Neue Kopien
Zeitschriften und Fanzines
GIFT & GALLE heißt ein neues Projekt von einem Berliner und einem Neubrandenburger. Das mäßig toll kopierte und ungeklammerte Werk aus Schnipseln, Bildern und Texten weiß hier aber gleich mit seiner Einstiegsausgabe zu gefallen. Es ist wirklich wild: Da wird beispielsweise darüber sinniert, dass es einem trotz gutem Willen wieder nicht gelungen sei, die Weltherrschaft zu übernehmen und den lieben Gott erpressbar zu machen. Doch es gibt auch ernsthafte Texte, Tagebücher oder einfach nur Gedanken, ja sogar lyrisches: T. kifft viel und hat nie ´nen Kater / Er liebt Cructcore und macht oft Theater / Er will Anarchie / Und erreicht er die nie, / übernimmt er die Firma vom Vater. Da bleibt nur zu hoffen, dass es so nicht den Machern dieses Heftes ergeht!
HERZGALOPP, die elfte Ausgabe voller Poesie und Lebenskunst aus Hamburg liegt vor. Raimund Samson berichtet wieder, wie er sich mit allen möglichen Leuten anlegt und was er vom konsum- und spaßorientierten Kulturbetrieb hält. Gewidmet ist dieses Heft den KünstlerInnen der L ´art brut, den Außenseitern des Kunstbetriebes. Ansonsten: Eine Menge Lyrik, die ich für mein Heft nicht ausgesucht hätte und wie immer gute und durchdachte Rezensionen.
DAS DOSIERTE LEBEN ist endlich volljährig, dass heißt 18 Nummern alt. Kein Grund zum Weinen, wie es das Meta-Thema suggeriert. Mittlerweile habe ich meine Lieblingsrubriken gefunden, z. B. die Portraits von DadaistInnen, diesmal wird Hannah Höch inklusive Sammelbild vorgestellt. Ein Nachbericht zur Teilnahme von Heft-Galionsfigur Prinzessin Haya von Jordanien an den olympischen Spielen (sie war sogar Fahnenträgerin!) darf natürlich auch nicht fehlen. Auffallend die Umsetzung des Meta-Themas durch die Autoren: Die meisten schieben über das Getränk Wein, und nicht über das Weinen (Heulen, Flennen usw.)! Versoffenes AutorInnenVolk!
Die ZYPRESSE ist ein neues Kulturmagazin aus Neubrandenburg. Kultur aus oder in Neubrandenburg? Jawohl, und dazu ist die ZYPRESSE noch ein verdammt engagiertes Heft, dass nicht nur KünstlerInnen oder ihre Werke vorstellt, sondern sich auch noch politisch betätigt und einmischt. Das Thema der #2 ist Freie Räume und die Artikel reichen dabei von Künstlerkollektiven, Freiräume in der Psychiatrie, dem Internet bis hin zum guten alten Trampen. Das Magazin beschränkt sich nicht auf eine bestimmte künstlerische Ausdrucksform, sondern stellt Theater, Malerei, Musik, Literatur oder einfach nur Lebenskunst gleichberechtigt dar. An dieser Stelle erwähnenswert finde ich den kritischen Artikel über das Internet als mittlerweile fast reines Konsumnetz (60% aller Seitenzugriffe sind pornografischer Natur!) - es wird wirklich Zeit, sich hier wieder Freiräume bzw. frei von Konsumzwängen zu schaffen. Ich wünsche der ZYPRESSE weiterhin interessante Themen.
Entgegen dem Trend, dass Fanzines immer bunter werden, arbeitet bekanntlich ja schon seit Jahren das TRUST. Doch die #84 ist für mich der Höhepunkt an Farblosigkeit. Leider nicht nur äußerlich (was ja prinzipiell völlig egal wäre), sondern auch inhaltlich. Leider war kein einziger Artikel dabei, der mich interessiert hätte. Dafür kann es einige Gründe geben: 1. Die Redaktion will mich bewusst ärgern, 2. Ich höre zu wenig neuere Musik und klammere mich zu sehr an meine alten Scheiben oder 3. Das Heft ist tatsächlich so langweilig. Hey, das könnt Ihr doch besser!
