MY WAY, das Magazin für kulturellen Eigensinn beschäftigt sich in der Nummer 53 im 17. Jahrgang mit Kultur aller Richtungen, Strömungen und Formen. So wird beispielsweise das
Internationale Baum Archiv in Winterthur und seine Arbeit - die Sammlung und Erforschung von Formen der Kulturgeschichte des Baums - vorgestellt. Ein paar Seiten weiter wird der Langweilerband
Fleetwood Mac gehuldigt. Interessanter ist da schon das Gespräch zwischen dem
MY WAY Herausgeber Ulrich Gernand und Jochen König, dem Herausgeber des Magazins
DAS DOSIERTE LEBEN. Die 27. Ausgabe dieses Heftes hat sich übrigens als Meta-Thema die Leere ausgesucht. Deswegen sind auch alle 48 Seiten schneeweiß geblieben. Das spart zwar Druckkosten, aber der Lesespaß ist sehr eingeschränkt. Zumal der Witz auch nicht unbedingt neu ist … Auf der anderen Seite kann man die leeren Blätter mit seinen eigenen (literarischen!) Ergüssen füllen.
Wie heißt das Kampfblatt der autonomen Meerschweinchen? Natürlich ist es das MY CHOICE von Jerk Götterwind. Die Nr. 9 glänzt durch ehrliche Statements zur Verfolgung von sog. Kampfhunden, über Parteipolitik und Wahlkampfgedöns. Zwischendurch wir Kassel gerockt, an der Galle des Herausgebers herumoperiert und Dan Fante interviewt. Der Sohn des großen John Fante soll demnächst sein Buch Spitting of tall buildings im ambitionierten Braunschweiger Verlag German Publishing AG veröffentlichen.
Wer sich für die Literatur nicht-etablierter Literaten interessiert, wird am KULT momentan nicht vorbeikommen. Unerlässlich sind nicht nur die Infos und Rezensionen, die sich durch die ganzen 60 A4 Seiten schlängeln. Zwar ist KULT kein Ersatz für das IMPRESSUM, aber darauf können wir eh nicht mehr hoffen. Es bleibt ja noch das Internet als Fundgrube für Infos für Lese- und Veröffentlichungswillige. Die Texte im KULT sind sehr gut bis zahm, manchmal allerdings auf doof. Aber so ist das eben mit dem Geschmack …
Immerhin die komplette erste Hälfte der zehnten Ausgabe vom ZIRKULAR AM ZEITSTRAND wird mit einem mehr oder minder interessanten langen Essay über Michel Houllebecqs Roman Elementarteilchen ausgefüllt. Mehr oder minder interessant deswegen, weil ich das Originalwerk nicht kenne, dafür den Essay aber stilistisch gut fand (zumindest das, was ich angelesen hatte). Die zweite Hälfte des Heftes glänzt durch gute Lyrik, Prosa und wenige Rezensionen.
Mit der neunten Ausgabe verabschiedet sich DAS HEFT DAS SEINEN LANGEN NAMEN ÄNDERN WOLLTE aus der bunten Fanzinewelt. Zwar werden uns die Herausgeber durch ihre Slam-Aktivitäten, Buch- und CD-Projekte weiterhin erhalten bleiben, aber einige Tränen tropfen hier doch gerade auf die Tastatur. Das Abschiedsheft ist gar kein richtiges Heft, sondern eine Loseblattsammlung mit skurrilen Briefen an Friedhofsämter, Marcel Reich-Ranicki oder die Palästinensische Befreiungsorganisation. Einige der angeschriebenen besweisen sogar Humor - z. B. das Basler Theater. Für all diejenigen zu empfehlen, deren eigener Schriftverkehr eher langweilig ausfällt …
Die erste Ausgabe der Lyrik-Zeitschrift DULZINEA liegt vor. Ein gewagter Schritt, der meine volle Hochachtung hat: Eine Hochglanzzeitschrift in 800er Auflage, die nur Lyrik druckt. Seien es Galgenlieder, Haiku oder zarte Liebeslyrik. Ach, ich bin immer noch kein großer Lyrikliebhaber, aber einige Sachen (gerade die Galgenlieder) haben mir doch gefallen. Vielleicht gibt es beim nächsten Mal auch etwas Sekundärliteratur zu lesen?
