S.C. Minerva 1893 e.V.
Einer der ältesten Berliner Fußballvereine ist der Sport Club Minerva 1893 e.V.
Er war der erste Fußballverein, der in Moabit gegründet wurde.
Ein Dutzend Pennäler der V. Realschule in der Stephanstraße jagten im Jahre 1893 nach der Schule auf dem Moabiter "Exer" am Bahnwall in der Quitzowstraße ballähnlichen Spielgeräten hinterher. Im April des selben Jahres gesellten sich neue Sportkameraden vom Verein Wilmersdorfer Frühling zu ihnen. Man beschloss schnell, einen Verein zu gründen.
Das war die Geburtsstunde des Sport Club Minerva 1893 in den Sandkuten der Quitzowstraße. Die römische Göttin Minerva wurde als Namensgeberin auserkoren. Die Beschützerin des Handwerks und Göttin der Weisheit sollte dem Club zum einen solides Fußballhandwerk, zum anderen den genialen Geistesblitz im sportlichen Wettkampf mit dem Gegner auf dem Fußballfeld garantieren.
Der erste Vorsitzende hieß Emil Röpke, die ersten Mitglieder u.a. Ernst Zelade, Wilhelm Jensch und die Brüder Max und Brutus Buchmann.
Zunächst waren die Spielfarben schwarz-rot, später stieg man auf blau-gelb um. Eine blaue Bluse mit gelbem Kragen und gelbem Schlips. Dazu eine blaue Mütze mit gelbem Stern.
"Die Fensterputzer kommen", riefen die Gegner, wenn Minerva in blau-gelber Kluft auflief.
Der erste Kapitän Max Buchmann trug als Kapitän zusätzlich eine blau-gelbe Schärpe mit Goldfransen, der 2. Kapitän eine mit Silberfransen. Max Buchmann trug seine Schärpe dreizehn Jahre.
Spieler anderer Vereine schlossen sich bald Minerva an, so hatte man bald eine starke Mannschaft zusammen. Ein Lederball und die Fußballtore waren des Clubs höchstes Gut, sie wurden sorgfältig verwahrt und gereinigt.
1896 wagte Minerva die erste Auslandsreise. Sie führte nach Prag und endete mit einer 0:9 Niederlage bei Slavia Prag.
Das erste Vereinslokal stand in der Lehrter Straße, nachdem der Wirt merkte, dass die Anwesenheit der Fußballer ihm die lohnende Einnahme von 6 bis 8 Mark erbrachten. Später tagte man dann u.a. in der Perleberger, gegenüber dem Artushof.
Bereits am 1.11. 1899 wurde von Max Faerse die Jugendabteilung gegründet. Einige der damals eingetretenen Jugendlichen, wie August Brunn und Otto Pacholke feierten später das seltene Jubiläum einer 50-jährigen Mitgliedschaft.
Ende des letzten Jahrhunderts bildeten sich sehr viele Fußballclubs, die manchmal sehr schnell wieder verschwanden. In Minerva gingen so bis zum Jahrhundertwechsel die Vereine Helvetia, Saxonia und Berolina Moabit auf.
Am 29. September 1900 wurde Minerva in den damaligen Verband Deutscher Ballspielvereine aufgenommen.
Mit der Aufnahme in den Verband wurde das Vorhandensein eines Rasenplatzes notwendig.
Als Platz? kam ein Objekt in der Jungfernheide in Betracht, dem jetzigen Volkspark. Nachdem die Erlaubnis vom Oberförster Schulze eingeholt war, begann der Platzbau unter Beteiligung aller damaligen Mitglieder. Jedoch gab es einen tödlichen Unfall eines Spielers beim Baumabwerfen und die Arbeiten fanden ein jähes Ende.
Nachdem behördlicherseits die Baugenehmigung entzogen wurde, suchte und fand man ein weiteres Objekt in der Helmholzstrasse. Wiederum wurde mit allen Kräften gearbeitet, aber
die Jungen der Strasse buddelten immer wieder "Sandinseln" auf dem Platze, so dass die Abnahmekommission den Platz nicht für den Spielbetrieb zuließ.
Wohl oder übel musste der Zug in den Norden Berlins angetreten werden. Minerva spielte nun auf dem Bernauer "Exer" im Wedding? Einige Spieler gingen nicht mit, so verlor der Verein von fünf Mannschaften zwei. Neue Spieler stellten sich nicht sofort ein, der Jugendfußball ruhte für vier Jahre.
Doch es gab auch positives zu vermelden, so gewann die 2. Männermannschaft 1902 in ihrer Spielklasse die Berliner Meisterschaft.
Auch die erste Mannschaft stieg 1904 in die erste Berliner Klasse auf und spielte fortan am Rathaus Reinickendorf bei "Kurmann". Viele der damaligen Mannschaften spielen heute noch eine Rolle im Fußball der Stadt, so kickte Minerva um 1904 gegen Preußen Berlin, Union 06, Viktoria 89, Hertha BSC und Hertha 92.
Die erste Spielserie im Berliner Oberhaus beendete Minerva auf Platz 6.
In der nächsten Spielzeit siedelte Minerva auf den "Schebera-Platz" Gesundbrunnen um.
Aus einem Spielbericht vom 22.10.1905: " Die Minerva-Verteidigung mit Buchmann und Hensel ist geradezu hervorragend. Sonst noch gut waren Schwenke und Thiel. Die übrigen müssen noch viel lernen, sie spielen sämtlich zu wild."