Ganz neu dabei in dieser Runde ist die SCHRIFTSTELLEREIZEITUNG. In ihrer Nr. 1 geht es fast ausschließlich um Sekundärliteratur. Mit Jaromir Konecny wird ein Autor vorgestellt, der sich vehement gegen die Aussage wehrt, autobiografisch angehaucht zu schreiben reiche nicht aus; nun - seine Bücher beweisen eher das Gegenteil. Peter Engsters Verlag wird vorgestellt, doch hat er selber anscheinend keine große Lust auf ein Interview - er lässt lieber die Texte seiner“ AutorInnen sprechen. Jürgen Landt wird als Autor vorgestellt und entpuppt sich in meinen Augen eher als literarischer Vollproll. Zum Abschluss wird noch der Veranstalter von Lesungen und Slams Alexander Pfeiffer und meine Wenigkeit vorgestellt. Grundsolider Erstling, der insbesondere für AutorInnen interessant sein dürfte.
Weiterhin bunt und groß(artig) präsentiert sich die EJACULATA. In der Nr. 4 startet eine neue Reihe mit obskuren Kriminalgeschichten vom 1961 verstorbenen und völlig unbekannten H. Makarios Oley. Im ersten Fall der zu lösen ist, muss Kriminalist Igor Pavlowitsch einen Katzenrasierer zu Fall bringen, was ihn durch seine konsequenten Methoden (100%ige Aufklärungsquote) auch gelingt. Ein paar Seiten weniger versucht Mitherausgeber Sökefeld (übrigens ein großartiger Live-Performer) das vergangene fußballerische Sommerlich mit einem bekloppten Angelspiel für die Playstation zu stopfen. Derzeit stärkstes Heft im Literaturdschungel!
Weiterhin durchwachsen gefällt mir der monatlich erscheine MASKENBALL. Innerlichkeitsgedichte und schöngeistige lyrische Phrasen waren eben noch nie mein Fall. Ich nutze das Heft weiterhin wegen dem umfangreichen Infoteil, ja ich schreibe sogar einiges für die SUBH-LeserInnen ab. Spendet der Redaktion bitte einen Tintenstrahldrucker, der keine Streifen mehr zieht - macht sich auf Druckvorlagen nicht so gut!
Schlicht SOL heißt das Magazin der Perry Rhodan Fanzentrale und ich habe es eher durch Zufall erhalten. Nun habe ich mir Perry Rhodan überhaupt nichts am Hut, aber wer will schon immer Literaturmagazine lesen und darüber berichten? In der Nr. 19 der SOL dreht sich vieles um den Miterfinder von Sternenfahrer P. R. Walter Ernstling. Da wird gratuliert, dokumentiert und applaudiert was das Zeug hält. Amüsant sind solche Dinge, wie technische Baupläne - z. B. einem Antigrav-Lastengleiter. Übertroffen - weil wesentlich beliebter und damit gibt es auch wesentlich mehr Veröffentlichungen in Printform - wird diese Ernsthaftigkeit wohl nur vom Star Trek Fandom. Sehr amüsant auch die Beilage PHANTASTISCH! #3, dort wird u. a. über Alkohol in der Science Fiction berichtet. Nein, es geht nicht darum, wie viel Stoff die Autoren der SF Werke brauchen um solchen Blödsinn (ich meine das durchaus positiv!) zu verzapfen, sondern um galaktische Getränke wie Vurguzz oder Syntheol. Am meisten gesoffen wurde laut Text übrigens auf der ORION!
Ultrafett und mit CD-Beilage liegt OX #40 auf dem Schreibtisch. Gestürzt habe ich mich sofort auf das zu kurze Leatherface Interview - und tatsächlich Basser Davey hat einige lustige Geschichten zu erzählen. Des weiteren kam mir ein Comic von Peter Puck, ein Boxhamsters Interview und viele Reviews vor die Augen. Für den Rest, den mal wieder nicht lesen konnte, wollte mir mein Arbeit(!)geber(!) jedoch keinen Sonderurlaub geben. Schade eigentlich.
Karlsruhe liegt irgendwo südlicher von Braunschweig und hat eine Postleitzahl, die mit einer 7 beginnt, soviel war klar, bevor ich mir das WANDLER Sonderheft Karlsruhe zu Gemüte führte. Mehr Informationen über Literatur in Karlsruhe erhielt ich schließlich von Peter Kohl (hoffentlich ists nicht der Altkanzlersohn …), der die jüngere literarische Geschichte der Stadt beleuchtet. Da fallen viele Namen, doch die wenigsten sagen oder interessieren mich wirklich. Also weiter zu den eigentlichen Texten der KarlsruherInnen - interessante Sachen dabei, auch überdurchschnittliches. Für Leute, die auch eine 7er Postleitzahl besitzen, sicher interessanter.
