The Grudge
(Nicolas Pesce)
USA 2019, Buch: Nicholas Pesce, Kamera: Zachary Galler, Schnitt: Gardner Gould, Ken Blackwell, Musik: The Newton Brothers, Kostüme: Patricia J. Henderson, Production Design: Jean-André Carrière, Special Make-Up-Effects: Toby Lindala, mit Andrea Riseborough (Muldoon), John Cho (Peter Spencer), Demián Bechir (Detective Goodman), Zoe Fish (Melinda Landers), Betty Gilpin (Nina Spencer), William Sadler (Detective Richard Wilson), (Burke Muldoon), Lin Shaye (Faith Matheson), Frankie Faison (William Matheson), Jacki Weaver (Lorna Moody), Tara Westwood (Fiona Landers), Joel Marsh Garland (Detective Greco), Dave Brown (Sam Landers), Junko Bailey (Kayako), Duke / Bruno the Dog (Frank the Dog), 94 Min., Kinostart: 9. Januar 2020
Vielleicht ist es ein Irrglauben, aber die mit einer gewissen Regelmäßigkeit von Sony Pictures rausgehauenen Horrorfilme scheinen eine Mindestqualität zu haben, von der man beim Fantasy Film Fest oft nur träumt. Aktuelles Beispiel: ein neuer Anlauf für den 'Grudge', hochkarätig besetzt...
Wenn Filme erst kurz vor dem Startdonnerstag der Presse gezeigt werden (in diesem Fall etwa am Montag), dann tragen sie mitunter ein dunkles Geheimnis mit sich. Im Normalfall gibt es dann noch eine Sperrfrist (hier nicht), vor der man nicht über den Film berichten darf, und im Grunde geht es darum, ungünstige Mundpropaganda zu verhindern, die einen Filmstart zur Totgeburt machen kann - Obwohl, wenn ich an Cats denke, stimmt das heutzutage vielleicht auch nicht mehr. Viele Zuschauer wollen sich ihr eigenes Bild machen und verteidigen ihre Meinung bis aufs Blut gegenüber den bösen Kritikern (Lügenpresse!), die einfach die eigene Begeisterung nicht teilen wollen...
Vorweg: The Grudge ist als Horrorfilm eigentlich ziemlich gelungen. Ich hege nur den Verdacht, dass der Verleih (Sony Deutschland musste sich übrigens kurz vor Weihnachten um erstaunlich viele Neustarts kümmern, was auf seine Art auch die späte Pressevorführung erklärt) dem Publikum nicht zutraut, mit dem Film fertig zu werden. Was auch insofern eine gewisse Rechtfertigung dadurch erhalten könnte, dass man ja gerne Test Screenings von Filmen veranstaltet, um zu sehen, wie das Publikum reagiert. Und dann entsprechend reagiert, um gewisse »Makel« »auszubügeln«...
An dieser Stelle der wichtige Hinweis, dass ich nichts zu The Grudge recherchiert habe (hänge dermaßen in meinen Deadlines hinterher, dass ich einfach mal die Texte raushauen muss). Ich kenne nicht einmal den Originalfilm, und all mein Wissen und meine kühnen Theorien stützen sich darauf, dass ich mal vor zwei Wochen den Trailer des Films sah, jetzt den Film, und mir dann noch das Presseheft heruntergeladen habe, in das ich im Verlauf dessen, dass ich diesen Text schreibe, vielleicht noch mal reinschaue (zumindest für die Stabangaben).
Nachtrag: Im Presseheft werden tatsächlich viele kleine Details erklärt, die mir nicht einfach ohne weiteres aufgefallen wären, die man allerdings nur für einen Text zum Film nutzen kann, wenn man davon ausgehen kann, dass alle Leser den Film gesehen haben oder man ohnehin wirklich alles spoilen wollte.
