I'm not There
(R: Todd Haynes)
USA / Deutschland 2007, Buch: Todd Haynes, Oren Moverman, Kamera: Edward lachman, Schnitt: Jay Rabinowitz, mit Christian Bale (Jack Rollins), Cate Blanchett (Jude Quinn), Heath Ledger (Robbie Clark), Ben Whishaw (Arthur Rimbaud), Marcus Carl Franklin (Woody Guthrie), Richard Gere (Billy the Kid), Charlotte Gainsbourg (Claire), Julianne Moore (Alice Fabian), Michelle Williams (Coco Rivington), Kim Gordon (Carla Hendricks), Kris Kristofferson (Narrator), David Cross (Allen Ginsberg), Bruce Greenwood (Keenan Jones / Pat Garrett), Benz Antoine (Bobby Seale / Rabbit Brown), Dennis St John (Captain Henry / The Admiral), 135 Min., Kinostart: 28. Februar 2008
Kaum ist die Berlinale vorbei, folgt eine heuschreckenartige Invasion der Wettbewerbsfilme der anderen zwei großen europäischen Filmfestivals, Cannes und Venedig. Nach den schon im Januar angelaufenen My Blueberry Nights und Darjeeling Limited kommen nun No Country for Old Men, Michael Clayton, Im Tal von Elah, Schmetterling und Taucherglocke und I'm not there, drei davon allein in dieser Woche. Der Unterschied zwischen den Januar- und Februar-Filmen ist wenig überraschend der, dass letztere allesamt auch gerade aus dem weltweit wichtigsten Film-"Wettbewerb", dem Rennen um die Oscars, unterschiedlich erfolgreich hervorgingen.
Einer der schönsten Momente der Oscar-Verleihung war der entgleiste Gesichtsausdruck von Tilda Swinton, als sie erfuhr, dass sie und nicht die durch die Golden-Globe-Auszeichnung als klare Favoritin gehandelte Cate Blanchett als beste Nebendarstellerin prämiert wurde. I'm not there war wie der Schmetterling einer der "Verlierer" des Abends. Wo No Country for Old Men in bestmöglicher Weise vom Start in der Nach-Oscar-Woche profitiert und selbst Michael Clayton noch im Fahrwasser der Swinton-Auszeichnung einige zusätzliche Zuschauer locken wird, hat I'm not There das Nachsehen, hätte man doch von der Golden-Globe-Prämierung und selbst dem Tod von Heath Ledger (der zugegebenermaßen schlecht in die PR-Planung integriert werden kann) weitaus mehr Medieninteresse geschickt auf den Film leiten können.
Aber kommen wir zum Film selbst. Das Prinzip von Todd Solondz' Palindromes wurde auf ein Biopic übertragen, in der Rolle von Bob Dylan sieht man nicht weniger als sechs Darsteller unterschiedlichen Geschlechts und Hautfarbe, einzig ein übergewichtiger Bob Dylan kommt im Film nicht vor. Noch kunstgewerblicher wird das Ganze durch die Wahl unterschiedlicher Namen für diese Facetten Dylans, wobei Woody Guthrie oder Arthur Rimbaud zwar dem Geiste Dylans gut entsprechen, aber dennoch auffallend plakativ wirken. Leider ist I'm not there nicht annähernd so unkonventionell, wie er gern wäre, denn abgesehen von den sich abwechselnden Hauptdarstellern und einigen Planspielen und Rätseln um diesen Kniff entspricht der Film doch recht stark dem Muster üblicher Musiker-Biographien, was mir persönlich noch stärker auffiel, weil einige Tage vor der Pressevorführung dieses Films Walk Hard - The Dewey Cox Story gezeigt wurde, eine Parodie auf Biopics wie Walk the Line, Ray etc., die etwa das Auftreten des jungen Michael Carl Franklin als musikalisch erstaunlich begabten Knaben in irgendwelchen Güterwaggons relativ lächerlich erscheinen liess. Und ehrlich gesagt fand ich die Bob-Dylan-Parodie, die John C. Reilly mal zwischendurch im wildbewegten Leben von Dewey Cox zum Besten bringt, oscarwürdiger als den Auftritt von Cate Blanchett, die zwar einige denkwürdige Dialoge "geschenkt" bekommt ("Jude! How about a word for your fans?" - "Ocelot."), aber in anderen Filmen (Heaven, Notes on a Scandal) schon weitaus interessantere Darbietungen geboten hat.
Der Dylan-Darsteller, der hier am meisten überzeugt, ist Christian Bale, wenn er den ganzen Film übernommen hätte und man noch eine halbe Stunde herausgekürzt hätte, wäre der Film sicher nicht schlechter geworden, denn oft hat man hier den Eindruck, dass Regisseur Haynes einfach zu viel auf einmal versucht, und der Film gerät mitunter zu einer Art Nummernrevue wie Velvet Goldmine, ein ganz ähnlicher Film des Regisseurs, der zwar Facetten einer vergangenen Musik-Epoche wiederaufbereiten kann, dabei aber kein stimmiges Gesamtbild evozieren kann. Nun könnte man behaupten, dies sei ja ganz offensichtlich auch nicht das Ziel von I'm not there gewesen, aber wer mal Palindromes gesehen hat, wird bestätigen können, dass die dort von acht, keineswegs so bekannten Darstellern porträtierte Aviva eine - obwohl fiktiv - viel geschlossenere Persönlichkeit entwickelt als der den meisten Kinobesuchern bereits im Vorfeld vertraute Bob Dylan hier.