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Bildmaterial © 2013 Sony Pictures Releasing GmbH
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Austenland
(Jerusha Hess)
UK / USA 2013, Buch: Jerusha Hess, Shannon hale, Lit. Vorlage: Shannon Hale, Kamera: Larry Smith, Schnitt: Nick Fenton, Musik: Ilan Eshkeri, mit Keri Russell (Jane Hayes), JJ Feild (Mr. Henry Nobley), Jennifer Coolidge (Miss Elizabeth Charming), Bret McKenzie (Martin), Georgia King (Lady Amelia Heartwright), James Callis (Colonel Andrews), Jane Seymour (Mrs. Wattlesbrook) Ricky Whittle (Captain George East), Rupert Vansittart (Mr. Wattlesbrook), 97 Min., Kinostart: 17. Oktober 2013
Einzig »Supernatural Romances«, Vampire und Zauberer scheinen erfolgreicher auf dem zunehmend für Frauen zugeschnittenen Buchmarkt als die Werke von Jane Austen - und unzählige Variationen, Modernisierungen und schlichtweg Rip-Offs davon. Ob Sequels, Prequels, Quiz- oder Kochbücher - alles was halbwegs auf Jane Austen aufbaut (hierbei mit deutlichem Fokus auf ihre drei bekanntesten Bücher) und qualitativ nicht komplett versagt, verkauft sich zumindest so gut, dass die AutorInnen über die Runden kommen. Auch in Hollywood zeichnet sich dieser Trend seit längerem ab, ob man an Bridget Jones, Clueless, Becoming Jane, The Jane Austen Book Club oder den zwischenzeitig geplanten Pride and Predators (irgendwie nicht perfekt auf das Zielpublikum zugeschnitten) denkt. Der nun von Stephenie Meyers (!) Firma »Fickle Films« produzierte Austenland hat auch eine »Literaturvorlage«, und es geht in der Tat um eine bescheidene Version des fiktionale Figuren zum Urlaubsziel aufblasenden Disneyworld oder -Land, nur eben die Regency-Zeit in England rekreierend. Diesmal geht es nicht um durchdrehende Roboter wie in Westworld oder dem Itchy & Scratchy-Pendant (auch wenn das eine nette Idee für ein etwas anders Sequel namens Austenworld wäre), sondern um einen weiblichen Austen-Fan (Keri Russell spielt diese »Jane«) auf dem schmalen Grat zwischen Aficionado und Addict. Sie hat für dieses Urlaubserlebnis mit Abschlussball und garantierter Romanze sämtliche Ersparnisse angelegt, ist aber zuvor noch eine Wette eingegangen, bei Scheitern der Aktion ihre Wohnung endlich zu »de-austen-isieren«, also die Colin-Firth-Standup-Figur ebenso zu entfernen wie die großen Buchstaben über dem Bett, die verlauten lassen »Darcy was here«.
Unabdingbar ist es bei so einer Austen-Modernisierung, die Entsprechung für die damaligen Klassenunterschiede zu finden, und man löst dies recht überzeugend mit unterschiedlichen »Urlaubs-Paketen«, die sich ganz nach der Ausgabe richten - und nicht etwa nach der Textkenntnis oder dem Grad der Verehrung für Miss Austen. Und so bekommt die auf Peinlichkeit abonnierte Komikerin Jennifer Coolidge (American Pie, 2 Broke Girls) das Luxus-Paket, obwohl sie wahrscheinlich nie ein Buch von innen gesehen hat und sich einbildet, dass britisch anmutende Sprachfetzen wie »make haste« bereits das Nonplusultra an Authentizität darstellen. Noch gemeiner ist aber, dass dieser mehr an sexuellen Abenteuern interessierte pinke Prachtbrummer sich als »Rollennamen« »Miss Elisabeth Charming« aussuchen darf, eine andere, nicht gänzlich sympathisch wirkende Dame (Georgia King) als »Lady Amelia Heartwright« auftreten darf, und unsere Heldin den Namen »Miss Erstwhile« von der Chefin des Unternehmens (Jane Seymour) bestimmt bekommt. Das kränkt Jane wahrscheinlich stärker als die ihr vorenthaltene Luxuswohnung etc.
