkeit Amnesie und Amnestie). Der halbsenile Greis bekommt fürs Happy-End eine etwas jüngere Ärztin, die auf ihn aufpassen kann, und der Juwelier verzichtet auf die Anzeige, solange er fürderhin die »besten Angelwürmer Hamburgs« bekommt (und wahrscheinlich per Versicherungsbetrug Mittäter wird). Außerdem umschließen zwei visuelle Klammern den Film, wobei die erste Klammerszene in ihrem Sepia-Ton schon ärgerlich werbeästhetisch war, doch die Schlussszene des Films setzt noch einen drauf. Sie soll wohl ansatzweise traumhaft rüberkommen, wirkt aber einfach nur wie ein Beweismittel, das man mit CGI heutzutage wirklich alles machen kann – vorausgesetzt, man hat das Knowhow.
Was hier nicht der Fall ist.