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5. September 2012
Thomas Vorwerk
für satt.org


  The Cabin in the Woods (Drew Goddard)
The Cabin in the Woods (Drew Goddard)
Bildmaterial © Universum Film
The Cabin in the Woods (Drew Goddard)
The Cabin in the Woods (Drew Goddard)
The Cabin in the Woods (Drew Goddard)


The Cabin in the Woods
(Drew Goddard)

USA 2011, Buch: Joss Whedon, Drew Goddard, Kamera: Peter Deming, Schnitt: Lisa Lassek, Musik: David Julyanmit Kristen Connolly (Dana), Chris Hemsworth (Curt), Anna Hutchison (Jules), Fran Kranz (Marty), Jesse Williams (Holden), Richard Jenkins (Sitterson), Bradley Whitford (Hadley), Brian White (Truman), Amy Acker (Lin), Tim De Zarn (Mordecai), Sigourney Weaver (The Director), Dan Payne (Mathew Bruckner), Jodelle Ferland (Patience Bruckner), Dan Shea (Father Bruckner), Maya Massar (Mother Bruckner), Matt Drake (Judah Bruckner), Tom Lenk (Ronald The Intern), Richard Cetrone (Werewolf / Merman), Phoebe Galvan (Sugarplum Fairy), Lori Stewart (Floating Witch), Greg Zach (Fornicus - Lord of Bondage and Pain), Terry Notary (The Clown), 95 Min., Kinostart: 6. September 2012

Mit auffälliger Verspätung (die Dreharbeiten sollen 2009 gewesen sein) hat es dieser Film noch in die deutschen Kinos geschafft, und wenn man bedenkt, dass sowohl Regisseur Drew Goddard wegen Cloverfield (damals noch nur als Autor) abgefeiert wurde, als auch Produzent und Co-Autor Joss Whedon spätestens seit den Avengers einige Zuschauer locken dürfte, mutet dies etwas seltsam an. Das Horror-Genre hat momentan so seine Probleme, weil der Anteil von billig hergestelltem Schmarrn nach wie vor erstaunlich groß ist, und die gehypten Kassenschlager der großen Studios zumeist Remakes, Sequels oder immer gleichbleibende Variationen bestimmter Erfolgsrezepte sind. Wirklich Eindruck machen aber nur tatsächlich innovative Ideen, und wenn man dabei auch noch die den Fans sehr vertrauten Regeln des Genres »vorführt« sowie »karikiert«, umso besser. Das führte vor einiger Zeit zum erstaunlichen Erfolg der Scream-Reihe, aber auch Tucker & Dale vs. Evil war ein postmoderner Horrorfilm, der bereits mit rudimentärem Vorwissen bestens funktioniert.

The Cabin in the Woods nimmt sich größtenteils desselben Backwoods-Teen-Slashers an, und wie so häufig zeigt sich die letzte Tankstelle vor dem Blockhaus auch mal wieder von eher degenerierten Subjekten geführt (er heißt Mordecai, kaut Tabak und hat eine ungesunde Gesichtsfarbe), mit jeder Menge Haken, Sägen und Tierpräparaten vollgestopft, und wenn der Tankwart einen mit wirren Sätzen warnt, verspottet man ihn. So läuft das Genre halt. Wir sind jung und wollen Spaß.

Ende der halbwegs spoilerfreien Zone, ab hier wird etwa die Hälfte des Plots ausgeplaudert ... Tankwart und Kritiker hatten gewarnt.

Mindestens eines der fünf potentiellen Opfer, nämlich Dana (Kristen Connolly), hat eine Spur mehr Grips und ist zum Überleben prädestiniert, doch in diesem Film läuft einiges etwas anders, denn schon in der allerersten Szene lernen wir Sitterson (Richard Jenkins) und Hadley (Bradley Whitford) kennen, die ähnlich wie der Tankwart »nur ihren Job« machen - und dieser Job besteht mehr oder weniger aus einer Mischung der Jobs in Monsters, Inc. und The Truman Show. Bei der Monster AG waren die Monster bekanntlich die Arbeiter und eigentlich so gar nicht zum Fürchten - Sulley und Mike sind wie Sitterson und Hadley. Die Truman Show erlebte man größtenteils mit den Augen von Jim Carrey, die »Arbeiter« waren eher hinter den Kulissen tätig (in The Cabin in the Woods spielt Sigourney Weaver die Rolle, die in The Truman Show Ed Harris innehat). Und Joss Whedon und Drew Goddard kombinieren die Herangehensweise dieser beiden Filme: Man sieht einerseits eine Art »Reality-TV«, die ganz nach den Regeln bekannter Horrorfilme funktioniert, und andererseits einen Haufen von Personen, die dafür sorgen, dass der Horrorfilm so funktioniert, wie das Publikum es wünscht. Und das mit perfiden Mitteln, denn das gesamte Terrain ist so auf Manipulation abgestimmt wie in The Hunger Games. Wenn sich das geplante Schäferstündchen zwischen Schlampe und Alpha-Male nicht einstellen will, weil ihr »zu kalt« oder es »zu dunkel« ist, schiebt man den Heizungsregler hoch, offenbart ein dezent ausgeleuchtetes Moos-Bett und betätigt für alle Fälle noch mal die Pheromon-Düse.

Damit könnte man vermutlich schon einen gelungenen Horrorabend bestreiten, doch Whedon und Goddard ist das noch zu akademisch, sie wissen, dass man dem Publikum etwas bieten muss, was über die Regelbefolgung des Genres hinausgeht. Und so gibt es hier nicht nur eigentümlich geschickte Zombies, die eine Bärenfalle wie ein Lasso benutzen, um ihre Opfer einzufangen, sondern alles, was ich hier bereits gespoilert habe, ist nur ein Neuntel des noch verborgenen Eisbergs. Die anderen acht Neuntel sind nicht ganz so clever wie das bisher umschriebene, aber dafür wirklich spektakulär! Ein bisschen so, als wenn man Captain America schaut und plötzlich im Showdown der Avengers landet. Nur halt in Sachen Horrorgenre, und für diesen Showdown fällt mir kein Vergleichs-Horrorfilm ein. Höchstens für den allerletzten Effekt Jacques Tourneurs The Curse of the Demon, wobei Whedon und Goddard selbst noch das Zeigen des Unzeigbaren eine Spur cleverer handhaben als Tourneur (wenn auch nur aufgrund der technologischen Möglichkeiten). Selbst, wenn ich das Ungezeigte immer noch gräßlicher finde, wie es etwa die Szene mit »Jules« und der Säge demonstriert, wo sich jeder Zuschauer ganz nach Gusto ausmalen kann, was da wohl passiert ist. Diese Wahl wird uns am Schluss des Films leider genommen, aber wahrscheinlich wollten die Filmemacher auch die »optionalen« Regeln ausschöpfen.

Auf imdb hat sich übrigens jemand in den Kommentaren darüber gewundert, warum der japanische Horrorfilm nach anderen Regeln funktioniert, insbesondere mit einem anderen Figurenstamm. Erstaunlich, wie hier jemand nach wenigen Augenblicken bereits zu wissen scheint, die Figuren einschätzen zu können.