Der Trailer erweckte bei mir den Eindruck, dass John Cho (Mr. Higgins aus Selfie, Mr. Sulu aus den Star-Trek-Filmen von J.J. Abrams, zuletzt etwa in Searching) hier die Hauptrolle spielt. Seine Einordnung bei imdb stützte diesen Eindruck nicht, und spätestens, wenn man den Film sieht, ist sonnenklar, dass er nur eine substantielle Rolle in diesem Film spielt, aber beispielsweise nicht einmal in den Pressebildern abgebildet ist.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Allen Fraser
Denn, und nun komme ich zum vermeintlich »dunklen Geheimnis« des Films: The Grudge wird nicht streng chronologisch erzählt, sondern springt in der Zeit vor und zurück und erzählt die Geschichte eines dunklen Fluchs auf eine Weise, die angetrunkene Horrorfans überfordern könnte. Es beginnt 2004 in Tokyo. Fiona Landers (Tara Westwood) hat in Japan seltsames durchgemacht (direkte Anbindung an den japanischen Originalfilm Ju-onvon 2003 bzw. das von Sam Raimi produzierte Remake von 2004) und freut sich auf die Rückkehr zu Mann und Tochter in den Vereinigten Staaten. Es wird vage angedeutet, dass die Wiedervereinigung nicht so freudig verlaufen könnte wie gedacht.
Zwei Jahre später. Die Hauptprotagonistin des Films, Muldoon (Andrea Riseborough aus Shadow Dancer oder Battle of the Sexes), wird eingeführt. Sie liebt ihren kleinen Sohn Burke, die beiden haben gerade ihren Mann und Burkes Vater an den Krebs verloren und sind umgezogen. Burke ist durch den Verlust etwas traumatisiert, aber die beiden haben einen gemeinsamen Trick: Wenn man sich fürchtet, schließt man die Augen und zählt bis fünf (fieser Trick, dass die böse Geister-Erscheinung, gegen die Muldoon später kämpft, durch diesen Trick fast noch unterstützt wird in ihrem bevorzugten Auftreten aus dem Dunkel). Außerdem ist sich Muldoon sicher, dass ihr ja, im Gegensatz zum verstorbenen Familienoberhaupt, nichts passieren kann (wie sie auch Burke versichert), denn sie ist ja ein Police Officer...
Wer sich ein kleines bisschen mit Horrorfilmen auskennt, weiß, dass Polizisten hier nur selten die Rettung bedeuten, sondern oft als Boost für den Body Count herhalten müssen.
Ich bin immer noch so in den ersten fünf bis zehn Minuten des Films, als Detective Muldoon ihren neuen Partner kennenlernt, und die beiden irgendwo in einem Waldstück eine schlecht erhaltene Leiche in gruseliger Körperhaltung finden, die offenbar schon zwei Wochen in ihrem Auto saß, unbeachtet, obwohl nur etwa zwanzig Meter entfernt von der gut befestigten Hauptstraße.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Allen Fraser
Detective Goodman (Demián Bechir), Muldoons Partner, erfährt von einer Verbindung zu einem früheren Fall, mit dem er vor ein bis zwei Jahren betreut worden war (der Name Landers fällt), und ist erstaunlich geneigt, den neuen Todesfall dem FBI zu überlassen.
Aber Detective Muldoon recherchiert weiter, betritt das gruselige Haus der Landers und trifft auf die Nachmieterin Mrs. Matheson (Lin Shaye, bekanntester Film: There's Something about Mary), und damit gleich den nächsten Fall, der irgendwie mit der toten Frau im Wald zusammenzuhängen scheint (ich unterschlage hier ein oder zwei Details, weil ich nicht die ganze Geschichte herunterbeten will, sondern die wichtigsten Protagonisten vorstellen will).
Von da aus springt der Film wieder ein Jahr zurück in die Vergangenheit und wir lernen Peter und Nina Spencer (John Cho und Betty Gilpin) kennen, Hausmakler, die sich auch um das Haus der Landers kümmern. Und die ziemlich schwangere Nina hat gerade erfahren, dass ihr ungeborenes Kind höchstwahrscheinlich einen Geburtsschaden haben wird.
Das Perfide bei The Grudge ist übrigens, das ganz konkrete Ehe- oder Familienprobleme mit psychologischer Tragweite sich Hand in Hand mit der Gruselgeschichte von einem Fluch entwickeln - aber diesmal gibt es da keinen konkreten Zusammenhang wie etwa bei The Babadook, sondern die Opfer werden durch diese Umstände nur interessanter.
