Originaltitel: John Carter, USA 2012, Buch: Andrew Stanton, Mark Andrews, Michael Chabon, Lit. Vorlage: Edgar Rice Burroughs, Kamera: Dan Mindel, Schnitt: Eric Zumbrunnen, Musik: Michael Giacchino, mit Taylor Kitsch (John Carter), Lynn Collins (Dejah Thoris), Willem Dafoe (Tars Tarkas), Samantha Morton (Sola), Thomas Haden Church (Tal Hajus), Mark Strong (Matai Shang), Ciarán Hinds (Tardos Mors), Dominic West (Sab Than), James Purefoy (Kantos Kan), Bryan Cranston (Powell), Polly Walker (Sarkoja), Daryl Sabara (Edgar Rice Burroughs), Pippa Nixon (Lightmaster), David Schwimmer (Young Thark Warrior), Jon Favreau (Thark Bookie), Art Malik (Zodangan General), 132 Min., Kinostart: 8. März 2012
Nach Andrew Adamson (Shrek, Narnia-Filme) und Brad Bird (The Incredibles, Mission Impossible: Ghost Protocol) ist Andrew Stanton (Finding Nemo, Wall·E) ein weiterer Regisseur, der nach erfolgreichen Computeranimationsfilmen sein Realfilmdebüt geben darf, wobei John Carter, ähnlich wie die Narnia-Filme, aber ungeachtet der Darsteller aus Fleisch und Blut einen großen Prozentsatz an computergenerierten Bildern vorweist. Wechselgänger zwischen Animation und Realfilm gab es immer (Georges Méliès war nicht nur zeitlich ein Pionier in beiden Bereichen, Frank Tashlin oder Tim Burton straften mit ihrem visuellen Einfallsreichtum alle konservativen Schubladen-Denker), aber das Mega-Eventkino der heutigen Zeit verbindet mitunter mehr mit dem Animationsfilm als herkömmlich inszenierten Spielfilmen, aus Storyboards wurden Pre-Visualizations, von manchem Film können sich die Macher schon ein ziemlich genaues Bild machen, bevor die Schauspieler überhaupt feststehen.
Was auch beim Casting von John Carter eine Rolle zu spielen schien, denn neben wenig charismatischen, aber gängigen Schönheitsidealen entsprechenden Jungdarstellern werden die bekannteren Schauspieler größtenteils in »Sprechrollen« verheizt (ob hier mit Motion Capture gearbeitet wurde und man womöglich mehr Willem Dafoe oder Thomas Haden Church erkennen kann, wenn man nur weiß, wo man suchen muss, interessiert mich aus irgendwelchen Gründen keinen Deut), was abermals an Animationsfilme erinnert (oder an die Narnia-Filme).
Auch den in einer Rahmenhandlung (aus dem Buch übernommen) auftauchenden Edgar Rice Burroughs mit Daryl Sabara zu besetzen ist irgendwie symptomatisch. Wer nicht mehr weiß, wer Daryl Sabara ist, dem sei verziehen, seine Auftritte (mehr oder weniger als Hauptdarsteller) in den Spy-Kids-Filmen (Teil 4 läuft bald an) waren nicht weiter der Rede wert. Und Robert Rodriguez hat zwar wenig mit Animationsfilmen zu tun, aber seine Art, Filme mit Green Screen und zusammengesetzten Einzelbildelementen zu drehen, verdeutlichen die Gefahren eines hochmodernen Kinos, in dem sich selbst die Darsteller des Liebespaars zu keinem Zeitpunkt im selben Raum befinden müssen.
Die Möglichkeiten sind interessant, die Ergebnisse hingegen oft dürftig. Es mag großartige Darsteller wie Andy Serkis geben, die sich stundenlang mit einem Tennisball auf einer Stange unterhalten können und dennoch die gewünschte emotionale Tiefe projizieren (oder hochtalentierte Sprecher, die selbst noch einer abstrakten Form einen Charakter einimpfen können). Doch ein Ersatz für Menschen, die miteinander agieren, in feinen Nuancen aufeinander reagieren und sich gegenseitig zu Höchstleistungen antreiben, ist das Kino, das nicht in der Kamera, sondern im Rechner entsteht, in den allerwenigsten Fällen.
