Piraten: Ein Haufen merkwürdiger Typen
(Peter Lord)
Originaltitel: The Pirates! Band of Misfits, UK / USA 2012, Co-Regie: Jeff Newitt, Buch: Gideon Defoe, Lit. Vorlage: Gideon Defoe, Kamera: Frank Passingham (Director of Photography), Charles Copping (Lighting), Musik: Theodore Shapiro, mit den Originalstimmen von Hugh Grant (Pirate Captain), Martin Freeman (Pirate with Scarf), David Tennant (Charles Darwin), Imelda Staunton (Queen Victoria), Brendan Gleeson (Pirate with Gout), Jeremy Piven (Black Bellamy), Salma Hayek (Cutlass Liz), Brian Blessed (Pirate King), Ashley Jensen (Surprisingly Curvaceous Pirate), Lenny Henry (Peg Leg Hastings), Russell Tovey (Albino Pirate), Mitchell Mullen (Gameshow Host), Peter Lord (Additional Voices), 88 Min., Kinostart: 29. März 2012
Ob es an Jeffrey Katzenberg lag? Nach drei Spielfilmen mit Dreamworks (Chicken Run, Flushed Away und The Curse of the Were-Rabbit) arbeiten die britischen Knetgummi-Virtuosen von Aardman jetzt zum zweiten Mal mit Sony Animation (Monster House, Open Season, Surf's Up, The Smurfs) zusammen. Und nach der computeranimierte ersten Zusammenarbeit (Arthur Christmas) folgt nun ein dezidiert britischer und eher traditioneller Geniestreich. Während bei den Star-Trek-Kinofilmen von vielen Fans die gerade numerierten bevorzugt werden, sind bei den Aardman-Filmen die ungeraden aus Knetgummi, die geraden hingegen etwas weniger interessant.
Gideon Defoes Buchreihe um The Pirates! wurde bereits von Humor-Experten wie Andy Riley (The Book of Bunny Suicides) und Piraten-Experten wie Eric Idle (Yellowbeard) abgefeiert, dass der Autor auch das Drehbuch zur Verfilmung schreiben durfte, passiert sonst eher selten. Doch sowohl für Kenner der Buch-Serie als auch für solche Zuschauer, die nie davon gehört haben, zaubert das Abenteuer um »Pirate Captain« (Stimme: Hugh Grant), seinen getreuen Stellvertreter »Pirate with Scarf« (Martin Freeman) und den Wissenschaftler Charles Darwin (!) ein Dauerlächeln aufs Gesicht. Der Humor ist sehr britisch und basiert unter anderem auf dem Widerspruch zwischen dem blutrünstigen Geschäft der Piraterie und einer eher naiv-harmlosen »Crew« und dem anderen Widerspruch zwischen einem historischen Setting mit historischen Figuren (laut Nachspann aus guten Gründen allesamt komplett fiktiv) wie Königin Victoria oder dem Elefantenmenschen und etwa 748 teils subtilen, teils unübersehbaren Anachronismen. Außerdem zeichnen sich die zumeist männlichen Protagonisten des Films dadurch aus, dass ihnen - egal ob Pirat oder Wissenschaftler - die Gedankengänge viktorianischer Frauenzimmer ein immerwährendes Mysterium sind (mögliche berühmte letzte Worte: »I'll die without reaching second base with a lady!«).
Dafür haben sie andere Spezialgebiete: Seltene Tierarten! Schinken! Luxuriöse Bärte! Shantys! Kartographie! Schinken! Alkoholische Heißgetränke! Die Domestizierung von Primaten! Meerjungfrauen! Dreidimensionale Piratenflaggen!! Und - nicht zu vergessen! - natürlich Schinken!
Ehrlich gesagt sind die Handlungen in den Piraten-Büchern eher Nebensache. Nicht ganz so sehr wie bei Douglas Adams, aber dennoch eher im Dienste des nächsten guten Gags als um fingernägelzerknabbernde Spannung zu erzeugen. Dennoch hat man es sich aber zum Ziel gesetzt, auch den Lesern etwas zu bieten, und so lehnt sich die Verfilmung zwar an The Pirates! in an Adventure with Scientists an (so sollte auch ursprünglich der Film heißen), aber die Mannschaft ist überschaubarer (und bekommt interessanten Zuwachs mit dem Piraten mit dem orangefarbenen Bart), man arbeitete einige eher am Rande erwähnte Figuren weiter aus (und nutzt die Figur des Mr. Bobo auf visuellere, aber ebenso amüsante Art), und das Ganze bekam einen neuen Oberschurken, der komplett andere finstere Pläne verfolgt, dabei aber geringfügig geeigneter fürs jüngere Publikum ist (der Body Count ist im Buch eindeutig höher, eine Serie von Frauenmorden eignet sich einfach nicht für Viertklässler).
Im Gegensatz zu den actionlastigen Abenteuern von Wallace & Gromit ist die Band of Misfits eher eine Rückbesinnung auf die Sonntagnachmittage, als man Der rote Korsar oder In 80 Tagen um die Welt mit seinen Eltern schaute (was man jetzt mit den eigenen Kindern wiederholen kann). Pirate Captain ist sowas wie eine Mischung aus David Niven und Burt Lancaster - nur etwas zurückhaltender. Und Hugh Grant und Martin Freeman könnten die von ihnen gesprochenen Figuren auch jederzeit in einem Realfilm darstellen. Es stimmt einfach fast alles in diesem Film, und wie alle guten Aardman-Filme (und das sind die meisten) will man ihn danach am liebsten sofort noch mal schauen.
Um meine umfassende Begeisterung für den Film zu artikulieren, bedarf es eines Wortes aus dem Piratenvokabular (auch, wenn es sich ein wenig klingonisch anhört): »Arrr!«