Neue Kopien
Zeitschriften und Fanzines

Fangen wir gleich mit der dicksten und vielleicht auch schönsten Neuerscheinung für dieses Mal an. Die Zeitschrift in Buchform nennt sich SYNTAX ACUT TXT.DOC.EXE und ist ein Zusammenschluss der Gießener Literaturgruppe Lahnbeat, der Zeitschrift Byzanz TOTAL und dem Online-Magazin Walachei Wintergarten. Die erste Ausgabe beschäftigt sich mit Cut up Literatur. Eckhard Martin erzählt noch einmal die spannende Entstehungsgeschichte dieser Technik, die Literatur an die Welt von moderner Film- oder Hörspielkunst näher heranbringt (sie dadurch aber nicht einfacher konsumierbar macht). Diese literarische Methode wird von Wolf Schreiber ergänzt, der computergerierte Literaturproduktion vorstellt, z.B. durch den bekannten Poetron 4G Gedichtgenerator. Wer mehr zu dem Thema wissen will: In der aktuellen Version von www.subh.de werde ich ab Mai 02 mal einige Links zu diesem Thema auflisten. Den Rest des edlen und preiswerten 135 Seiten Werkes füllen gute Prosatexte und ein weiteres Special: Die Redaktion von beschäftigt sich mit dem Wilhelminismus!

Nahe dran am Cut up Thema ist auch das Fachblatt für Beat-Dichtung RUDE LOOK, welches zwar immer noch von Axel Monte herausgegeben, aber mittlerweile mehrheitlich durch Inhalte von Florian Vetsch gefüllt wird. Sehr beeindruckend waren für mich die Gedichte von Ira Cohen aus dem September 2001, der in New York lebt und durch seine Dichtung beweist, dass es noch andere amerikanische Ansichten gibt, als die von Bush & TV. Ein sehr schönes Heft, welches von seiner Internationalität und Freiheitsliebe lebt.

DAS DOSIERTE LEBEN präsentiert in seiner Winterausgabe 01/02 Glückwünsche zum 5jährigen Bestehen, ein sehr schönes Winterbild auf dem Umschlag und viel neues und aufgewärmtes aus Bödigheim. Außerdem versuchen verschiedene Autoren der Freundschaft auf die Spur zu kommen.
Extrem vielfältig präsentiert sich auch die #24 des DOSIERTEn LEBENs, welche natürlich nach Redaktionsschluss hier noch reinschneite. Da gibt es putzige »Pro-Porno-Gedichte«, ein Aufruf sich an ABC-Geschichten zu beteiligen, lustige Briefe an Firmen und Behörden und allerhand mehr Sinn und Unsinn.

Wieder 100% nicht in eine Schublade zu pressen ist die 52. Ausgabe des MY WAY Magazins, welches nunmehr im 17. Jahrgang erscheint. Vorgestellt wird die europäische Kulturhauptstadt Brügge und deren Programm in diesem Jahr - wobei natürlich in einem solchen Artikel im MY WAY der Schwerpunkt bei der Vorstellung experimenteller Kunst liegt. Weiterhin erfährt man vom Big Brother Award, der an besonders neugierige Behörden und Firmen (NSA, FBI usw.) vergeben wird. Bestimmt kein beliebter Preis, den auch wieder keiner offiziell verliehen bekommen will. Und der Rest des Heftes? Es ist einfach alles mit dabei: Lyrik, Film, Musik, Politik …

Hochironisch auch diesmal der Untertitel der ZYPRESSE: Magazin für die Verteidigung westlicher Werte. Innendrin sieht es in der #7 zum Glück ganz anders aus. Da geht es um die neuerdings wieder so beliebte Rasterfahndung, die Frage ob und was sich seit dem 11. September denn nun alles (oder nichts) verändert hat und um in Deutschland lebende Islamisten. Ergänzt wird dies alles um einen unverzichtbaren Kulturteil, der nicht nur neuste Bücher, Filme und Platten vorstellt, sondern auch von einer Lesung mit den Ärzten berichtet.