Das gilt auch für John Carter, einen Film, der mich so wenig berührte, dass es fast schon eine Leistung war. Obwohl man sich offenbar Mühe gegeben hat. Michael Chabon (Gentlemen of the Road) als Co-Autor war sicher eine clevere Wahl und das mitunter erschreckend triviale Buch A Princess of Mars, das vor exakt einem Jahrhundert veröffentlicht wurde, wurde an manchen Stellen durchaus verbessert. Man erschuf eine eigene Sprache, das Design der Luftschiffe ist überzeugend und interessant, die Aliens weichen nicht zu stark von Burroughs' Beschreibungen ab, können aber vor einem modernen Publikum bestehen. Nur: was nützt das alles, wenn die Handlung sich in einer antiseptischen Boy-meets-Alien-Girl-Kiste und allerlei unmotivierten Kriegshandlungen erschöpft, bei denen zudem Gut und Böse so offensichtlich erkennbar verteilt sind, dass man sich an die schwächeren Arbeiten von George Lucas erinnert, und der mitunter politisch sehr fragwürdige Blödsinn von Burroughs im direkten Vergleich zumindest noch sperrig und amüsant wirkt, wo der Film nur anödet.
Meine Kritikerkollegen ermahnten mich nach dem Film, denn offenbar hatte ich mich an manchen Stellen auch amüsiert und war durch meine persönliche Geräuschkulisse negativ aufgefallen. Doch das lag nur an einer einzigem Filmfigur: Woola, einem Begleiter Carters, der diverse Merkmale eines Hundes aufweist (bei Burroughs wurde er zu Beginn auch kaum beschrieben und häufig als »hound« bezeichnet, was die Filmemacher in Kenntnis der kompletten Buchreihe revidierten).
Gleich in seiner ersten Szene erinnert Woola sogar an einen berühmten Zeichentrick-Hund, nämlich an Droopy, der (wie der Hase den Igel) in diversen Tex-Avery-Filmen fliehende Figuren dadurch zur Verzweiflung bringt, dass er ihnen immer schon am zwischenzeitigen Zielpunkt ihrer Flucht auflauert. Bei Droopy wird der Geheimtrick des eher lethargisch wirkenden Mischlings zumeist nicht aufgeklärt, bei Woola liegt es schlicht an seiner (durch Beinanzahl exponierten) Schnelligkeit, der selbst die übermarsianische Kraft und die der geringen Schwerkraft des roten Planeten geschuldete Fähigkeit Carters, wie einst Superman mit Riesensprüngen hohe Gebäude (so vorhanden) zu überspringen, nicht gewachsen ist.
Der Spruch »You are ugly, but you are beautiful« (in dem deutschen Trailer und somit wahrscheinlich auch der Synchro mal wieder verpatzt) passt auf Woola viel besser als auf den Titelhelden. Wenn er gähnt, verspielt ist oder jemanden mit seiner Bettvorleger-großen Zunge abschlabbert, dann muss man ihn einfach gern haben. Und ich sage das als dezidierte Katzenperson.
Dummerweise hat Woola aber nur geschätzt eine Viertelstunde Screentime in John Carter. Das ist zwar mehr als »Miss Fields« in Quantum of Solace, aber weniger als Scrat in einem durchschnittlichen Teil von Ice Age. Und bei denen rate ich trotz meiner Verehrung für das von Chuck Jones inspirierte Sonstwas-Hörnchen auch immer ab. Woola ist noch eine Winzigkeit uninteressanter als Scrat und John Carter wird selbst von Ice Age noch überflügelt. Übrigens sind auch die Effekte und die 3D-Konvertierung längst nicht immer überzeugend. Hoffentlich wird daraus keine Serie.