USA 2012, Originaltitel: Prometheus: Buch: Jon Spaihts, Damon Lindelof, Kamera: Dariusz Wolski, Schnitt: Pietro Scalia, Musik: Marc Streitenfeld, Production Design: Arthur Max, Art Direction: John King, Marc Homes, Karen Wakefield, Kostüme: Janty Yates, mit Noomi Rapace (Elizabeth Shaw), Michael Fassbender (David), Charlize Theron (Meredith Vickers), Logan Marshall-Green (Charlie Holloway), Idris Elba (Janek), Guy Pearce (Peter Weyland), Sean Harris (Fifield), Rafe Spall (Millburn), Emun Elliott (Chance), Benedict Wong (Ravel), Kate Dickie (Ford), Patrick Wilson (Shaw's Father), Lucy Hutchinson (Young Shaw), Daniel James (Sacrifice Engineer), John Lebar (Ghost Engineer), Ian Whyte (Last Engineer), 124 Min., Kinostart: 9. August 2012
Wenn man Prometheus als den besten Ridley-Scott-Film seit zwei Jahrzehnten bezeichnen würde, läge die Einschränkung dieses Kompliments darin, dass Scott weder in den 1990ern noch in den »Nuller-Jahren« großartige Leistungen gebracht hätte. Selbst wenn man Gladiator und Thelma & Louise als die besten »neueren« Filme des vormaligen Werbeclip-Regisseurs nennen würde, handelt es sich dabei auch nicht unbedingt am Glanzstücke der Filmkunst, Oscar für den »besten Film« hin oder her. Nun ist auch Prometheus keine Meisterleistung, und von den Frühwerken des Regisseurs (Alien, Blade Runner, und – jawoll! – The Duellists) um einiges entfernt, aber:
Scott und sein Team (da die beiden Drehbuchautoren nur Cowboys & Aliens und The Darkest Hour als Kinoarbeiten vorweisen können, mag ich ihre Rolle nicht überbetonen) schaffen es, das erste Sci-Fi-Prequel mit einigem Abstand zum Original zu erstellen, das nicht sich selbst oder die Vorläufer anhand veränderter visueller Möglichkeiten zur Lachnummer verkommen lässt. Verglichen hiermit sind Episode 1, Enterprise der J.J.-Abrams-Trek-Film Witznummern.
nimmt ein zu Tode gelutschtes Franchise und päppelt es wieder auf. Und das einerseits ohne Reboot und andererseits mit einer durchaus interessanten (narrativen) Abkehr von den Originalfilmen. Obwohl man dauernd an sie erinnert wird.
akzeptiert die veränderten Sehgewohnheiten des Publikums, das andere Schnitttempo, das Beharren auf Spektakel – biedert sich dabei aber nicht an wie Abrams, der vier Jahrzehnte Star Trek in die Mottenkiste stopft, während Scott einem Lust macht, die alten Filme gleich noch mal zu sehen.
Wer die Trailer gesehen hat oder Scotts Bemerkungen beim Regiekommentar der DVD seines »Director's Cut« von Alien kennt, ahnt bereits, dass diesmal das Geheimnis des »Navigators« (aka Space Jockey) und seines abgestürzten Raumschiffs gelüftet wird – allerdings nicht, ohne aus der hier »Engineers« genannten Spezies von Außerirdischen gleich so etwas wie eine »Schöpferrasse« zu basteln, die womöglich mal an verschiedenen Stellen der Erde mindestens die Ureinwohner mit einer großen Erscheinung und einer seltsamen Sternenkonstellation konfrontiert hat. Die erste Szene des Film impliziert aber eine ganz andere »Schöpfung« (ob auf der Erde – was wenig Sinn geben würde – oder anderswo), die einen der mönchsartigen »Engineers« sich opfern lässt und aus seinem frikassierten DNA etwas Neues schafft. Allerdings wohl eher nicht die Menschheit, falls ich den Film nicht komplett missverstanden habe.