SABBEL ist ein Punkrockzine, welches sich mit der internationalen Szene beschäftigt. Die Gebrauchsanweisung ist denkbar einfach: Zum Heft gibt es einen feinen Tapesampler mit sehr guten bis mittelmäßigen Bands aus aller Damen und Herren Länder. Dieses Tape läuft dann an einem Lesenachmittag einige Male durch, denn der Lesestoff im SABBEL 12 ist fast unendlich. Das fängt mit den Nazis from Mars aus den Niederlanden an, geht über Berichte über die isländische und thailändische Szene und endet bei einem Interview mit der argentinischen Band Cucsifae. Zum Glück beschränkt sich das Heft nicht mit dem bloßen Abdruck von Bandinterviews, sondern beschäftigt sich auch mit anderen Themen, wie z. B. dem internationalen Widerstand gegen "die" Globalisierung.
Eines der diessommerlichen Magazinhighlights ist sicherlich die Nr. 9 der ZYPRESSE. Das Heft habe ich an dieser Stelle ja schon öfters gelobt; hier aber noch mal an die NeuleserInnen der SUBH - es handelt sich bei der ZYPRESSE um ein Kulturmagazin aus Neubrandenburg, welches aber Themen beackert, die auch in anderen Teilen der Erde interessant sein dürften. So sprach die Redaktion mit den BROTHERS KEEPERS über deren Musik und Kampf gegen Dummheit und Rassismus. In einem Schwerpunkthema beschäftigen sich einige Artikel mit dem Phänomen Herden Tier Mensch. Darin wird versucht zu ergründen, warum viele Menschen keine eigenen Entscheidungen treffen, sondern mit der Strömung schwimmen. Abgerundet wird das Heft wie immer durch den feinen Kulturteil - Film, Theater, Literatur, Musik.
Das anfängliche Erstaunen, dass es nach einigen Jahren Pause wieder eine gedruckte Ausgabe des TRYSTERO Magazins gibt, wich schnell der wachsenden Begeisterung über die Inhalte und Artikel im Heft. Schon in der ersten Folge des Heftes von 1995 bis 1998 glänzte TRYSTERO durch einen genialen Sekundärliteraturteil. Damit unterschied es sich beträchtlich von den vielen Social Beat Veröffentlichungen dieser Tage, die doch meist nur Primärtexte oder das 6539. Portrait über Bukowski brachten. Danach gab es TRYSTERO kurzzeitig nur in einer Onlinevariante, aber die konnte die gedruckte Version nicht ersetzen. In der ersten Ausgabe der neuen Folge dreht sich alles um Dissidenz und darum der sog. Popliteratur wieder Inhalte zu geben. Da werden "Die Pop Five" (Kracht, Nickel, Stuckrad-Barre usw.) nach Afghanistan geschickt und das wichtigste Buch über die Popliteratur Von Acid nach Adlon und zurück sehr ausführlich rezensiert bzw. kritisiert. Oder an die Lettristische Internationale / Situationistische Internationale des Guy Debord erinnert. Geniales Heft.
LITERATUR MACHEN druckt in schöner Umgebung (dank 5000er Auflage und Geldern der Robert-Bosch-Stiftung) Texte von jungen TeilnehmerInnen verschiedener Schreibwerkstätten des Stuttgarter Literaturhauses. Die Ergebnisse wirken sehr aufgeräumt und erwachsen. Wer an dieser Stelle schwülstige Pubertätslyrik erwartete hätte, wird enttäuscht. Allerdings vermisse ich auch wütende Texte einer jungen Generation. Tja, die Gleichung JUGEND = REVOLTE stimmt wohl schon lang nicht mehr. Sehr gut hat mir der Text Tomas von Richard Felix Duraj gefallen, der seinen toten Ich-Erzähler vom Schlachtfeld aus erzählen lässt oder auch der Hip Hop Teil des Heftes. Ergänzt wird die Ausgabe durch Beiträge von Gastdozenten der Schreibwerkstätten und einem Artikel über Slams.