UPSTART beschäftigt sich mit der Nebensache Musik (und das in einer für ein Fanzine sehr großen Spannbreite - Metal, Punk, Ska usw.) und dem wirklichen Leben (Semestergebühren, Askese) und dann doch wieder mit Musik (Interviews mit Machine Head, The Tojans) und stellt zum Schluss natürlich auch noch ein paar Platten vor. Selbstverständlich habe ich mich sofort auf den zweiten Teil des Interviews mit zwei Mitgliedern der Ton Steine Scherben und das Gespräch mit Notwist gestürzt. Doch OX #46 bietet natürlich noch mehr. Insgesamt 156 Seiten plus eine CD mit bekannten und unbekannten Bands. Wie machen die das immer nur?

Das ZIRKULAR AM ZEITSTRAND beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe u.a. mit plattdeutscher Literatur. So was kannte ich bisher nur aus den Mündern der Nachbarn meiner Eltern, die in der Lüneburger Heide wohnen oder von Feuerwehrfesten (eben dort). Auf jeden Fall eine lustige Sprache … ZAZ ist eine sehr ungewöhnliche Zeitschrift für die man sich auch viel Zeit nehmen sollte, denn sie überrascht fast mit jedem neuen Text.

Auch GIFT UND GALLE - das neurotic lifestyle magazin - beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Terror gegen Afghanistan und schafft dies wunderbar durch satirische Collagen, Texte und sogar einem kleiner Fotoroman. Ein Reisebericht aus dem April 01, der uns durch Afghanistan führt, ist jedoch als Höhepunkt des Heftes zu werten.

Besonders lecker beim LIBUS #12 war das Interview mit Splatterfilmer Jörg Buttgereit, der mittlerweile die Faxen von den low budget Projekten dicke hat. Außerdem gibt es ein interessantes Gespräch mit Die Untoten und wieder viel neues über Film und Literatur. Das Heft selber ist übrigens auch ein Kunstwerk.

LAIZOSA #6 berichten von nahen Orten (z.B. dem Braunschweiger Punkplattenladen BETTY FORD CLINIC) , fernen Orten (London) oder vergangenen Orten (Christan Sölter berichtet in einer tollen Story von Hannover-Hardcorehausen Anfang der 90er Jahre). Sehr schön, dass es hier in der Gegend ein solches Heft gibt! Noch schöner, dass LAIZOSA auch den passenden Soundtrack als feine CD zum Heft anbietet. Für kleines Geld kann mensch sich Punk, Hardcore und Ska aus Ilsede, Braunschweig, Algermissen, Bettrum, Hameln oder Wolfenbüttel reinziehen.

Die Fachzeitschrift für Punker und Strassenköter heißt natürlich PLASTIC BOMB und durfte sich in der nahen Vergangenheit u.a. mit dem Anwalt des Dim Records Mailorder herumplagen (dieser Anwalt ist im übrigen auch Sänger der Faschoband Noie Werte …). Meine Güte, wer da jetzt alles Jura studieren darf … Aber es gibt auch erfreuliches zu lesen - z.B. Interviews mit Tom Liwa und Skaos. Natürlich liegt auch der #38 eine feine CD bei.

Von der hellgelben BILDSTÖRUNG liegt nun bereits die fünfte Sinfonie vor. Und leider muss ich sagen, dass mir die ersten Hefte etwas besser gefallen haben, da dort weniger Fremdbeiträge drin waren. Am Anfang konnte man das Heft noch von den vielen und beliebigen Textsammlungsheften unterscheiden. Sehr schön fand ich jedoch wieder den visuellen Teil des Heft - die Zeichnungen und Comics.

Manchmal muss ich sie schon ein bisschen suchen - die sehr guten Texte im WANDLER. Aber auch die #29 hat mich nicht enttäuscht. Da war z.B. die völlig abgefahrene Story Der Wüstenfahrer von Martin von Arndt oder auch die kurzen nordamerikanischen Stories, die im Orginal auch selbst für mich noch gut zu lesen waren.

Das TRUST #93 kam zwar nach Redaktionsschluss hier an, aber aufgrund so wichtiger Dinge wie der Axel Klingenberg Kolumne im altehrwürdigen Fanzine aus Bremen kann und will ich es Euch nicht vorenthalten. Dort berichtet der SUBH-Coherausgeber nämlich wie er beinahe einmal ein unschuldiges (denn Betrunkene sind immer unschuldig!) Opfer des kalten Krieges geworden wäre. Freunde der guten Musik kommen aber auch nicht zu kurz - es gibt Interviews mit Bands wie The Mars Volta, Firewater und The Icarus Line.