Planet der Affen: Survival
(Matt Reeves)
Originaltitel: War for the Planet of the Apes, USA 2017, Buch: Mark Bomback, Matt Reeves, basierend auf Figuren von: Rick Jaffa, Amanda Silver (hmm, ich ergänze jetzt mal einfach noch Pierre Boulle), Kamera: Michael Seresin, Schnitt: William Hoy, Stan Salfas, Musik: Michael Giacchino, Kostüme: Melissa Bruning, Production Design: James Chinlund, Supervising Art Director: Maya Shimoguchi, Set Decoration: Amanda Moss Serino, mit Andy Serkis (Caesar), Karin Konoval (Maurice), Steve Zahn (Bad Ape), Woody Harrelson (The Colonel), Amiah Miller (Nova), Terry Notary (Rocket), Ty Olsson (Red Donkey), Michael Adamthwaite (Luca), Toby Kebbell (Koba), Gabriel Chavarria (Preacher), Judy Greer (Cornelia), Sara Canning (Lake), Devyn Dalton (Cornelius), Aleks Paunovic (Winter), Alessandro Juliani (Spear), Max Lloyd-Jones (Blue Eyes), Skye Notary, Willow Notary, Finn Notary, Phoenix Notary (Ape Kids #1-4), 140 Min., Kinostart: 3. August 2017
Der Begriff der Prequel-Trilogie kam durch Star Wars: Episode 1-3 ins Gespräch, und diese eher umstrittenen Filme standen da auch längere Zeit allein. Das Schwierigste hierbei, und damit wird demnächst Ridley Scott zu kämpfen haben, ist der möglichst »direkte Anschluss«. Wie landet man in der Handlung dort, wo ein anderer Film beginnt, aber schafft es dennoch, auch dem neuen »Davor-Film« ein dramaturgisch überzeugendes Ende zu ermöglichen, dass dem Zuschauer beim Verlassen des Kinos eine »aktuelle« wie auch »übergreifende« Genugtuung verschafft. Das ist ja schon bei Einzelfilmen eine Meisterleistung und gelang vielleicht bei Matthijs van Heijningens The Thing und Rogue One: A Star Wars Story am überzeugendsten. Aber beim verbindenden »Mittelstück« zweier Trilogien ist das fast unmöglich.
Zwar gibt es dazu bisher nur wenig Anschauungsmaterial (Ridley Scotts vierter Alien-Film steht uns noch bevor, und beim Hobbit fällt das nicht so riesig ins Gewicht), aber es scheint nicht zuletzt auch durch die Tatsache, dass Schauspieler gemeinhin nicht jünger werden, mittlerweile etabliert, dass man hier am besten eine Generation überspringt. Bei Star Wars hieß das: Luke und Leia sind Babys, Darth Vader verbirgt sich hinter seiner Maske, bei Yoda ist es ähnlich und nur den Sprung von Ewan McGregor zu Alec Guiness muss man akzeptieren - aber das war im Grunde schon in Episode 1 eine Anforderung ans Publikum.
© 2017 20th Century Fox
Bei Planet of the Apes läuft es vermutlich ähnlich wie bald beim Alien: Charlton Heston muss ja überhaupt erst mal auf dem Planeten ankommen, um den muss man sich nicht kümmern. Inwiefern hier die beiden »Anschlussfiguren« einer genauen Analyse standhalten können, ist fraglich, insbesondere, weil War for the Planet of the Apes suggeriert, dass sich Nova und Cornelius schon in jungen Jahren kennenlernen (auch die Altersfrage gibt Anlass zu gewissen Nachfragen), aber ich persönlich gehe hier einfach mal davon aus, dass die Wahl der Namen keinen direkten, nur eine Generation überbrückenden Anschluss suggerieren sollen. Immerhin muss man ja auch erst mal eine vernünftige Affenzivilisation aufbauen und genügend Zeit verstreichen lassen, dass sich die ganze Affenschar nicht mehr daran erinnert, dass Menschen mal sprechen konnten und das Sagen hatten. Ich gehe eher davon aus, dass diese beiden Namen bedeutenden Signalcharakter haben sollen. Das Wechselspielchen zwischen Cornelius und Caesar kann sich ja über Generationen gehalten haben (wie ist eigentlich bei diesen Affen die Relation zwischen Lebenserwartung und Geschlechtsreife?) und bei Nova ist die Symbolik des Namen ja wohl kaum übersehbar.
Nach diesen Spoilern, die nur solange spoilern, bis die Leserschaft erfährt, dass es in War ein stummes Menschenmädchen mit Namen Nova gibt (und das wird in den allermeisten Rezensionen erwähnt werden), will ich mich mal der Frage annehmen, wie es möglich ist, einen Kriegsfilm zu drehen, bei dem nicht nur die Hauptfiguren Affen sind, sondern unumgänglich ein überwiegender Großteil der menschlichen Zivilisation auf der Strecke bleiben muss (und man sogar nebenbei eine passable Lösung gefunden hat, warum die Menschen im Heston-Film nicht mehr sprechen können).
Für sich genommen dürfte War (an den komplett idiotischen »deutschen« Titel werde ich mich nicht gewöhnen können) den Zuschauer fordern wie kaum ein anderer Anschlussfilm. Und sich dadurch auch ein wenig das mögliche Publikum einschränken. Aber der Kult-Charakter des Franchise (trotz der eher schwachen späteren Filme in den 1970ern und dem Tim-Burton-Debakel) und die technologische Leistung (mit Andy Serkis als beliebtestem Filmschauspieler, dessen Gesicht fast ein Geheimnis ist) kreieren einen Must-See-Hype, der zumindest einen Gewinn an der Kinokasse sichern sollte.
