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19. September 2012
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Piranha 2 [in 3D] (John Gulager)
Piranha 2 [in 3D] (John Gulager)
Bildmaterial © 2012 iberius Film
Piranha 2 [in 3D] (John Gulager)
Piranha 2 [in 3D] (John Gulager)
Piranha 2 [in 3D] (John Gulager)


Piranha 2 [in 3D]
(John Gulager)

USA 2012, Originaltitel: Piranha 3DD, Buch: Patrick Melton, Marcus Dunstan, Joel Soisson, basierend auf Figuren von: Peter Goldfinger, Josh Stolberg, Kamera: Alexandre Lehmann, Schnitt: Martin Bernfeld, Devin C. Lasser, Kirk Morri, Musik: Elia Cmiral, mit Danielle Panabaker (Maddy), Matt Bush (Barry), Katrina Bowden (Shelby), Jean-Luc Bilodeau (Josh), David Koechner (Chet), Chris Zylka (Kyle), Adrian Martinez (Big Dave), Paul James Jordan (Travis), Meagan Tandy (Ashley), David Hasselhoff (Himself), Christopher Lloyd (Mr. Goodman), Paul Scheer (Andrew), Gary Busey (Clayton), Clu Gulager (Mo), Sierra Fisk (Bethany), Ving Rhames (Deputy Fallon), 83 Min., DVD-Verleihstart: 13. September 2012, DVD-Verkaufsstart: 4. Oktober 2012, FSK: ab 18

Es gibt diesen alten Woody-Allen-Witz, der im Grunde genommen nur den Spruch »Life's a bitch – and then you die« auswalzt: Zwei Frauen in der Kantine des Altenheims. Die eine: »Das Essen hier ist gräßlich!« Darauf die zweite: »Ja, und diese kleinen Portionen!« Der scheinbare Widerspruch zwischen diesen beiden Kritikpunkten tritt bei Piranha 3DD ganz in den Hintergrund, denn man muss unabhängig voneinander konstatieren, dass dieser Film nicht nur a) das Schlechteste ist, was ich in den letzten paar Jahren gesehen habe (dagegen sind bei One for the Money, A Little Bit of Heaven, The Devil's Double, selbst bei Resturlaub und Zettl immerhin Bemühungen zu sehen – und die Filme »unterhalten« auch besser), sowie b) in Sachen der Lauflänge eine schlichte Frechheit. Laut imdb geht der Film 83 Minuten, die als »ungekürzt« deklarierte DVD ist aber nach 79 Minuten zuende – und davon sind bereits gut zehn Minuten Abspann. Nun spricht ja generell nichts gegen kompakte Filme, doch in diesem Fall musste man offensichtlich schon ziemlich tricksen, um überhaupt über eine Stunde zu kommen. Nicht weniger als drei Cutter waren damit beschäftigt, immer mal wieder »Atmo«-Bilder von Bikinischönheiten in Wasserrutschen etc. einzuschneiden (dies übrigens auch schon Tage vor der »Eröffnung« des Wasserparks im Film) oder solche meist recht gedehnten Szenen, die einer der Drehbuchautoren im Audiokommentar immer wieder mit den Worten »Meanwhile, in the water« einführt. Dann gibt es noch einige Szenen mit der durchgehend penetrant bis geschmacklos agierenden Filmfigur »Big Dave« oder einen nahezu komplett vom Rest des Films losgelösten Auftritt von Ving Rhames, von dessen Figur man eigentlich annahm, sie wäre in Alexandre Ajas Piranha verschieden. Ein weiterer Glücksfall für die Filmemacher war wohl, dass Gaststar David Hasselhoff, ursprünglich für einen Drehtag engagiert, beim Dreh (oder drumherum?) so viel Spaß hatte (er umschreibt die weiblichen Statisten als »Baywatch on Steroids«), dass er gleich vier Tage lang drehte und dabei, weil das Drehbuch ohnehin nicht in Stein gemeißelt war, viele seiner eigenen Ideen umsetzen durfte. Insgesamt hat der Film jetzt etwa acht Minuten »The Hoff«, und zumindest für Fans des Fernsehstars dürfte der Film eine Goldgrube sein.

