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8. August 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Gloria (Sebastian Lelio)
Gloria (Sebastian Lelio)
Gloria (Sebastian Lelio)
Bildmaterial: Alamode Film
Gloria (Sebastian Lelio)
Gloria (Sebastian Lelio)
Gloria (Sebastian Lelio)


Gloria
(Sebastian Lelio)

Chile / Spanien 2012, Buch: Sebastián Lelio, Gonzalo Maza, Kamera: Benjamin Echazaretta, Schnitt: Soledad Salfate, Sebastián Lelio, mit Paulina Garcia (Gloria), Sergio Hernández (Rodolfo), Diego Fontecilla (Pedro), Fabiola Zamora (Ana), Coca Guazzini (Luz), Hugo Moraga (Hugo), Alejandro Goic (Gabriel), Liliana Garcia (Flavia), Antonia Santa Maria (Maria), Luz Jiménez (Nana), Marcial Tagle (Marcial), 105 Min., Kinostart: 8. August 2013

Man kommt nicht umhin, zu erwähnen, dass Paulina Garcia, die Darstellerin der Titelfigur Gloria, auf der diesjährigen Berlinale dafür mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Meines Erachtens darf man dann aber auch nicht unterschlagen, was im Umfeld dieser Auszeichnung so geschah. Da gab es etwa im Wettbewerb drei französische Filme, die jeweils in der Hauptrolle so etwas ein Triumvirat des französischen Kinos darboten: Juliette Binoche, Catherine Deneuve und Isabelle Huppert. Drei große Diven, von denen sich mindestens zwei nie scheuten, für ihre Rollen auch große Wagnisse auf sich zu nehmen. Unmöglich, eine dieser großen Darstellerinnen auszuzeichnen, ohne die anderen beiden zu brüskieren. Dann gab es als Gewinner des männlichen Darstellerpreises einen Laien, der sich in Danis Tanovics Aus dem Leben eines Schrottsammlers (inzwischen auch mit deutschem Verleih) buchstäblich selbst spielte – und es wäre nicht undenkbar gewesen, dass man zur Feier dieser Art gelebten Realismusses (inklusive einer Uminterpretation des Preisgeldes als Sozialhilfe) auch seine Frau auszeichnen würde. Dann gab es da noch die Mutter aus Mutter & Sohn, oder die bereits in früheren Berliner Festivals bedachte Nina Hoss in Gold.

Man soll mich nicht missverstehen, Paulina Garcia liefert eine beeidruckende Leistung ab, aber ob sie und ihr Film jetzt unbedingt bewirken, dass man spürt, wie sich die Erde unter unseren Füßen bewegt, würde ich nicht behaupten. Ein geschätzter Kollege, der im persönlichen Gespräch oft ungleich schärfer formuliert als in seinen Texten, meinte nur lapidar, dass er nicht wüsste, ob er sich diesen »Rentnersex« zum Auffrischen seiner Berlinale-Sichtung ein zweites Mal »reinziehen« müsse. Um es vorwegzunehmen: Er blieb dann der Vorführung fern.

Eine kurze Inhaltsangabe, die nicht zu viel vorwegnimmt: die 58jährige Gloria will nach Scheidung und Auszug der Kinder nicht einsam ihr Dasein fristen und der Film beschreibt größtenteils, wie sie auf einer Art Tanztee (mit Disco-Hits aus den 1970ern, als die Anwesenden noch jung waren) den sehr netten Rodolfo kennenlernt, der aber irgendein Geheimnis zu verbergen scheint. Den Rest sollte man selbst nach und nach erfahren, wenn man sich für den Film entscheidet.

Die Kinosaison 2012/13 scheint sich, insbesondere im europäischen Autorenkino, ganz einer Feier des Alterns – und älterer Schauspieler – zu widmen. Neben den bereits genannten Beispielen wären da noch zu nennen: Eine Dame in Paris (Jeanne Moreau), La Grande Bellezza oder Les beaux jours / Die schönen Tage (Fanny Ardant, deutscher Kinostart Mitte September). Der Erfolg von Michael Hanekes Amour scheint mir hier nicht ohne Einfluss geblieben zu sein. Doch infamerweise hatte ich mich schon damals nicht den Lobpreisungen meiner Kritikerkollegen anschließen wollen, weil ich Amour – insbesondere innerhalb des Œuvres des von mir seit zweieinhalb Jahrzehnten hochgeschätzten Österreichers – für nicht so bahnbrechend erachtete. All diese »neuen« Alters-Filme treten quasi geschlossen an, und dem Kinointeressierten bieten sich zwei Möglichkeiten an: entweder all diese Filme zu sehen und sie minutiös miteinander zu vergleichen – oder nur ein oder zwei besondere Perlen herauszupicken, um sich einen Überblick zu verschaffen. Meines Erachtens gibt es aber keinen Film darunter, der sich besonders hervortut und den man deshalb besonders empfehlen sollte.

Was für Gloria spricht: die hässlichste Katze der Welt und wie man sie inszeniert wie ein Goya-Gemälde; die lapidare Art und Weise, wie der Film Glorias Umgang mit ihrem Nachbarn unspektakulär mit in die Geschichte einbaut; die Szene, in der erklärt wird, das Anästhesie »Gefühle ausschalten« bedeutet – während man sich für ein Schäferstündchen entkleidet; ein »Danke für Dein Verständnis«, das dem Gesprächspartner wie die Lautsprecherdurchsagen bei der Deutschen Bahn einfach jede mögliche Entgegnung abschneidet; Glorias Exmann und ihre »Nachfolgerin«; und ein wunderbar idiotisches und viel zu langes Gedicht, das man mit »Du bist das Meer, ich das Salz« abkürzen kann.

Was gegen Gloria spricht (VORSICHT, SPOILER!): dass zwar der komplette Film mustergültig ohne besondere Ärgernisse zu Ende geführt wird, aber auch keine wirkliche Überraschung bietet. Insbesondere jenen Moment, der Glorias »Befreiung« symbolisiert, sieht man bereits eine halbe Stunde zuvor sich ankündigen, und die vielfach gelobte Schlussszene, die jede zweite Filmkritik detailliert beschreibt, konnte nicht annähernd meine Erwartungen erfüllen.