Nachdem die Kamera zunächst in Gemächthöhe die prächtigen »codpieces« der Bediensteten abfährt (»subtility is so overrated«), tauchen auch die männlichen Schauspieler auf, neben den in Austenstoffen unvermeidlichen Exponaten, die eher der Lächerlich preisgegeben werden (und im Filmkontext für ein paar unerwünschte Avancen sorgen dürfen), findet sich darunter auch der Mr. Darcy erstaunlich gut nachempfundene »Mr. Henry Nobley« (J.J. Feild, der unserer Jane ganz wie im Original zunächst eher versnobt und arrogant erscheint). Mal ganz abgesehen davon, dass sie sich natürlich erst gegen die beiden Konkurrentinnen behaupten müsste. Da trifft es sich gut, dass Jane in der Peripherie den für Billiglohn engagierten Pferdepfleger, Chaffeur und »Kulissenschieber« Martin (Bret McKenzie) kennenlernt, der zwar nicht den Regency-Idealen entspricht, aber auf natürliche Weise sympathisch erscheint. Und den Film und Soundtrack immer wieder mit (natürlich eigentlich »verbotenen« Pophits versüßt. Bevor der Film mit einem dunkelhäutigen vermutlichen Pornodarsteller namens »Captain George East« (Ricky Whittle) eine dritte Alternative bietet (bei drei Frauen nur angemessen), funktioniert das »Skript« erstmal vorzüglich, ehe sich die fürs RomCom unabdinglichen Komplikationen einstellen und der Film ganz langsam den Humorgehalt erhöht und gleichzeitig das Geschmacksniveau heruntersenkt. Wer Regisseurin Jerusha Hess als Drehbuchautorin ihres Gatten Jared Hess kennt, befürchtet hier wahrscheinlich Entgleisungen, wie man sie aus Napoleon Dynamite, Nacho Libre oder Gentlemen Broncos kennt, doch bei ihrem Regiedebüt stellt sich schnell heraus, dass sie viele positive Aspekte aus dem Werk des Gatten übernimmt (mich persönlich haben die ausgestopften Kulissen-Tiere in Austenland ein ums andere mal ergötzt und die die halbwegs stilvollen sexuellen Anspielungen ohnehin), dabei aber auf allzu geschmacklose Widerlichkeiten gerne verzichtet. Die Art von Humor, die einen in diesem Film erwartet, entspricht etwa jener Szene, in der »Miss Erstwhile« im Salon dazu genötigt wird, doch mal am Klavier ihre musikalischen Fähigkeiten zu demonstrieren. Obwohl sie beteuert, überhaupt nur ein Lied spielen zu können (ich persönlich erwartete Alle meine Entchen). Ihre zögerliche Nelly-Interpretation mit Textzeilen wie »It's getting hot in here / let's take off all our clothes« wird dann auch augenblicklich von der Aufpasserin unterbrochen, der Regelverstoß ist ähnlich unentschuldbar wie die Benutzung eines Mobiltelefons (die in der nachempfunden Regency-Zeit übrigens dieselbe Bezeichnung tragen wie die Untoten in Pride & Prejudice & Zombies: »unmentionables«), ein wichtiger Handlungsstrang dreht sich dann auch darum, dass Jane Austenland beinahe vorzeitig verlassen muss - eine weitere Entsprechung der mitunter willkürlichen Klassengesellschaft zu Regency-Zeiten.
Im Endeffekt ist der Film zwar zu sehr dem RomCom-Schema verpflichtet, aber Austenland ist durchweg sehr amüsant, wenn auch mit einem Humorniveau, dass wie bei Napoleon Dynamite von Teilen des Publikums kaum wahrgenommen wird, während es bei anderen Teilen kumulativ wirkt. So arbeitet man etwa gern mit Homonymen von gänzlich harmlosen englischen Vokabeln wie »seamen« oder »my largesse«, die die Synchronfassung vor unlösbare Aufgaben stellen wird.
Was mich sehr für den Film einnimmt, ist der Humor, der sich nicht automatisch erschließt, sondern aufmerksam beobachtet werden muss (weshalb Austenland wie Napoleon für Fans mit jeder erneuten Sichtung witziger werden wird). So gibt es eine Flughafenszene, bei der es sich lohnt, mal nicht auf die Hauptfiguren zu achten, sondern auf die Statisten im Hintergrund. Neben dem mimisch begabten Flughafenpersonal entdeckt man dabei vielleicht auch einen dicklichen kleinen Mann (Typ Patton Oswalt), der eine Austenland-Tragetasche mit sich führt. Und der einem schon zuvor beim »Abschlussball« aufgefallen sein könnte, wo zumindest ich ihn für einen engagierten Darsteller hielt, der das eingeschränkte Personal beleben sollte. Offenbar ist er aber auch nur ein zahlender Regency-Tourist, und es gibt Teile von Austenland, die wir nur erahnen können.