Shazam!
(David F. Sandberg)
USA 2019, Buch: Henry Gayden, Shazam created by Bill Parker, C.C. Beck, Kamera: Maxime Alexandre, Schnitt: Michel Aller, Musik: Benjamin Wallfisch, Kostüe: Leah Butler, mit Zachary Levi (Shazam), Asher Angel (Billy Batson), Jack Dylan Grazer (Freddy Freeman), Mark Strong (Dr. Thaddeus Sivana), Djimon Hounsou (The Wizard Shazam), Marta Milans (Rosa Vasquez), Grace Fulton (Mary Bromfield), Caroline Palmer (Billy's Mom), Faithe Herman (Darla Dudley), Ian Chen (Eugene Choi), Jovan Armand (Pedro Peña), David Kohlsmith (Young Billy), 132 Min., Kinostart: 4. April 2019
Es gibt weniges, was mich mehr ermüdet als die Diskussionen bei meinen Ex-Kollegen auf Filmstarts.de darüber, welches Filmuniversum der großen US-Comic-Verlage gelungener sei. Von den MCU-Filmen habe ich bisher nur bei Iron Man 3 (wegen unangekündigter PV-Synchro) das Kino in den ersten zwei Minuten verlassen (und mir später die DVD besorgt), auf Avengers: Endgame werde ich ziemlich sicher verzichten, u.a. weil die Russo-Brüder mich als Regisseure nicht überzeugen. (vermutlich werde ich mir aber gut zwei Drittel der True-Believers-Comic-Reprints um Thanos & Gamora, Nebula und weitere zum Filmrelease passende Comicmomente kaufen, weil ich beim Captain-Marvel-Begleitmaterial für meinen Dollar-pro-Heft ganz gut bedient wurde).
Beim DCEU habe ich mich damals gegen Batman v. Superman gesperrt (Zack Snyder mag ich nicht), später auf DVD überprüft, dass ich den Film wirklich auch nicht mag, Justice League war auch Murks, aber im Kino gemieden habe ich nur Aquaman, weil mir der Trailer das deutliche Gefühl gab, dass mich nichts, aber auch wirklich nichts an diesem Film interessiert. Bei Shazam! war ich mir relativ sicher, dass der Film für sich stehen wird (das ist bei diesem Superhelden-Overkill für mich ein wichtiges Argument), und auch, wenn ich aus der Comicgeschichte des Helden nur den Vierteiler von Jeff Smith kenne (Creators sind mir wichtiger als Franchises) und auch mit dem Regisseur David F. Sandberg (Annabelle 2) nichts anfangen konnte, wollte ich dem Film eine Chance geben.
© 2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Die Shazam-Figur lebt vor allem vom Konflikt, dass durch ein Zauberwort aus einem Kind ein erwachsener Muskelmann mit Superkräften wird. Entsprechend spielt man mit den fish-out-of-water-Klischees, die man aus Komödien wie Big, 13 going on 30 oder Freaky Friday kennt (aus Big zitiert man sogar ganz konkret das überdimensionierte Fußboden-Klavier). Wobei das, was Warner im Presseheft als »familienorientierten Humor« beschreibt, sich u.a. auch in einer unglaublichen Flut aus Gags äußert, die im Grunde den Umgang von Kindern mit Erwachsenen (und umgekehrt) als Kommentar auf das Problem der Pädophilie umsetzen. Inwiefern man dies »familienorientiert« nennen kann, ist durchaus fraglich - aber mir gefällt es, wenn man so aus dem Familienkontext hin und wieder ausbricht. Und dass Sex auch im Alltag von Kindern eine Rolle spielt, spiegelt sich ja immer wieder, wenn in Werken mit deutlich definiertem Zielpublikum Figuren wie »One-Eyed Willie« oder »Eega Beeva« eine Rolle spielen.
Nachdem man in einem fürs Familienpublikum vielleicht etwas harten Prolog klarstellt, dass »only the purest of hearts« »worthy« sei, die Rolle eines Helden zu übernehmen, um die Welt vorm Einfluss der schlecht animierten personifizierten sieben Todsünden zu retten, ist Waisenjunge Billy Batson ungeachtet seines Wunsches, seine Mutter zu finden, ganz eindeutig nicht der mit dem »reinsten Herzen« und bestiehlt u.a. gleich zu Beginn Polizisten. Aber in manchen Situationen müssen auch heilige Gralshüter Kompromisse eingehen, und mit Ausnahme der Vermischung der zentralen Konfrontation mit dem von Mark Strong gespielten Oberschurken mit Billys Problemen mit seiner neuen Pflegefamilie ist die eigentliche Heldengeschichte (auch wegen des wenig überzeugenden Gegners) eigentlich eine ziemliche Pleite.