Ich will sie nicht gleich Opfer nennen, aber zwei weitere, hochkarätig besetzte Figuren spielen noch eine Rolle im Film: William Sadler als Detective Goodmans früherer Partner Detective Wilson und Jacki Weaver als esoterisch bewanderte psychologische Stütze des Ehepaars Matheson.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Allen Fraser
Der Film verläuft jetzt so, dass Detective Muldoon recherchiert, was alles vorher im Haus Reyburn Drive 44 passiert war, während wir parallel (aber nicht immer konzertiert zu ihren Recherchen) erfahren, was Mrs. Matheson, dem Makler, der aus Japan zurückgekommenen Mrs. Landers und ihren jeweiligen Angehörigen zugestoßen ist.
Und man benutzt die nicht-chronologische Erzählweise, um die Spannung zu strecken, denn anstelle, dass wir hintereinander erfahren, wie unterschiedliche Personen mit dem Fluch in Berührung kommen, wie sie daran zugrunde gehen oder ihm entfliehen, sieht man manchmal bis zu vier Entwicklungen nebeneinander, und auch, wenn man beispielsweise den Namen der Toten im Wald recht früh erfährt und mehrere der Verbindungen sich recht offensichtlich zeigen, klappt das mit der Erzählweise schon ganz gut (vermutlich weiß man noch einiges mehr, wenn man den Originalfilm gesehen hat).
Viele Horrorfilme dieser Art laufen ja nach der Grundentwicklung, dass die designierten Opfer herausfinden wollen, nach welchen »Regeln« das Grauen fungiert, und oft hält sich die dunkle Macht dann nur eingeschränkt an diese Regeln (bestes Beispiel ist da vielleicht die Final-Destination-Reihe, aber auch bei den Ringu-Filmen oder One Missed Call - um beim japanischen Einfluss zu bleiben - läuft es so).
Mit dem ganzen Familienstammbaum habe ich mich gar nicht erst abgegeben. Schnöde Inhaltsangabe ist nicht mein Ding, und ob Jamie Lee Curtis jetzt die Schwägerin von Michael Shannon ist oder Chris Evans der Patensohn von Don Johnson, tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Der größte Vorwurf, den ich Rian Johnson für diesen Film machen kann, sind zwei oder drei Nebenfiguren, die irgendwie immer nur im Hintergrund herumscharwenzeln und aus Gründen, die mir nicht klar werden, nie auch nur ansatzweise vollwertige Verdächtige waren, darunter die großartige Komödiantin und Sängerin Riki Lindhome (Garfunkel & Oates, Ramona Nowotzki bei The Big Bang Theory), die hier komplett verschenkt wurde und dabei auch noch drapiert wurde, als wolle man einem die Frau als Spezies madig machen. Als Wiedergutmachung sollte sie in seinem nächsten Film die Hauptrolle spielen!
In The Grudge gibt es auch so eine Regel, an die sich Detective Goodman clevererweise hält, während man ansonsten mit ihr gut zwischen zwei Arten von Menschen unterscheiden kann.
Weiter gehe ich da nicht ins Detail.
© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Allen Fraser
Was ich an dem Film noch ganz interessant, wenn auch etwas penetrant finde, sind die Namen. Abgesehen von so Rollennamen wie Faith Matheson (Richard Matheson ist ein bekannter phantastischer Schriftsteller), Lorna Moody oder Detective Muldoon (Lorna Doone ist eine viktorianische Romanheldin, Moody eine Gemütsbeschreibung oder ein traumatisierter Wizard bei Harry Potter) spielt der Film auch noch im Örtchen Cross River und die Maklerfirma der Spencers heißt »Over the River«. Klang für mich alles reichlich wie der Fluss Styx, über den die Toten in der griechischen Mythologie übersetzen. Und Wasser in mehreren Formen (Dauerregen, Geisterwesen, die aus muffigen Badewannen steigen) spielt auch eine große Rolle im Film.
Ebenfalls etwas dick aufgetragen: Das Spiel mit Farben im Film. Sicher, es ist hübsch atmosphärisch, wenn beispielsweise das Hausinnere bei Detective Goodman in Gelbtönen mit leichtem Grünstich ausgeleuchtet ist, aber man kann es auch übertreiben. Andererseits war ja Sam Raimi einer der Produzenten des Films, und wer sich an das blutrote Finale seines Evil-Dead-Remakes erinnert, sieht hier eine gewisse Vorliebe, die er an die von ihm betreuten jungen Regisseure weiterzugeben scheint.