Schlechte Nachrichten: #34 und #35 sind definitiv die letzten beiden Ausgaben der ACHIMER HAUSFREUNDS in der bisher bekannten Form. Was die MacherInnen nun machen wollen, verraten sie leider noch nicht. Nr. 34 glänzt durch einen Artikel von Thomas Stemmer über den Social Beat, seine Vorzüge und Erfolge. Mir ist das stellenweise alles zu blumig, aber Stemmer lehnt Kritik offenbar ab. Weitere Höhepunkte der beiden Hefte sind die Kochecken von Meister Propper. Über Texte kann man sich immer streiten, doch in diesen Kurzrezensionen hier ist stets zu wenig Platz. WEITERMACHEN rufe ich nach Achim!
Etwa zweimonatlich erscheint der SABBERHEINZ, ein Mini-Egozine-Newsflyer (8 A5 Seiten) aus dem Hause Frick. Geboten werden Gedanken, Lästereien, News und Rezensionen meist aus der Science Fiction Szene. Berichtet wird von News aus der Star Trek Szene, von Perry Rhodan-nahen Werken und Menschen, oder von ganz obskuren Tätigkeiten innerhalb der SF-Gemeinde. Lustig und bildend zugleich wie immer, einen Einblick in diese mir sonst verschlossene Welt zu erhalten. Was SABBERHEINZ für die SF-Szeneisten ist, ist SUPERKLAUS für den Punkrocker mit Stil. Auf ebenfalls acht Seiten (#2) gibts News im coolen Schreibstil von Bands, Menschen und Zines.
DAS HEFT DAS SEINEN LANGEN NAMEN ÄNDERN WOLLTE hat genau dies auch mit Erscheinen seiner sechsten Ausgabe nicht geschafft. In dieser Ausgabe geht es um das gute alte Amüsement, und lustig gehts schon im Editorial los. In den Texten und Zeichnungen wird einem bzw. den Protagonisten der Spaß jedoch oft vermiest - und sei es nur wegen dummer Rückenbeschwerden. Andere Paare amüsieren sich, wenn sie im Bett rumliegen und sich gegenseitig die Mitesser ausdrücken. Wie immer ein tolles Heft mit einer sehr geschickten Textauswahl.
Magazin für Subkultur ist die sechste Ausgabe von SCOPE untertitelt. Was wir diesmal aber auch wieder alles vorstellen: Nach Science Fiction Zines nun eins für elektronische Musik. Da gibt es Berichte über Partys auf denen ich nicht war und über Musik, die ich kaum höre. Einige interessante Menschen werden interviewt. Gar nicht mal so uninteressant, zumal das ganze in einem fast perfekten Layout eingebettet ist. Einziger Nachteil: Die Schrift ist zu klein und hebt sich oft schlecht vom Hintergrund ab. Etwas merkwürdig das Inti mit einem Belgrader DJ. Der Interviewer stellt komische Fragen und der Interviewte hat keinen Bock über Politik zu reden: Bist Du ein Spion oder was? Und manche Plattenrezensionen klingen wie ach so hippe Werbespots! Hey, dafür gibts aber wieder einen guten Literaturteil!
Recht kopflastig kommt das Editorial des neuen Berliner Magazins STARFUCK daher. Doch keine Angst, lesbar sind die Artikel zum Ende des Klassenkampfes, dem Schwarzbuch Kapitalismus oder über David Lynch durchaus. Lynchs Lost Highway wird hier zum x-ten Mal soziologisch und politisch auseinandergenommen. Diesen Film zu enträtseln bleibt jedoch unmöglich, er bietet aber verdammt viel Spielraum für interessante Interpretationen. Jedoch passiert hier kein hohles Geschwafel, sondern eine fundierte Analyse, in der Lynch selber oft zu Wort kommt. STARFUCK kann ich wärmstens weiterempfehlen, besonders an Leute die die üblichen unkritischen (Literatur)Magazine langsam satt haben. Von überdurchschnittlicher Qualität ist übrigens auch der Musikrezensionsteil.
ich hab der Sprache einen Schacht gebaut / darin sie überwintern kann
großartige Zeilen - Lyrik die sich ins Hirn brennt und so gut zu dem Magazin passt, in der sie zu finden ist: MINOTAURUS #3. Untertitel: Der lange Weg zur Schönheit oder animalische Triebe aus der Verzweiflung. Ähh, worum gehts? Schaut man sich zunächst einiges vom Layoutmaterial und der Texte an, so wird es klarer: Sehsucht, Liebe, Verlangen, Sex. Dazu gibt es im vorderen Teil des MINOTAURUS fast ausschließlich lyrische Beiträge - eine Form die ich durchaus angemessen für diesen Themenkomplex halte. Im hinteren Teil des ca. 150 Seiten umfassenden Heftes bzw. Buches (welches wie alle Produkte aus dem Hause Scholz extrem eigenwillig, aufwendig und schön aufgemacht ist) kommen dann die Prosaisten zu Wort. Und Thomas Nöske schafft es, einen Essay mit dem Titel Lady Chatterly und die Utopie darzubieten! Mainstream - Underground, bei diesem Heft verschwimmt alles.