Nachdem ich persönlich nach den ersten Trailern und Weyland-Videos (die übrigens längst nicht alle so im Film vorkommen) ein längere Zeit nicht mehr empfundenes Interesse an dem Streifen entwickelte, waren es die esoterischen Schöpfungsmythen (nicht umsonst heißen Film und Raumschiff »Prometheus«), die mich argwöhnisch werden ließen. Ich wollte keinen Däniken-Kram, sondern gute Science Fiction, von mir aus auch mit Horroreinschlag. Und glücklicherweise kann man die ganze Story um die Schöpfung der Menschheit und die mögliche Rolle bestimmter Aliens zwar zum Dreh- und Angelpunkt des Films hochstilisieren – oder es einfach als MacGuffin links liegen lassen, wenn es einen nicht so brennend interessiert. Es besteht zwar die Möglichkeit, ein Sequel zu Prometheus zu drehen, das dann mit der Alien-Franchise fast gar nichts mehr zu tun hat, angesichts des doch eher hinter den Erwartungen (und Madagascar 3) gebliebenen Einspielergebnisses des Films wird es dazu aber eher nicht kommen. Also: wir schauen uns an, wie ein Forschungsschiff etwas über Schöpfung und andere religiöse Fragen herausbekommen will, konzentrieren uns dabei aber ganz auf den ersten Auftritt einer ganz anderen Spezies, wobei Ridley Scotts frühe Aussage, dass er sich um die ganzen Chestburster, Facehugger und sonstige bekannte Zwischenstadien in der Alienentwicklung diesmal so gar nicht kümmern will, von mir auch positiv aufgenommen wurden.
Die Prometheus hat eine größere Besatzung als die Nostromo (mehr Alienfutter), aber bestimmte obligate Vorgaben werden auch hier erfüllt. Die Rolle des Androiden, die Ian Holm und Lance Hendriksen so hübsch ausfüllten, übernahm hier Michael Fassbender, der diesmal fast zur Hauptfigur wird, wenn er als einziger wacher Passagier zwischen den Cryo-Kammern umherwandert, David Leans Lawrence of Arabia als Ansatzpunkt seiner erarbeiteten Humanität nimmt, und in seiner Perfektion (die bei Ash ja absichtlich verborgen blieb) und seltsamen Mischung aus Arroganz und Untertänigkeit auch irgendwie (wie auch einige Designentscheidungen) an den HAL 2000 bzw. Kubricks 2001 – A Space Odyssey erinnert. Ohne jetzt zuviel verraten zu wollen, ob der Roboterkollege diesmal böse, gut oder womöglich eher gleichgültig reagiert.
Obligat ist natürlich die weibliche Figur, die über sich hinauswächst, wozu man diesmal gleich zwei Figuren anbietet (Noomi Rapace und Charlize Theron, die dritte Frau an Bord erinnert von Anfang an eher an Veronica Cartwright, also ein typisches Opfer). Komplett neu hingegen, dass eine der Frauen (Rapace als Elizabeth Shaw) in einer gut funktionierenden Beziehung lebt, und ihren Partner, ebenfalls einen hochintelligenter Wissenschaftler (Logan Marshall-Green) gleich mit an Bord bringt.
Davon abgesehen gibt es Guy Pearce in einer Kurzrolle als Mitglied der Familie Weyland (wie Lance Hendriksen in Aliens vs. Predator), ein paar um Bonuszahlungen besorgte einfache Arbeiter wie einst Brett und Parker, einen qualifizierten, aber schnell überforderten Captain (Idris Elba), und die Rolle des »ambivalent besorgten Wissenschaftlers« wurde diesmal durch die oberste Befehlshaberin Vickers (Charlize Theron) ersetzt, die mit ihrer persönlichen Rettungskapsel und dem Beharren auf Quarantäne-Vorschriften auch nur das Unvermeidliche verzögern kann.
