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23. Januar 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Frankenweenie (Tim Burton)


Frankenweenie
(Tim Burton)

USA 2012, Animationsregie: Trey Thomas, Buch: John August, Drehbuch der Vorlage: Leonard Ripps, Kamera: Peter Sorg, Schnitt: Chris Lebenzon, Mark Solomon, Musik: Danny Elfman, Production Design: Rick Heinrichs, Supervising Art Director: Tim Browning, mit den Originalstimmen von Charlie Tahan (Victor Frankenstien), Catherine O'Hara (Mrs. Frankenstien / Weird Girl / Gym Teacher), Martin Short (Mr. Frankenstien / Mr. Burgemeister / Nassor), Martin Landau (Mr. Rzykruski), Winona Rider (Elsa van Helsing), James Hiroyuki Liao (Toshiaka), Robert Capron (Bob), Conchata Ferrell (Bob's Mom), Atticus Shaffer (Edgar »E« Gore), Dee Bradley Baker (Persephone / Mr. Whiskers / Shelley / Were-Rat / Colossus / Driver), Frank Welker (Sparky), 87 Min., Kinostart: 24. Januar 2013

Mit seinem dritten abendfüllenden Stop-Motion-Film nach Corpse Bride und The Nightmare before Christmas (nicht vergessen, Regie hatte hier Henry Selick!) wird Tim Burton langsam zu einer echten Koryphäe auf diesem Gebiet. Und diesmal baut er auch noch auf einem seiner frühen Kurzfilme aus der Zeit auf, als er sich noch ganz der Animation verschrieben hatte (manch einer würde behaupten, dass selbst noch seine ersten Spielfilme, Pe Wee's Big Adventure und Beetlejuice, im Grunde genommen verkappte Animationsfilme waren, ähnlich wie man es über Brad Birds Mission Impossible: Phantom Protocol oder einige Realfilme von Frank Tashlin sagen könnte).

Frankenweenie (Tim Burton)

Bildmaterial © 2012 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Um aus einem Halbstünder einen Spielfilm zu machen, muss man die Story natürlich etwas ausweiten, und Burton stützte sich hier stark auf die offensichtliche Inspiration von Frankenweenie, Frankenstein. Nicht unbedingt den Roman von Mary Shelley, sondern die klassische Verfilmung von James Whale. Und ansatzweise auch das Sequel Bride of Frankenstein, ebenfalls von Whale.

Frankenweenie (Tim Burton)

Bildmaterial © 2012 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Somit gibt es auch hier ein mit Spezialeffekten gefülltes Labor mit Dachluke für besseren Blitzschlag-Zugang (wenn man darüber nachdenkt, spielen Dachböden bei Burton oft eine Rolle, z.B. bei Edward Scissorhands oder Sweeney Todd), die unglücklichen Totschlagsvergehen der reanimierten Kreatur werden übergangen, aber am Schluss finden sich Schöpfer Victor und sein vermeintliches »Monster« in einer brennenden Windmühle wieder und der aufgebrachte Lynchmob lauert mit Mistgabeln und Fackeln davor.

Frankenweenie (Tim Burton)

Bildmaterial © 2012 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Der Teil dazwischen ist das Herzstück des Films, von dem man sich selbst überraschen lassen sollte, auch wenn in der Promotion zum Film hiervon bereits viel zu viel verraten wird. Ich sage an dieser Stelle nur, dass Burton und sein handverlesener Drehbuchautor John August (Go, Big Fish) sich offenbar von der gesamten Bandbreite der phantastischen Kultur des letzten Jahrhunderts (insbesondere von den 1930ern bis 70ern) haben inspirieren lassen, von internationalen Filmklassikern bis hin zu dem, was man in US-Comicheften sowohl auf der ersten als auch auf der letzten Seite findet.

Frankenweenie (Tim Burton)

Bildmaterial © 2012 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Was Burtons Spagat zwischen Nostalgie und State-of-the-Art-Technologie wohl am deutlichsten betont, ist seine bahnbrechende Idee, sich nach Alice in Wonderland zum zweiten mal zu einem 3D-Film unter dem Disney-Zeichen zu bekennen, diesmal aber ganz offensichtlich keine Auftragsarbeit abliefert, sondern sich einige vertraglich zugesicherte Freiheiten herausnimmt. Etwa die, den Film in Schwarzweiß ins Kino zu bringen (womit übrigens auch eine DVD-Version mit den alten Rot-Grün-Brillen möglich sein wird). Nicht nur funktionieren die alten Universal-Monster in Schwarzweiß einfach besser (man vergleiche auch die Intro von Van Helsing), selbst wenn man einige »Making-of«-Bilder in Farbe gesehen hat, will man die zu Herzen gehende Geschichte vom kleinen Victor F. und seinem Hund Sparky einfach nicht in Farbe sehen. Figuren wie Elsa, Persephone, Nassar, Mr. Rzykruski, Shelley oder Colossus leben in Schwarzweiß richtig auf, so wie man Nemo oder Sulley eben lieber in Farben sehen möchte. Und ganz ähnlich, wie ich es schon auf den Animationsfilm gemünzt habe, besteht ein Großteil der Filmographie Tim Burtons eigentlich aus Schwarzweiß-Filmen, die wie Beetlejuice oder Sweeney Todd vielleicht ein paar »Zusatzfarben« haben (weil rotes Blut einfach roter ist). Und natürlich war auch schon Ed Wood (in ähnlicher Weise der Filmgeschichte verpflichtet) ein Schwarzweiß-Film.

Frankenweenie (Tim Burton)

Bildmaterial © 2012 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Wie in jedem Stop-Motion-Film seit der Geburt von Wallace & Gromit geht es hier natürlich auch um die kleinen Details des Films. Man möchte sich auf dem Haustierfriedhof der kleinen Stadt New Holland (der etwa so groß wie zweieinhalb Fußballfelder zu sein scheint) eine halbe Stunde umsehen und jeden liebevoll gestalteten Grabstein unter die Lupe nehmen. Man delektiert sich an den clever gewählten Namen wie Sparky, Shelley, Persephone oder Elsa (Elsa Lanchester spielte damals Frankensteins Braut mit der auffälligen Frisur) oder sinniert über die chronologische Verortung dieser Filmwelt (im Kino soll demnächst Bambi - 1942 - laufen, im Fernsehen sieht man aber schon den Hammer-Dracula - ab 1958, eigentlich in Farbe - und man debattiert gleichermaßen auch um die Aberkennung des Planetenstatus von Pluto, die erst in den 1990ern Gesprächsthema wurde). Kurzum, Frankenweenie ist ein Film, in dem man sich verlieren möchte, den man mehrfach sehen möchte, und der ungeachtet der Kenntnis oder Nichtkenntnis seiner Vorlagen Groß und Klein verzücken wird.

Frankenweenie (Tim Burton)

Bildmaterial © 2012 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Tim Burton inspiziert die Puppen.