LIBUS 13 stellt in seinem Editorial klar, dass die MacherInnen nichts von einer Trennung in Under- und Overground halten, sondern vielmehr interessante und auch oft subversive Kulturschaffende und Projekte vorstellen wollen. Dabei wird das Heft selber zum kulturellen Ereignis. Theater, TV, Film, Fotographie und Literatur (der Textanteil im LIBUS scheint zu wachsen) vom Allerfeinsten!
Das FURIOUS CLARITY Zine hat in seiner sechsten Ausgabe kein einziges Interview abgedruckt. Das ist ungewöhnlich und auch sehr lobenswert für ein Hardcore-Zine, da ich die meisten Interviews bekanntermaßen langweilig finde. Doch die Kolumnen und Artikel sind auch nicht viel besser als manch misslungenes Plauderstündchen mit Musikern. Die Jungs wollen so hart und cool sein, wie Moses vom ZAP. Doch das gelingt nicht immer - zynisch und intolerant sein allein reicht halt nicht aus, sorry. Wohl nur was für echte Männer!
Viel kann ich über die PLASTIC BOMB nun wirklich nicht mehr schreiben. Für alle Punkrockinteressierten ist sie eh Pflichtlektüre. Ist alles drin: Interviews, Reviews, CD-Beilage Kurioses (z.B. die Country-Ecke), viele News und viel über Staatsterror und Nazidreck. Die vorliegende Nr. 39 ist hier auch schon ordentlich zerlesen - bitte weiter so!!!
Der ENPUNKT ist immer für Überraschungen gut. So entwickelt Klaus N. Frick in seiner kleinen Story über Angela Merkel fast schon etwas Mitleid für "den kleinen Trampel mit Dackelblick". Aber auch nur fast … Kein ENPUNKT (immerhin die 37. Ausgabe) ohne Reisebericht. Diesmal war Klaus in Malawi, einem kleineren afrikanischen Staat. Auch der Rest ist gewohnte Kost: Kurze Artikel über persönliches (z.B. die uralten Springerstiefel von Klaus), Platten und Konzerte in Wort und Bild usw. Bleiben wir konservativ, lesen wir den ENPUNKT!
Zeitgleich erschien von Klaus N. Frick auch die vierte Ausgabe seines Newsletters SUPERKLAUS, in dem er fast vierzig Fanzines bespricht. Wem diese Rezensions-Kolumne hier also noch nicht ausreicht, sollte das Heft gleich mitbestellen.
Lasst Euch von dem süßen Kind mit Teddybär auf dem Cover der neunten Ausgabe des RATRIOT nicht täuschen. Das Literatur-Fanzine bringt auf seinen 40 Seiten im Schnipsellayout wieder Hardcorelyrik und Weltschmerzzeilen. Unter anderem auch das geniale Gedicht
Das gute Jahr von Stefan Heuer: … der sohn zählt mit / er ist zufrieden / nur acht schläge und / nicht mit voller wucht / der vater spart energie / er weiß / es wird ein gutes jahr / und freut sich auf den herbst.
Das Schwesterheft des
RATRIOT heißt
VORSICHT SCHREIE und ist erst in der vierten Runde. Auch auf dessen Cover sind Kinder zu sehen. Ein neuer Trend? Sollen wir auch mal? Und auch diesmal kommt der beste Text von einem Dichter aus Hannover - Kersten Flenter. In seinem Gedicht
Die Angst zu gewinnen heißt es:
Es ist leicht zu verstummen in diesen Tagen / In denen jeder großes zu berichten hat / Wo Zynismus zu platten Zoten verkommt / Es ist leicht zu verstummen in diesen Tagen
Ja, hier lebt der (Social) Beat.
Zum Schluss habe ich noch die 95. Ausgabe des TRUST vor mir liegen. Natürlich habe ich mich sofort auf die Kolumne des Kollegen Klingenberg gestürzt. Diesmal berichtet er von seiner noch jungen Liebe zum Fußball … Ansonsten beweist das Heft wieder einmal, dass es eine feste und unverzichtbare Institution geworden ist. Erfrischend finde ich immer wieder, dass sich das TRUST in keine (musikalische) Schublade stecken lässt. Ein intelligentes und erwachsenes Fanzine.