Escape Room
(Adam Robitel)
USA 2019, Buch: Bragi Schut, Maria Melnik, Kamera: Marc Spicer, Schnitt: Steven Mirkovich, Musik: Brian Tyler, John Carey, Production Design: Edward Thomas, mit Taylor Russell (Zoey Davis), Logan Miller (Ben Miller), Deborah Ann Woll (Amanda Harper), Jay Ellis (Jason Walker), Tyler Labine (Mike Nolan), Nik Dodani (Danny Khan), Cornelius Geaney Jr. (College Professor), Yorick van Wageningen (WooTan Yu), Adam Robitel (Gabe), Russell Crous (Charlie - Jason's Assistant), Bart Fouche (Gary - Ben's Boss), Jessica Sutton (Allison - Zoey's Roommate), 99 Min., Kinostart: 28. Februar 2018
Escape Rooms sind als verbesserter Nachfolger von Krimi-Dinners ein angesagter Freizeitrenner für Leute, die sich möglichst immersive Vergnügungen gerne auch etwas kosten lassen. Einen minimalistischen Vorläufer des Prinzips gab es mit Vincenzo Natalis Cube bereits 2000 auf der Kinoleinwand.
Im Film Escape Room von Adam Robitel (Insidious: The Last Key) übernimmt man diesen wiedererkennbaren Ansatz und bastelt daraus ein perfide mörderisches Überlebensspiel, in dem sechs scheinbar zufällig zusammengeführte Teilnehmer um eine Gewinnsumme von 100.000 Dollar kämpfen.
Um gleich klarzumachen, dass es hier nicht um die aufgeblasene Version diverse C-Promi-Spielchen geht (auch wenn man an einem Punkt mal mithilfe von Körperwärme einen Schlüssel aus einem Eisblock befreien muss), beginnt der Film (nach einem musikalischen Intro, das wie Schlüsselmechanismen klingt) mit einem spektakulären Escape Room, der wie einst die Müllquetsche in Star Wars mit unerbittlichen Zahnrädern eine viktorianische Bibliothek solange »dezimiert«, bis aus der teuren Holzvertäfelung nur noch Sperrholz wird.
© 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
Der hinkende Teilnehmer Ben (Logan Miller aus Love, Simon als Gemischtwaren-Slacker), der die Rätsellösung nicht auf Anhieb findet, wird gemeinsam mit zwei anderen dann drei Tage zuvor vorgestellt. Ziemlich offensichtlich als »final girl« präsentiert wird die hochintelligente junge Physikerin Zoey (Taylor Russell, Lost in Space), die scheu und verschlossen ist, aber dennoch der Sympathieträger. Börsenmakler Jason (Jay Ellis) ist ein dritter, gänzlich anderer Typ, aber in einer Parallelmontage werden die drei scheinbar gleich schnell mit einer Rätselbox fertig, die schließlich die Einladung zum exklusiven Escape-Spielchen offenbart.
Im Vorzimmer trifft man dann auf drei weitere Personen, von denen der Vollzeit-Nerd Danny (Nik Dodani), der sich schon durch etliche Escape Rooms knobelte, uneingeweihte Zuschauern das Prinzip erklärt, während Ex-Soldatin Amanda (Deborah Ann Woll, die »Karen Page« aus der »Daredevil«-Serie) die erste ist, die durchblicken lässt, dass die Räume ganz speziell auf die Insassen zugeschnitten sind. So ist Amanda von Brandnarben gezeichnet und das vermeintliche Vorzimmer wird zu einer kleinen Feuerhölle. Wenn man sechs Ratten zusammen in einen Backofen sperrt, der gerade vorgeheizt wird, könnte die erste Prüfung nicht traumatischer ausfallen.
© 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
Und das gut halbe Dutzend von Escape Rooms ist auch die größte Offenbarung des Films, der lange Zeit ohne konkrete Gegenspieler wie eine Variation der Final-Destination-Reihe abläuft: Man versucht die Spielregeln zu durchschauen und muss sich dann entscheiden, ob man sich auf sie einlassen will oder durch Regelverstöße womöglich noch früher aussortiert wird.
Sowohl bei den Gefahren, die sich offenbaren, als auch bei den Rätseln, die zu lösen sind, erfährt man nach und nach über die unterschiedlichen Traumata, die die Teilnehmer prägten. Das ist durchaus sehr unterhaltsam und abwechslungsreich, der absolute Bringer sind aber die Räume, die teilweise nicht einmal der langläufigen Definition eines Raums entsprechen. Die härteste Dschungelprüfung ist ein Dreck dagegen. Regisseur Adam Robitel: »The idea was that each room becomes its own new film.«
Keine böse Absicht, aber den sechsten Mitspieler Mike (Tyler Labine) habe ich noch gar nicht vorgestellt. Der Darsteller (Tucker & Dale vs. Evil, die nach einer Staffel abgesetzte Sitcom Mad Love) war für mich der Hauptgrund, mir den Film anzuschauen, hat aber als Gruppenältester mit Bart und Bauchansatz nicht die allerbesten Überlebenschancen.
© 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
Der wohl am liebevollsten ausgestattete Raum spiegelt das Trauma von Zoey: ein Billardzimmer mit Jukebox und Kneipeninterieur wurde hier auf den Kopf gestellt (ich dachte erst, die der Schwerkraft trotzenden Billardkugeln würden noch als Kletterparcours eingesetzt), und Petula Clarks Downtown wird für eine abgedrehte Art von »musical chairs« (dt.: Reise nach Jerusalem) eingesetzt, bei der es tatsächlich abwärts geht.
Das Prinzip der Escape Rooms wird im Film ziemlich gut umgesetzt. Man bekommt zwar nicht wirklich die Gelegenheit, mitzurätseln, aber die Drehbuchautoren haben ihre Sache gut gemacht, die Verflechtung der Räume mit den einzelnen Figuren ist interessant (auch, wenn man über das Trauma des ersten Opfers der Räume deutlich weniger erfährt), doch irgendwann geht es um den Kampf gegen die Personen hinter diesem Spiel (gleich im Vorzimmer steht ein Buch, das ganz nach dem David-Fincher-Film The Game gestaltet ist), und weil es auffällt, das man auf dezidierte Splattereffekte verzichtet, habe ich auch lange darüber nachgedacht, ob wie bei Fincher die Todesopfer nur »gespielt« sind.
© 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
An dieser Stelle bleibt der Film hinter den Erwartungen zurück, nicht zuletzt auch, weil der Oberbösewicht (im Spielkontext eine Art Dr. Fu Man Chu, hinter den Kulissen ein ganz anderer Migrant) eine ziemliche Enttäuschung ist (der Auftritt eines veritablen Gaststars hätte einen ganz anderen Eindruck mit sich gebracht) und der Film sich plötzlich und unerwartet ganz auf ein Sequel versteift, das sich seine Existenz erst durch einen nicht unbedingt zu erwartenden Kassenerfolg verdienen muss. Was mir fast so sauer aufgestoßen ist wie das Gebahren der Verleihfirma, die so gar nicht den Eindruck machte, als stünde sie hinter ihrem Produkt.
Wer nur ein wenig Faszination für das Prinzip von Escape Rooms hat, wird hier für deutlich weniger Eintrittsgeld auf seine Kosten kommen. Und bei manchen Zuschauern könnte es sogar laufen wie nach Psycho, als verstärkt Badewannen gekauft wurden (komplett erfundene Statistik).