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April 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Die BluthochzeitIm Zuge der hin und wieder sehr erfolgreichen Verfilmungen von Superhelden-Comics aus den USA scheint der Begriff "Comicverfilmung" langsam seinen unangenehmen Beigeschmack zu verlieren und mittlerweile sind sogar deutsche Co-Produktionen möglich, die auf Arbeiten aus dem frankobelgischen Raum basieren, in diesem Fall auf dem Album Bluthochzeit, das Altmeister Hermann (Jeremiah) zusammen mit dem Texter Jean van Hamme (VIII) realisierte. Van Hamme arbeitete auch am Drehbuch mit, und obwohl der Film aus nachvollziehbaren Gründen einen geringeren body count als der Comic hat, erkennt man am fertigen Film sehr wohl das Talent des Szenaristen, trotz diverser Nebenfiguren auch den Zuschauer nicht den Überblick verlieren zu lassen und die langsame Eskalation einer Hochzeitsfeierlichkeit trotz großer Sturheit, Arroganz und Aggressionsbereitschaft der Beteiligten durchaus realistisch erscheinen zu lassen. Wenn der bereits etwas verwirrte Opa in der Kirche mit Schokoladenpapier knistert, nimmt man es ihm weg, der nächste Schritt auf der nach oben offenen Richterskala der Hochzeitseskalationen ist eine Wespe, die sich ausgerechnet im offenen Mund des dösenden Chauffeurs niederlässt. Wenn die Hochzeitsgesellschaft auf Geheiß des Vaters des Bräutigams, des cholerischen Baumagnaten Walzer (Armin Rohde), vorher noch ein paar Fasane erschießt, erinnert das (in Maßen) an Jean Renoirs La règle du jeu und der langsame Verfall der (Hochzeits-)Gesellschaft funktioniert auch hier nach klaren Spielregeln, die das Drehbuch strukturieren. So werden nach und nach weitere Schußwaffen, ein Rottweiler und sogar alte Handgranaten in die Geschichte eingeführt, doch im Gegensatz zur gänzlich anderen Rezeption und Wirklichkeitsverortung eines Comiclesers war es den Filmemachern klar, daß für den Kinozuschauer der Film mit dem ersten Todesopfer sehr schnell seinen satirischen Witz verlieren würde und so geht es in Die Bluthochzeit lange Zeit verhältnismäßig glimpflich aus … Neben dem überzeugend strukturierten und getimeten Drehbuch überzeugen aber auch das Casting bzw. die Schauspielerleistungen. Neben Rohde und Ochsenknecht als Antagonisten in bester Spiellaune besteht die gesamte Hochzeitgesellschaft aus hervorragend ausgesuchten Darstellern, die sich oftmals schon in anderen Filmen bewähren konnten, ohne aber nur aufgrund ihres "Namens" zusammengeklappert worden zu sein. Dazu gehört beispielsweise der Bruder der Braut, Fabian Hinrichs, den man vor kurzem ebenfalls als Bruder in Sophie Scholl - Die letzten Tage sehen konnte. Den Bruder des Bräutigams, Josef Heynert, kennt man hingegen aus Kleinruppin Forever oder den Filmen von Benjamin Quabeck (Aus Verschwende Deine Jugend tauchen übrigens besonders viele Darsteller in der Bluthochzeit auf). Mein persönliches Lieblingspaar im Film besteht natürlich aus den Kellnern Mike und Isabell, dargestellt von Marlon Kittel (Paule und Julia, Sommersturm) und Marie-Luise Schramm (Mein Bruder, der Vampir). Außerdem freute mich das Wiedersehen mit Steffi Kühnert (Halbe Treppe) und Christian Nähte (Schule), doch diese Liste ließe sich ewig weiterführen … Die Bluthochzeit ist eine der besten deutschsprachigen Mainstream-Komödien der letzten Jahre und der Beweis, daß das Medium Film doch nicht soweit vom Comic entfernt ist, daß man nicht einige Werke "herüberretten" könnte. Nur bitte nicht dauernd nur Muskelmänner in Schlafanzügen, die die Welt retten wollen. Kellner und Köche, die sich gegen Zechpreller durchsetzen wollen, reichen doch. |
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