© 2017 20th Century Fox
Und außerdem funktioniert der Film dramaturgisch so gut, dass man sich meiner Meinung nach auch ohne Vorwissen aus den »Episoden« davor und danach ausreichend unterhalten lassen kann. Wenn man sich mit dem Gedanken abfindet, dass dies ein Kriegsfilm ist, also ein Genre, das nicht jeden sofort anspricht. Und außerdem ein Kriegsfilm mit Affen in den Hauptrollen. Fast nur Affen!
Was Matt Reeves aus all diesen Einschränkungen und Prämissen herausholt, ist schon beeindruckend. Inmitten eines derart einschnürenden narrativen Korsetts den Mut zu haben, einen eigenen Stil zu finden, ist eine echte Leistung, für die man - wenn man schon auf solche überhypeten Blockbuster eingeht - durchaus das Kinoticket berappen kann.
Wie schon bei Kong: Skull Island bedient man bei Kriegen, die größtenteils im Wald stattfinden, in US-Filmen bevorzugt den Vietnam-Krieg, weil die großen Vietnamfilme auch filmhistorisch den stärksten Eindruck hinterlassen haben. Wenn zu Beginn menschliche Soldaten auftauchen, deren Helme mit Aufschriften wie »Monkey Killer« oder »Bedtime for Bozo« deutlich deren Absichten bekunden, dann schafft es der Film irgendwie, dass man bereits Partei für die Affen ergreift, die hier gerade ausgerottet werden sollen. Nicht zuletzt, weil die Überheblichkeit der bestens ausgerüsteten Soldaten augenfällig ist, und die Affen, die ihre Frauen und Kinder beschützen wollen, auf ihrem eigenen Terrain angegriffen werden.
© 2017 20th Century Fox
Die Menschen als »endangered species« (noch so eine Helmaufschrift) - da weiß man instinktiv und aus Jahrhunderten der Erfahrung, dass sie sich das selbst eingebrockt haben. Und letztlich nicht anders verdient.
»Leave us the woods and the killing will stop«, »We are not savages« - wenn die Affen für die »humanitären« Standpunkte stehen, dann ist es nur logisch, wenn man als Zuschauer den Krieg größtenteils aus ihrer Perspektive sieht. Mit gemeinen Meuchelmorden, KZ-ähnlichen Verhältnissen und facettenhaften Einblicken in die Psychologie des hier den Colonel Kurtz aus Heart of Darkness / Apocalypse Now vertretenden Colonel McCullough (Woody Harrelson).
Während die militärische Hierarchie der Menschen sich zumeist auf »der irre Colonel und die Idioten, die seine Befehle befolgen" reduziert, sind es hier seltsamerweise die Affen, bei denen die Intrigen in den eigenen Reihen für eine Schwäche sorgen. Einige Gorillas (aber nicht nur die) verraten die eigene Spezies und werden dafür von den Menschen wie bessere Sklaven behandelt und als »Donkeys« auch noch verhöhnt. Die Parallelen zu anderen Kriegssituationen mit »Scouts« und Kollaborateuren sind naheliegend.
© 2017 20th Century Fox
Und der Film, der sich trotz seiner »Botschaft« ganz dem Unterhaltungskino verschrieben hat, schafft es sogar, den meisten Splittergruppen gerecht zu werden. Hierbei geht es vorrangig um die Figur Caesar (Andy Serkis), der wie Martin Sheen oder Captain Ahab aufgrund seiner Rachegelüste in Gefahr ist, seine - tja, es gibt noch kein anderes Wort dafür - Menschlichkeit einzubüßen. Und das ist neben dem »auf den ersten Film hinzuarbeiten« der deutlichste dramaturgische Bogen. Den man hier auf zauberhafte Weise umsetzt, u.a. mit weitreichendem Verzicht auf den heutzutage im Kino vieles übertünchenden Dialogeinsatz.
Große Teile des Films werden vor allem über die Musik als Gefühlsindikator erzählt. Das beginnt schon beim ersten Fox-Logo, dessen bekannte Klänge diesmal wie von Dschungeltrommeln klingen. Michael Giacchino, der einst durch Pixar-Animationsfilme wie The Incredibles, Ratatouille oder Up (oscarprämiert!) seine ersten Sporen verdiente, ist inzwischen längst etabliert bei den großen Realproduktionen. Mehrere große Franchises wie Star Trek, Jurassic World oder Star Wars (Rogue One) hat er inzwischen als Komponist betreut und an der Seite von Steven Spielberg und J.J. Abrams ist er fast so etwas wie der inoffizielle Nachfolger von John Williams geworden (kann aber auch andere Bereiche als nur den emotionalen Orchestersound abdecken).
Aber die Musik ist nur eines der Elemente, die hier so zusammengreifen, wie man es bei gelungenen Filmen erhofft. Ich persönlich finde zwar die Vorstellung eines Affen-Kriegsfilms nach wie vor etwas absurd, aber wenn man sich schon dafür entscheidet und es dann mit dieser Ernsthaftigkeit, Rigorosität und einem unverkennbaren Talent durchsetzt, dann hat das schon was. Auch, wenn einige emotionale Knöpfe etwas zu simpel und formelhaft gedrückt werden - aber man kann selbst bei großen Ambitionen nicht einfach ein Jahrhundert von Genrekonventionen ignorieren, wenn man nebenbei auch noch das große Publikum erreichen und verzaubern will.