Abermals landet man auf einem Planeten, auf dem es gilt ein Raumschiff zu untersuchen, abermals entwickeln sich Startprobleme, während sich eine übermächtige Bedrohung herausstellt. Der altgriechische Namensvetter Prometheus forderte einst die Götter heraus, um den Menschen das Feuer zu bringen, und wurde durch einen empfindlichen Leberschaden abgestraft. Im Pressematerial zum Film wird das wie folgt zusammengefasst: »Challenging the gods can be a very, very bad idea«. Dies könnte der zentrale Satz des Films sein, und das auf mannigfaltige Weise. Die Menschen fassen einige Gestirnkonstellationen als »Einladung« auf (ähnlich wie man in Alien eine Warnung als Hilferuf deutete), machen sich dann wie einst Ikarus auf den Weg zu den vermeintlichen Göttern, wirken dabei mit Ausnahme der »gläubigen« Elizabeth auch nicht besonders ehrfürchtig. Der Einwurf am Ankunftstag, dass man nur noch 6 Stunden Tageslicht zur Verfügung habe, wird etwa von ihrem nicht-spirituellem Bettkollegen Holloway mit dem Satz »It's Christmas and I want to open my presents« hinweggewischt. Dass man sich tatsächlich am Ende des Dezembers befindet, ist hier eine Nebensache, wie das Jesus-Baby in Form einer Plastikpuppe auf dem Billardtisch (Kubrick lässt wieder grüßen!).
Noch gefährlicher als der unangebrachte Umgang mit der »Schöpferrasse« ist für die Astronauten aber der Umstand, dass sie (anfänglich) einen Zwei-Fronten-Krieg kämpfen müssen. Denn der Android David verhält sich zwar des öfteren besonders untertänig oder menschlich, Fassbender lässt sich auch Zeit, den Pinocchio-mäßigen kindlichen Aspekt auszuloten, hat aber (wie Kinder) vor seinen Schöpfern auch keinen Respekt, und verfolgt ganz eigene Ziele. Und dann wird das Ganze noch komplizierter durch die quasi mitzuerlebende Schöpfung der Aliens, die sich so gar nicht wie Weihnachtsgeschenke verhalten.
Die Aliens werden quasi aus einer teerähnlichen schwarzen Substanz geboren (teuflisch!), wirken dann in ihrem Design wie schon bei Giger sehr phallisch, und das Schöne an Prometheus ist, dass man zwar immer auf Alien (und unterschiedlich stark auf den weiteren Filmen) aufbaut, man es aber größtenteils schafft, jeder wiederzuerkennenden Wendung einen zusätzlichen Twist zu geben. Wenn man mit einem Chestburster kaum jemanden mehr schocken kann, der Android ohnehin jedermann suspekt ist und man um die seltsame Geschäftspolitik der Weyland Corporation weiß, muss man sich halt etwas einfallen lassen, um den Zuschauer auf dem falschen Fuß zu erwischen oder ihm zumindest etwas Neues zu bieten.
Als Alien-Fan der ersten Stunde (mit zwölf kam ich ins Kino, irreparable Schäden!) störte ich mich einzig am Ende des Films, das einerseits auch für Leute, die mal vom dritten Film etwas im Mittelteil im Kabelfernsehen gesehen haben, und sich daran nicht mehr genau erinnern können, überdeutlich den Zusammenhang zur Alien-Serie verdeutlicht (ungeachtet Scotts Beteuerungen, dass dies kein Prequel sei), dann aber einige Fehler vorweist, die ich als unentschuldbar einordnete. Doch eine Woche später hatte ich es dann kapiert. Prometheus ist tatsächlich kein Prequel im direkten Kausal-Sinn, und die Chuzpe Scotts, den Nerds auf der Schlussgerade einen Handschuh ins Gesicht zu klatschen, ist nur ein weiterer kleiner Geniestreich, der eigentlich nur eine Frage aufkommen lässt: Warum sind die anderen Filme, die Scott in letzter Zeit drehte, so brav und langweilig?