Die Diskussion um die Vor- und Nachteile von E-Zines ist nur teilweise interessant, vieles was hier gesagt wird, wirkt so trivial. Aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil ich mich sehr eingehend mit Printzines und E-Zines auseinandersetze. Ungewöhnlich: Statt viele Rezensionen abzudrucken, dürfen Kleinverleger sich selber portraitieren, was gar nicht so leicht scheint - will man doch keinen aufdringlichen Werbetext produzieren.
Wer dieses Magazin nicht haben möchte, dem ist nicht mehr zu helfen!
ich hab der Sprache einen Schacht gebaut / darin sie überwintern kann
Bereits Heft Nr. 3 und Nr. 4 der Zeitschrift ZIRKULAR AM ZEITSTRAND liegen vor. Die Zeitschrift wurde vor einem Jahr von HEL aus Berlin (der vorher das ZIRKULAR herausgegeben hat) und Hans J. Eisel aus (vorher: AM ZEITSTRAND) begründet. Steckenpferd der beiden ist die Lyrik, genauer gesagt die Lyrik über Tiere - noch genauer Katzen (Aber auch Elefanten, Affen, Bären usw.). So gibt es in Nr. 3 Übersetzungen und frische Texte von Kenneth Rexroth, Alex Nitsche oder Karl Seeman. Wer jedoch nur auf Natur/Tiergedichte aus dem örtlichen Wochenheimatblatt des Reichsbundes (ja, ich weiß die heißen jetzt anders) steht, sollte hier die Finger von lassen - dies hier ist eine andere Liga. Teils witzig, teils tiefgründig. Um die Philosophen und das Zeitalter der Aufklärung geht es dagegen in der Nr. 4. Interessiert doch heute keinen mehr? Stimmt nicht, die meisten Dinge die diese Philosophen gedacht“ haben, sind auch heute noch - ganz besonders im Kapitalismus - aktuell und beherrschen das herrschende Herscherdenken.
Leider nur sehr selten erscheint das hochformatige und lecker gestaltete Musikzine ORANGE´ AGENTEN aus Berlin. Nun zumindest erscheit es nicht so oft wie die Plastic Bomb oder OX. Dafür gehen die Artikel und Interviews mehr in die Tiefe, was den Lesegenuss extrem erhöht. Lustig gleich zu Anfang ein historischer Abriss zum Schnarchbezirk (habe dort vor ca. 15 Jahren mal Sylvester gefeiert) Reinickendorf. Gute Interviews mit Surrogat, Asian dub foundation oder EA80 folgen. Des weiteren wird über Medienstrategien und andere Dinge berichtet, die man in einem Punkrockzine weniger erwartet hätte. Überraschung.
Pünktlich jeden Herbst gibt es eine neue Ausgabe des Literaturalmanachs PHOBI. Die Qualität einer jährlich erscheinenden ZS ist sehr hoch. Beim Lesen fiel mir kein wirklicher Ausfall auf. Angefangen von einer Spielerei mit statistischen Daten von Christian Hussel in einer eigenartigen Rechtschreibreformierung (hauptberufliche Mitarbeiter Ferfassungsschuzz: 4000 oder Bundesautobaanen: 11 246 Km) bis hin zum letzten Text, der aufzeigt mit welchen stilistischen Mitteln Literatur Zeitverschwendung sei und mit welchen nicht. Bis zum nächsten Herbst habt ihr dies Heft bestellt, basta!
Vielleicht noch seltener als jährlich erscheint das Kunst- und Literaturzine INSIDE ARTZINE vom Grafiker Jenz. Ich kann mir schon gut vorstellen, warum die Produktion einer Ausgabe so viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Comics, Onepager und Illustrationen zu den Texten sind extrem aufwendig gezeichnet. Wie immer ein Augenschmaus. Herr Giger dürfte bei einigen Sachen Pate gewesen sein, also für jedermann oder jederfrau sollte das Heft nichts sein. Ich finde es aber nicht zu blutrünstig. Ein Tipp nicht nur für die, die nicht so gerne nur lesen sondern auch glotzen wollen.