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28. Dezember 2011 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||||
A Letter to the Future
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Bildmaterial: Farbfilm Verleih |
Beginnen wir mit A Letter to the Future. Wie gesagt, war ich hier nicht wählerisch, wollte auf mein Pensum kommen, und Kuba ist ja nun auch eines der interessanteren Länder, über die man einen Film drehen kann. Und laut Pressematerial hat der brasilianische Regisseur Renato Martins für seinen früheren Film Wonderful Atrocities (2002) auf drei unterschiedlichen Festivals Auszeichnungen für den »besten Dokumentarfilm«, das »beste Drehbuch« und die »beste Kamera« erhalten. Dummerweise sind das drei Kategorien, für die er von mir für A Letter to the Future, sein Langfilmdebüt, keinen Blumentopf, nicht einmal eine Butterblume von mir bekommen hätte. Wenn man nachträglich im Presseheft blättert, macht der Film eigentlich mehr traurigen Sinn als während der Vorführung. Als Martins seinen oben erwähnten Erstling beim »Festival del Nuevo Cine Latino Americano« in Kuba vorstellte, lernte er die Familie seiner Gastmutter kennen, die ihn auch bei späteren Abstechern herzlich empfing. Und so ist die »Langzeitstudie« (in diesem Fall ein etwas prätentiöser Begriff) einer kubanischen Familie das Kernstück des Films.
Vier Generationen leben hier unter einem Dach, und wenn man den sechsjährigen Diego und seinen 90jährigen Urgroßvater »Pipo« zusammensitzen sieht, so könnte man sich die liebevollen Sticheleien der beiden ungleichen Spielkameraden womöglich zwei Stunden lang ansehen, ohne dessen überdrüssig zu werden. Doch Martins zeigt die ganze Familie, interviewt die Mitglieder einzeln, und befragt sie unter anderem über die Lebenssituation in Kuba. Auch dies hört sich noch hochinteressant an, und manchmal kommen die Gesprächspartner auch zu verblüffenden Einsichten (»Ich glaube, meine Zukunft ist schon vorbei«).
Doch leider ist der Film etwa so dramaturgisch ausgefeilt wie eine Patchwork-Decke, die noch Löcher hat und keine erkennbare Form aufweist. Martins nutzt persönliche Filmaufzeichnungen der Familie und seine in mehreren Jahren entstandenen eigenen Aufnahmen, kümmert sich aber größtenteils nicht im geringsten darum, die Herkunft oder Chronologie des Material zu offenbaren. Oft genug hört man im Off eine Stimme erzählen und hat lange Zeit keinen Schimmer, wie der Bezug zum Bildmaterial ist, wie dieses ausgewählt wurde etc. Hinzu kommt die reichlich uninspirierte Leitung des Films. Neben dem Familienporträt, das offenbar nicht abendfüllend wurde, gibt es so noch Interview mit vier anderen, vage zusammenhängenden Personen, die dann auch erklären dürfen, was es heißt, ein Kubaner zu sein (»Ein Kubaner bleibt ganz ruhig, wenn das Licht nach einem Stromausfall zurückkommt«), oder wie sich das Land verändert (mindestens dreimal wiederholtes Fazit: »Es hat sich nichts geändert, Kleinigkeiten sind besser geworden, und ich bin älter geworden«). Dann wurde das eher maue Material mit einer Kameraführung, die manchmal wirkt, als hätte die Kameraperson das Equipment erst vor einer Viertelstunde in die Hand gedrückt bekommen, auf Gedeih und Verderb auf 87 Minuten gestreckt (im Presseheft werden neun Produzenten aus den drei Produktionsländern aufgeführt, die Riege der sich wohl abwechselnden Cutter hat man indes eher unerwähnt gelassen), und wann immer man noch eine Tonspur hatee, aber kein Bildmaterial, das man darunter legen konnte, zeigt man den kleinen Diego, der mit seinem Fahrrad im Kreis fährt. Was man mit sehr viel guten Willen ja fast noch als Symbol für die Lebenssituation auf Kuba interpretieren könnte (»trotz Embargo bin ich glücklich, bewege mich aber nicht voran«), doch der Film appelliert leider so gar nicht an meinen guten Willen. Dass ich bis zuletzt im Kino sitzen geblieben bin (irgendwann hört der Spaß mit den guten Vorsätzen auch mal auf), ist mehr guter Willen gewesen, als der Film verdient hat.
