Die Frau des
Nobelpreisträgers
(Björn L. Runge)
Originaltitel: The Wife, UK / Schweden / USA 2017, Buch: Jane Anderson, Lit. Vorlage: Meg Wolitzer, Kamera: Ulf Brantås, Schnitt: Lena Dahlberg (d.i. Lena Runge), Musik: Jocelyn Park, Kostüme: Trisha Biggar, Production Design: Mark Leese, Art Direction: Caroline Grebbell, mit Glenn Close (Joan Castleman), Jonathan Pryce (Joe Castleman), Max Irons (David Castleman), Christian Slater (Nathaniel Bone), Harry Lloyd (Young Joe Castleman), Annie Starke (Young Joan Castleman), Elizabeth McGovern (Elaine Mozell), Johan Widerberg (Walter Bark), Karin Franz Körlof (Linnea), Richard Cordery (Hal Bowman), Jan Mybrand (Arvid Engdahl), Anna Azcárate (Mrs. Lindelof), Peter Forbes (James Finch), Fredrik Gildea (Mr. Lagerfelt), Jane Garda (Constance Finch), Alix Wilton Regan (Susannah Castleman), Nick Fletcher (King Gustav), Mattias Nordkvist (Dr. Ekeberg), Isabelle von Meyenburg (Nobel Hostess), Grainne Keenan (Carol Castleman), Twinnie-Lee Moore (Flight Attendant Monica), 100 Min., Kinostart: 3. Januar 2019
»Come on, you don't have to do anything!« - die uncharmante Art, mit der Joe Castleman (Jonathan Pryce) seine Frau Joan (Glenn Close) zu einem nächtlichen Schäferstündchen überredet, sagt viel darüber aus, in welchem Umfeld für The Wife eine fast vergessen Romanvorlage von 2003 (!) in Zeiten von #MeToo wieder aktuell wurde und nun u.a. zur mittlerweile 14. Golden-Globe-Nominierung von Glenn Close (sie gewann für die Fernseh-Werke Damages und The Lion in Winter) führte.
Ich fand den gesamten Film sehr interessant, nicht zuletzt, weil ich Zusammenhänge erkannte zwischen dem »Nobelpreisträger« im Film und dem jüngst verstorbenen Philip Roth, der gefühlt mindestens die letzten anderthalb Jahrzehnte immer einer der favorisierten Kandidaten für den Literaturnobelpreisträger war. Dass man im Jahr seines Todes die Preisverleihung wegen einer Umorientierung der Vergabejury aussetzte (übrigens auch mal wieder wegen sexueller Übergriffe), wirkt im Nachhinein wie eine Ironie des Schicksals.
© SquareOne Entertainment / Graeme Hunter
The Wife war einer der Filme, bei denen ich es nicht abwarten konnte, danch die Romanvorlage zu lesen, um zu sehen, ob die im Film erkennbaren Details ähnlich, anders oder sogar noch stärker im Buch eine Rolle spielen. So gibt es im Film den von Christian Slater gespielten »investigativen Reporter« Nathaniel Bone, der mich schon vom Namen her immens an Nathan Zuckerman erinnerte, eine mehrfach benutze Erzählerfigur von Philip Roth, die beispielsweise in den Romanen The Ghost Writer, American Pastoral, The Human Stain oder Exit Ghost (diese vier habe ich auch gelesen, insgesamt sind es neun) auch mal in den Hintergrund tritt, um eigentlich eine Geschichte zu erzählen, die ihn nur indirekt betrifft (kann man auch in den Verfilmungen von The Human Stain und American Pastoral gut nachvollziehen). Interessant fand ich in diesen beiden Fällen (in der Buchversion), dass Zuckerman zwar Zeitzeugen befragt, aber das sich entwickelnde Narrativ nur teilweise auf diese bestätigten Informationen stützt und Zuckerman/Roth für den Roman noch so einiges »dazuerfinden«, was nicht immer genau getrennt wird. Was die Bücher aber durchaus noch interessanter machen. Irgendwie hat das für mich auch immer eine inhärente Aussage, dass man für eine »bessere« Geschichte oft auch mal von der »Wahrheit« abweichen muss. Eine Herangehensweise, die gerade in Filmen »based on a true story« immer eine große Rolle spielt.
Der Film The Wife basiert auf keinen wahren Begebenheiten, aber auf einem Buch. Und Roths Herangehensweise bestimmt auch die Schritte der Drehbuchautorin Jane Anderson, denn sie verändert einiges aus dem Buch.