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Die »Gier« hat vier Arme, die »Lust« eine noppenübersehene Tentakelzunge, alles ziemlich generisch, dass »Lust« sich als Geisel ausgerechnet das kleinste Mädchen schnappt, muss man hier fast noch als durchdachten Höhepunkt der lieblosen Haupthandlung werten.
Aber im Grunde geht es auch im Film nicht um die Weltenrettung, sondern um die Gags im 80er-Jahre-Stil. Der »Held« des Films sieht aus wie Jimmy Fallon, in einem Kostüm, das bei einer schwulen Toga-Party nicht unangenehm auffallen würde. Zusammen mit seinem gleichaltrigen Ziehbruder werden die Annehmlichkeiten eines Erwachsenenkörpers mit Superkräften auf infantil-unbedarfte Art ausgetestet (»Shoot him again, shoot him in the face!«). Als wäre Bart Simpson plötzlich nicht nur Fallout Boy, sondern Radioactive Man, und gemeinsam mit Milhouse zieht er um die Häuser, man zieht sich Ersatzdrogen rein (hier Dr. Pepper's statt Slushy), ehe dann irgendwann die wohl notwendige Dramatik zusammen mit den CGI-Baddies den Film deutlich runterzieht.
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Dass (abgesehen vom überzeugenden Humor) ausgerechnet die kitschige Familienmoral das gelungenste Element des Films ist, kommt mir nicht leicht über die schamzerbissene Lippe. Die Goonies habe ich nie gesehen, aber diese Chris-Columbus-John-Hughes-Familienunterhaltung ist das beste Argument für den Film, der gleichzeitig aber auch einen Schuss James Gunn und liebloses Superhelden-Spektakel für eine leider wenig überzeugende Mischung einbringt. Weder den Hardcore-DC-Fanboys noch irgendwelchen Familien kann man diesen Film reinen Gewissens empfehlen, für jeden guten Ansatz gibt es auch kleine überflüssige Ärgernisse und hier und da Scherze, die dann doch eine Spur zu infantil ausfallen, um im Gegenzug düstere fleischgewordene Gargoyles wüten zu lassen - ohne dass man dabei diese Leichtigkeit vom alten Ghostbusters-Film spürt (oder von den Gremlins), wo man auch irgendwie gerne miterlebt, wie die »Bösen« zwischen Schabernack und Verwüstung changieren.
»56 recorded abductions« sind einfach nicht das Zeug, aus dem man eine Familienkomödie bastelt, und man spürt, dass man nicht den Mut hatte, sich von der Norm der Superhelden-Filme allzuweit zu entfernen. Um noch mal auf James Gunn zurückzukommen: Wie Guardians of the Galaxy (oder meinetwegen Ant-Man) auf Standgas. (Und nein, mir geht es nicht darum, DC und Marvel zu vergleichen!)
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Es hat sich mir auch nicht ganz erschlossen, warum man einen Familienfilm, der zu Weihnachten spielt, im April ins Kino bringt - irgendwas muss da ziemlich schiefgelaufen sein...
Das am durchdachtesten wirkende Detail des Drehbuchs sind die immer wieder auftauchenden Tiger (Kuscheltier, Toga-Detail!) und - dazu passend - ein paar Augen. Und weil der Film in Philadelphia spielt, kann man den auch noch den alten Rocky-Soundtrack räubern.
Ich fühlte mich gut unterhalten (für mich war der Film vielleicht die Ersatzdroge für den bei Marvel ausgebooteten James Gunn), aber im Nachhinein sollte man über diesen Film lieber nicht mehr nachdenken. Der tollste Moment (bin mir nur nicht sicher, ob er wirklich gewollt war oder ich mich einfach bei US-amerikanischen Vorlieben für Haustüren nicht gut genug auskenne) war eine Szene, in der hinter unzähligen Türen schlimme Horror-Visionen lauerten (auch ein bisschen wie bei den Ghostbusters). Leider hat man die typische Al-Bundy-Tür nicht geöffnet. Wenn da ein auf Monster geschminkter David Faustino rausgeschaut hätte, der natürlich immer noch bei den (Monster-)Eltern wohnt, wäre das für das verschenkte Potential das Films ein Siebenmeilenschritt gewesen.