Bildmaterial © 2011 Twentieth Century Fox |
Verglichen damit hatte The Darkest Hour durchaus noch seine Momente. Man vermischte Cloverfield mit Independence Day, versetzte das Ganze nach Moskau, und hat sich beim Ersinnen neuer Aliens immerhin Mühe gegeben. Sean (Emile Hirsch) und Ben (Max Minghella) wollen mit einer neuen Social-Network-Smartphone-App den russischen Software-Markt erobern, haben aber nicht damit gerechnet, dass ihr skandinavischer Inside-Man die Software einfach klaut und selbst verkauft. Somit sitzen sie in einer Disko und betrinken sich, lernen aber dabei zwei gleichaltrige Amerikanerinnen kennen, ehe eine außerirdische Invasion den fast noch geretteten Abend dann doch noch gehörig plättet.
Die Aliens sind größtenteils unsichtbar, lassen Menschen bei Berührung (und es geht hier nicht um zufällige Berührungen, sie jagen die Menschen) zu Staub zerfallen, weitere Informationen sollte man bei Interesse dem Film entnehmen.
Trotz halbwegs bekannter Stars, vielen Effekten und einigen spektakulären Bildern, die ein verlassenes (und etwas verstaubtes) Moskau sowie ein in einer Einkaufspassage abgestürtes Passagierflugzeug oder eine durch ein Kriegsschiff zerstörte Brücke zeigen, mutet der Film fast wie Low Budget an. Abgesehen von den Anfangsszenen braucht man kaum Darsteller, die Aliens sind meist unsichtbar, und selbst, wenn sie gegen Ende des Films etwas sichtbarer werden, so ist offensichtlich, dass die Spezialeffekte etwas liederlich sind und sich einige Bilder in kleinen Variationen wiederholen. Und wozu der Film in 3D sein musste, erklärt sich auch ausschließlich über seine Marktstrategie: »Survive the Holidays« steht auf dem US-Plakat, die Tagline lautet »The Invasion Begins Christmas Day«. Mit dem Inhalt des Films hat dies rein gar nichts zu tun. Nirgendswo sieht man eine Weihnachtsdekoration, Olivia Thirlby als Natalie läuft einige Zeit sogar (freiwillig!) barfuss über das Straßenpflaster, das Ganze scheint eher so im März oder Oktober zu spielen. Aber seit Lord of the Rings weiß man um das Weihnachtsgeschäft, nicht jedermann will zusammen mit der Familie zum zwölften Mal It’s a Wonderful Life oder Little Lord Fauntleroy sehen, und da will man halt etwas bieten: 3D-Hype, produziert von Timur Bekmambetov (Night Watch, Wanted), pärchentauglichen Action-Spaß.
In der ersten Hälfte hält der Film auch seine Spannung, die unsichtbare Bedrohung und die Ungewissheit funktionieren, die Pärchenverteilung läuft etwas anders, als man zu Beginn angenommen hätte, doch dann entwickelt der Film sozusagen eine Routine, die schon im Drehbuch aufgrund diverser Vorbilder gegeben ist. Man kann ohne Probleme voraussehen, welche Figur als nächstes Opfer der Aliens wird, dann kommt mit einer russischen Befreiungsfront noch etwas unerwartetes in den Film, doch plötzlich gebährden sich die zuvor ganz »normalen« Figuren auch noch wie wildgewordene Macho-Action-Stars und es geht nicht mehr ums eigene Überleben, sondern um das Zurückschlagen. It’s the American way, and it’s so damn boring! In den letzten fünf Minuten stolziert der Film geradezu durch einen Trampelpfad von Fettnäpchen, und selbst der Verzicht auf den obligatorischen Kuss kann dann den Gesamteindruck auch nicht mehr retten. Cloverfield war weit davon entfernt, ein guter Film zu sein, aber er verwandelte sich zumindest nicht in der letzten Viertelstunde in Hurra-Patriotismus à la Emmerich, Milius, Bay. Würg!
Übrigens: die Logiklöcher von The Darkest Hour sind auch auf Emmerich-Niveau.
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