© SquareOne Entertainment / Graeme Hunter
So hatte Romanautorin Meg Wolitzer wohl irgendwelche Gründe, Joe Castleman nicht zu einem Nobelpreisträger zu machen. Er erhält im Buch nur den (fiktiven) »Helsinki Prize«, eine andere literarische Auszeichnung aus Skandinavien. Der Nobelpreis wird in The Wife erwähnt, aber so hochdekoriert ist Joe Castleman dann doch nicht ganz. Für deutschsprachige Leser ist dies etwas verwirrend, denn nachdem Die Ehefrau (deutscher Buchtitel zu The Wife) vor kurzem auch hierzulande erschien, hat man sich für den Kinostarts der Verfilmung zum ("reißerischen"?) Titel Die Frau des Nobelpreisträgers entschieden, wodurch die deutsche Fassung des Buchtitels quasi komplett anders heißt (und somit schwerer zu finden ist). Aber die Anschaffung lohnt durchaus.
Im Buch wird noch deutlicher als im Film, wie sehr Meg Wolitzer im zwischen Erinnerungen und neuen Handlungselementen frei flukturierenden Schreibstil Philip Roth zwar nicht direkt nachahmt, aber doch mehrfach in seine Richtung weist. Auf der Innenseite meiner Ausgabe des Buches wird die Kritikerin Allison Pearson zitiert: »has you howling with recognition«. Ich glaube zwar, dass es in dem Zitat eher um maritale Synergien geht, aber ich konnte zwischen den Zeilen (und nicht nur thematisch) einiges an Philip-Roth-typischem (u.a. auch den jüdischen Background, der im Film fast verschenkt wird) entdecken, was aber gleichzeitig das große Vorbild nicht immer in glänzendem Licht erscheinen lässt (gerade in seinen späten Büchern tendiert Roth ja etwas zu Altherrenfantasien).
© SquareOne Entertainment / Graeme Hunter
So kommt in The Wife auch eine vergleichsweise weniger wichtige Figur namens Merry vor. So hieß ja Meredith Levov aus American Pastoral (1997) mit Spitznamen.
Im Film The Wife gibt es diese Figur nicht. Denn Merry stammt aus der Vergangenheit. Um zu verdeutlichen, dass Joseph Castleman ein unverbesserlicher Tunichtgut ist, nutzt man hier die gegenwärtige (das heißt hier 1992) Situation und hat ihm eine »offizielle« schwedische Fotografin (eine undankbare Rolle für Karin Franz Körlof) zur Seite gestellt. Die Trennung zwischen jetzt und damals ist im Film weitaus deutlicher markiert, natürlich auch, weil die Darstellung diverser Lebensalter im Film oft ein Problem darstellt.
Die großartige Lösung eines solchen Problems besteht darin, dass die junge Joan von Annie Starke gespielt wird, die zum Teil subtile Nuancen der Gesichtsmimik von Glenn Close mit einer beeindruckenden Leichtigkeit nachempfindet. Erst im Nachhinein habe ich erfahren, dass dies zum Teil auch daran liegen könnte, dass sie die Tochter von Glenn Close ist!
© SquareOne Entertainment / Graeme Hunter
Im Film-Stockholm taucht auch der Sohn David (Max Irons) der Castlemans auf, der Probleme der Vergangenheit in der Gegenwart an die Oberfläche hochköcheln lässt. Im Buch hat David komplett andere Probleme, die in der Erinnerung von Joan (sie ist die Erzählerfigur des Romans) auftauchen. Weil die Reihenfolge bei mir andersherum war, kann ich nicht recht beurteilen, ob man die Veränderungen für den Film als Kenner des Romans als enttäuschend empfindet. Aber für mich gilt ohnehin, dass mich der Film an sich nicht völlig vom Hocker riss, ich aber unbedingt die Romanvorlage lesen wollte. Und wenn ein Film dies schafft (wie etwa Serena, Ah-ga-ssi oder Angelica) und mich die jeweiligen Romanvorlagen von Ron Rash, Sarah Waters (Fingersmith) respektive Arthur Philips mehr überzeugten als die Verfilmungen, so war ich dennoch dankbar für die Anregung und dadurch - für meine Verhältnisse - milde gestimmt.
So verläuft es auch bei The Wife, der als Film einige Momente hat, dessen größter Verdienst aber darin besteht, dass ich den Roman sonst nie entdeckt hätte. Und Meg Wolitzer kann durchaus mit einigen der Werke von Philip Roth mithalten, zäumt nur seine typischen Themen mal von einer ganz anderen Richtung auf, was auch über den feministischen Ansatz hinaus bemerkenswert gerät.
Und Glenn Close, die seit Jahrzehnten im Schatten der zwei Jahre jüngeren Kollegin Kollegin Streep steht, bekommt mit dieser exemplarischen Rolle noch einmal die Chance, ganz groß rauszukommen. Und wenn ihr dieses Jahr die Streep nicht wie bei ihrer letzten Altersrolle in Albert Nobbs im Weg stand (Streep sahnte als Maggie »Iron Lady« Thatcher Globe und Oscar ab), so muss sie sich gegen Lady Gaga und Olivia Colman durchsetzen. Und ich befürchte, trotz allem #MeToo-Hypes könnte dies misslingen.