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Oktober 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Der Typ vom Grab nebenan oder wo die Liebe hinfällt
Grabben i graven bredvid

Schweden 2002

Filmplakat

Regie:
Kjell Sundvall

Buch:
Sara Heldt

Lit. Vorlage:
Katarina Mazetti

Kamera:
Philip Øgaard

Schnitt:
Sebastian Amundsen, Thomas Täng

Musik:
Trond Bjerkens

Darsteller:
Elizabeth Carlsson (Desirée), Michael Nyqvist (Benny), Anita Heikkilä, Annika Olsen, Liselotte Stenshäll

Kinostart:
7. Oktober 2004

Der Typ vom Grab nebenan
oder wo die Liebe hinfällt
Grabben i graven bredvid


[Folgende Rezension wurde im Winter 2002 erstellt, als der Film in der "Schwedischen Filmwoche“ im Berliner Kino "Arsenal" lief …]

In meinem Bekanntenkreis gibt es so manches (zumeist weibliches) Wesen, das eine Schwäche für romantische Komödien hat. Ich entspreche zwar sicher nicht dem Vorurteil des männlichen Kinobesuchers, der immer nur Action, Western oder Kriegsfilme will und über "Tear-Jerker" und "Girl‘s Films" nur die Nase rümpft, aber mein Bedarf an Filmen, in denen Meg Ryan, Sandra Bullock oder Winona Ryder den Mann für‘s Leben suchen und auch finden, ist für‘s erste gedeckt.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Filme wie Lubitschs The Shop around the Corner werden heutzutage zu grotesken Grausamkeiten á la You‘ve got Mail, und Audrey Hepburn und Shirley MacLaine haben genauso wenige Nachfolgerinnen gefunden wie Cary Grant oder Gary Cooper.

Kate and Leopold, Mr. Deeds, Town and Country und -schudder!- What Women Want waren meine Ausbeute der letzten zwei Jahre, was typische Hollywood-Vertreter dieses Subgenres angeht. Und drei dieser vier Filme bestätigen meine schlimmsten Vorurteile mit voller Macht. Es gab zugegebenermaßen auch Shrek und Bridget Jones, doch der eine ist zwar romantisch und eine Komödie, aber irgendwie doch etwas völlig anderes, und die andere ist in mancher Hinsicht auch eine britische Literaturverfilmung, also auch something completely different.

Auch Amelie passt nicht ganz ins Schema, weil es nun wirklich nicht nur um die Liebesgeschichte geht … aber … es geschehen noch Zeiten und Wunder! in den letzten zwei Jahren gab es doch drei Filme, die ich als romantische Komödie bezeichnen würde und die mich durchaus verzaubert haben. Nicht völlig reinrassig und auch nicht völlig gelungen war Chocolat, aber so richtig was für‘s Herz und für die Lachmuskeln waren Italiensk for Begyndere und Jalla! Jalla!.

Und? Gemerkt, worauf ich hinauswill? Genau! In allen drei Fällen skandinavische Regisseure. Nach dieser vielleicht längsten Einleitung der letzten zwei Jahre kommen wir zu einer romantischen Komödie aus Schweden.

Die Geschichte könnte kaum einfacher gestrickt sein: Zwei ganz unterschiedliche Menschen unterschiedlichen Geschlechts verlieben sich ineinander, und der Film darf herausbekommen, ob das gutgehen kann.

Benny ist ein Landwirt, Desirée eine Bibliothekarin. Also von der Konstellation her so ähnlich wie bei "Green Card“, nur daß Desirée nicht von einem Ex-Model dargestellt wird, sondern ziemlich verhuscht und unauffällig daherkommt, und daß Benny nicht von einem französischen Charakterdarsteller gespielt wird, der trotz klobigem Gang und dicker Knollennase eigentlich viel sensibler ist, sondern man Michael Nyqvist den Typen in Gummistiefeln ebenso abnimmt wie dem frühen Detlev Buck.

Natürlich werden die Unterschiede herausgearbeitet, natürlich gibt es noch zusätzliche Probleme (ein neuer Job, Karriereentscheidung?, nicht besonders kompatible Freundeskreise), doch ansonsten ist einiges anders …

Denn hier ist man sich nicht ganz so sicher, ob sich die beiden kriegen werden, wie man es in einem Hollywoodschinken mit Tom Hanks und Jennifer Lopez wäre. Und, was fast noch wichtiger ist, hier geht es nicht um eine verlogene, prüde, amerikanische Vorstellung von Romantik und Liebe, wie sie eher aus der "Traumhochzeit“ zu stammen scheint als aus dem wahren Leben. Desirée und Benny sind sich nämlich bei einem ganz einig, was in den allerwenigsten amerikanischen Romantic Comedies auch nur eine Rolle spielt: der Sex ist prima. Sie poppen sich munter durch die erste Hälfte des Films, und als pünktlich im dritten Akt alles so aussieht, als würde nichts aus den beiden, fackeln sie nicht lange, bis sie sich Ersatz ins Bett geholt haben. Nicht, daß ich da jetzt aus Erfahrung sprechen würde, aber auch wenn das alles nicht ganz so hochromantisch klingt, besser als rosa Rüschenkleider und um die Hand anhalten bei dem Schwiegervater ist es allemal, und so macht dieser Film einem auch fast soviel Spaß wie den beiden manchmal etwas erschöpften Hauptdarstellern. Auch und gerade weil eben in diesem Film nicht alles so gut zusammenpasst wie in einem dreimal überpolierten, zielgruppengeprüften und zumeist stinklangweiligen amerikanischen Lustspiel, bei dem die Lust auf der Strecke bleibt, insbesondere auch die des Zuschauers.

Außerdem ist es der einzige Film, den ich kenne, der den Besuch eines Friedhofs zu einem romantischen Erlebnis macht.