Die nächsten Jahre stieg Minerva mal ab, dann wieder auf, zwischenzeitlich gab es kurzzeitig eine Hockeyabteilung.
Nach diversen Umzügen fand Minerva 1910 einen festen Sportplatz, der alte Minerva-Platz an der Königsstätte wurde gepachtet. Die nächsten 20 Jahre spielte Minerva dort. Dazu eine Erinnerung von Gerhard Zeidler:
"Mit elf Jahren führte mich mein Onkel zum damaligen Minervaplatz nach Plötzensee. Wir gingen vorbei an der Rütt-Arena, in der die Steher-Radrennen hinter dröhnenden Motoren gefahren wurden, vorbei an den vielen Lauben, den Königsdamm hinunter, der heute Heckerdamm heißt."
Im 1. Weltkrieg verlor Minerva 39 aktive Mitglieder von 112 zur Front gerufenen …
In der Folge spielte Minerva bis 1924 in Berlins höchster Klasse.
Die Inflationszeit ging auch an Minerva nicht spurlos vorbei. So lesen wir in einer Kassenabrechnung vom 01.07.1923:
"Der monatliche Mitgliedsbeitrag betrug 2000 Papiermark. Es gingen Sechsmillionen und Vierzigtausend Papiermark an Beiträgen ein, weiter Zwölf Millionen an Spenden …"
1926 stieg der Club wieder in die höchste Klasse auf und erreichte in der Saison 1931/32 seine in der langen Clubgeschichte beste Platzierung.
In der Oberligaabteilung A sicherte sich Minerva den Meistertitel und wurde in der Endabrechnung der Brandenburger Meisterschaft Zweiter. So qualifizierte sich Minerva für die Spiele um die Deutsche Meisterschaft, bekam aber leider gleich in der ersten Runde den späteren Meister Bayern München zugelost. Nach großem Spiel mit zwischenzeitlicher Minervaführung gewannen die Bayern vor 18.000 Zuschauern mit 4:2.
Im gleichen Jahr trug Minerva gegen Austria Wien ein Freundschaftsspiel vor gar 20.000 Zuschauern aus. Minerva war damals auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit, die Zeitungen jubelten, so lautete die Schlagzeile der BZ am Mittag "Minervas Meisterspiel!"
In der Spielzeit 1933/34 siedelte Minerva ins Poststadion über, welches ihr seitdem Heimstatt ist. Der Jugendfußball bei Minerva boomte, es gab im Jugendfußball über die Jahre immer wieder Meisterehren.
Der 2. Weltkrieg brachte unermessliches Leid über Berlin. Anfangs wurde weiter Fußball gespielt, bis in der Saison 1944/45 der Spielbetrieb eingestellt wurde.
Nach dem Waffenstillstand wurde 45/46 der kommunale Sport wieder ins Leben gerufen. Die Reste der Moabiter Vereine schlossen sich in der Sportgruppe Tiergarten zusammen, erst am 1. April 1949 wurde Minerva als Verein wieder zugelassen.
Große Sorgen bereitet neben dem Hunger, der in Berlin herrschte, die Beschaffung der Sportkleidung, so dass zunächst nicht alle Mannschaften gemeldet werden konnten. In diesem Zusammenhang stellte sich die Einführung des "Fußball-Toto" als große Hilfe heraus, da Zuschüsse aus Totomitteln nun zur Beschaffung von Kleidung und Material nutzbringend angelegt werden konnten.
1950/51 wurde der Vertragsspielerstatus eingeführt, ein Vorläufer des heutigen Profitums.
Alle Ostberliner Vereine bildeten nun eine eigene Liga, es kam zur Massenflucht von Spielern aus dem Ostteil der Stadt.
Minerva meldete die Mannschaft in der Vertragsliga und sicherte den Verbleib in der Liga durch defensive "Riegeltaktik".
Bis zur Saison 1957/58 verblieb Minerva in der höchsten Klasse, stieg nach dieser Saison ab und sollte nun nie wieder in Berlins höchste Klasse gelangen.
Die Junioren und andere Jugendmannschaften blieben bis in die 80er Jahre erfolgreich, 1987 erhielt Minerva für seine erfolgreiche Jugendarbeit den Sepp-Herberger-Preis, die höchste Auszeichnung des DFB. Heute spielen noch einige Jugendmannschaften unter der Obhut der Minerva, allerdings nicht mehr auf dem früheren Niveau und der Masse an Mannschaften.
Die Männermannschaft gelang nie wieder der große Wurf, gegenwärtig spielt sie in der Kreisliga. Das Vereinsleben schlief nach und nach mehr ein, Sponsoren ließen auf sich warten, ohne Geld ist man in der großen Fußballwelt ein kleines Licht.
So wie der Sport Club Minerva mit seiner Gründung im Jahre 1893 zu den Pionieren des Fußballsports zu zählen ist, kann er auch als Keimzelle des Damenfußballs in Berlin bezeichnet werden. Anfang der siebziger Jahre machte sich das vermeintlich schwache Geschlecht auf, in die Domäne des Männersports einzudringen.
Die erste Damenmannschaft Minervas begann 1972 mit dem Spielbetrieb. Einige der Frauen schafften den Sprung in die Berliner Auswahl, im Jahr 1987/88 spielten die Frauen in der Berliner Verbandsliga, der höchsten Berliner Klasse. Leider tritt die Damenmannschaft seit zwei Jahren nicht mehr an, eine neue Mannschaft soll aufgebaut werden.
Broschüre "100 Jahre Minerva Berlin" zu bestellen bei:
Herr Gottemeier: 0171-8385901