Alexandre Ajas Remake von Joe Dantes Piranha war ja bereits nicht unbedingt geschmackssicher, aber Piranha 3DD (leider hatte der DVD-Vertrieb wohl Angst, ob die deutschen Kunden den Scherz mit der Körbchengröße verstehen) versucht, mit jeweils geringerem »Aufwand« größere »Grenzübertretungen« zu bieten. Grenzübertretungen hinsichtlich des Geschmacks, des Humors, des Filmemachens und der Logik.

Kann man einem Film mit dem Titel Piranha 3DD ernsthaft Logik abverlangen? Normalerweise nicht, aber so idiotisch, wie hier hanebüchene Sachverhalte dargestellt werden, weiß man gar nicht, worüber man sich zuerst aufregen soll, also warum nicht auch über die Logik? Insbesondere, weil sie nicht das einzige ist, was hier mit Füßen getreten wird. Meistens geht es gleichzeitig gegen Logik und Menschenwürde, gegen Geschmack und Dramaturgie oder andere Kombinationen davon, wie die Filmemacher wahrscheinlich sogar absichtlich gegen sämtliche Regeln verstoßen. Und auf die Gefahr hin, dass sich jemand aufgrund meiner Beschreibungen diesen Riesenschmarrn von einem Film anschaut, will ich zumindest einige Beispiele liefern. Beim Nacktbaden schwimmt ein kleiner Piranha zielbewusst in die Vagina einer Frau (man sieht nur Silhouetten), diese scheint abgesehen von Übelkeit am Folgetag (Juchhu! Kotzen in 3D!) keinerlei Beschwerden zu haben, ehe dann beim Beischlaf der mittlerweile geschätzt viermal so große Fisch (das Wachstum impliziert mysteriöse schmerzfreie Nahrungsaufnahme) das eindringende männliche Organ »anknabbert«, bis der junge Mann den zunächst noch (aus seiner Sicht) lustvollen Verkehr abbricht, sich das Malheur anschaut und in offensichtlicher Umnachtung gleichzeitig den Fisch und (im übertragenen Sinne) »sich selbst« »köpft«. Das war glaube ich der Höhepunkt an Unlogik. Der Höhe- bzw. Tiefpunkt an »bad filmmaking«: Sekunden, nachdem die Piranhas in ein Schwimmbecken eingedrungen sind, sieht man in einer Unterwasseraufnahme die Beine von einigen Damen. Nirgendwo im Bild sind Piranhas zu sehen, aber das Wasser wirkt bereits rötlich und an den Beinen sieht man etwas, was wohl dicke herunterlaufende Blutrinnsale sein sollen. Wohlgemerkt im Wasser, während alles um sein Leben strampelt und es sicher auch Fische zu sehen gäbe, wenn die Effekte nicht zu teuer gewesen wären. Tiefpunkt »gegen die Menschenwürde«: Der profitgierige Besitzer des Wasserparks (David Koechner) erblickt inmitten des allgegenwärtigen Massakers ein kleines Mädchen neben dem leblosen Körper ihrer Mutter. Das Mädchen schaut ihn vorwurfsvoll an. Ihm ist das offenbar ein wenig unangenehm, er steigt mit so etwas wie in seinen Augen abgebildeter Berührungsangst über die Leiche der Mutter, wirft dem Mädchen eine Handvoll Geldscheine zu, und in den nächsten paar Einstellungen, in denen er sich mit einem fahrbaren Untersatz aus dem Staub machen will, wird halbwegs subtil (wenn in diesem Film überhaupt etwas »subtil« ist) angedeutet, dass er beim Zurücksetzen noch mal zweimal (einmal zurück, dann wieder vor) über das Mädchen drübergefahren ist. Was dem Publikum offenbar eine Humorreaktion abverlangen soll, aber wie so vieles an diesem Film nur komplette Fassungslosigkeit über soviel DD (»dreisten Dreck«) evoziert.

Diese drei Beispiele sind nur Beispiele, ich könnte Seiten füllen mit mehr filmgewordener Dummheit. Wenn ich hingegen Beispiele für gelungene Szenen bringen soll: Es gibt eine hübsche und aufwendige Kamerafahrt aus der Vogelperspektive, die stark mit 3D-Effekten arbeitet. Wer aufpasst, kann die Preispolitik des Wasserparks nachvollziehen. Und es gibt einen Moment, wo eine Figur einen Frosch rettet. Der Rest ist – wie gesagt – dreister Dreck!