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Der Freitagabend begann für mich mit dem What's so Funny About?-Labelabend featuring Jens Friebe, den Woog Riots und dem Brockdorff Klanglabor. Meine Übellaunigkeit verhalf mir offenbar zu Objektivität, bin ich doch sonst bereit, die Jens Friebe Band toll zu finden, selbst wenn sie das Lüdenscheider Telefonbuch deklamieren würden. Aber das UT Connewitz, ein riesiges ehemaliges Kino mit ungefähr 18 Meter hohen Wänden läßt jeden Act wie eine Garagenband klingen, also sehr … roh. Man hört jedes Instrument einzeln sehr gut, die Band als Ganzes wahrzunehmen, fällt hingegen recht schwer. Friebes Glampop hört sich deshalb ein wenig derangiert und abgerockt an, ist mir aber gerade recht. Das Brockdorff Klanglabor besteht aus drei potentiellen Superstars, sehr fotogene, agile Menschen, die Achtziger-Elektropop spielen. Als Zugabe bringen sie „Some Girls are Bigger Than Others“, was süß ist, weil die Sängerin in der Tat sehr klein ist. Apropos klein: die Bassistin der Woog Riots halte ich für Silvana Battistis Tochter, muß mich aber korrigieren lassen – die vermeintlich Zehnjährige wird bald Dreißig, sorry dafür! Zeitgleich spielen in der Nachbarschaft Hidalgo, Crash Tokio, Delbo, Naked Lunch, Kate Mosh, Diario und Ostinato, ich hoffe sehr, daß die Wissenschaft bis 2007 in Punkto Klonen ein wenig vorangekommen sein wird oder ich etwas mehr abgestumpft bin und nicht mehr das Gefühl habe, alles Tolle zu verpassen. Später in „der Ilse“, also Ilses Erika in der Bernhard-Göring-Straße (NICHT HERMANN! wird von Touristen in betrunkenem Zustand oft verwechselt) sagen sich dann wieder Indie-Fuchs und Subkultur-Hase gute Nacht, aber erst morgens gegen Sieben. Bis dahin wird getanzt, gefachsimpelt und vor allem irrsinnig viel getrunken. Am darauffolgenden Samstag findet wie durch ein Wunder trotzdem die eigentliche Messe im Werk II statt, dieses Mal räumlich vergrößert durch eine Art Partyzelt, das an die Halle getackert wurde. Wie auch in den Jahren zuvor herrscht umtriebiges Gewusel, freundliche Menschen hinter ihren sozialistisch-gleichmacherischen Tapeziertischen verteilen Bonbons und Buttons, an den Downloadständen kann man endlich mal die dummen Fragen stellen, die man sich sonst nicht zu fragen traut (“äh, wie mach' ich das denn genau?“) und De:Bug verschenkt wieder im großen Stil die begehrten großen Hefte (die leider wie immer nicht in die Tasche passen). 120 Aussteller haben sich in diesem Jahr versammelt, darunter die üblichen lieben Bekannten wie Kitty-Yo, Hazelwood Vinyl Plastics, Tapete, undsoweiter undsofort. Motor Music ist nach einem kurzen Gastspiel in 2005 nicht mehr dabei, wahrscheinlich hat die Geschäftsleitung mal kurz über ihren „Indiestatus“ nachgedacht und ist zu dem Schluß gekommen, daß man auf der Popkomm doch am Besten aufgehoben ist. Mit Simone Dubberke von bb*island kann ich noch mal in aller Ausgiebigkeit um Grant McLennan trauern, schließlich waren die Go-Betweens seit kurzer Zeit auf diesem Label angekommen.
Robert Stadlober (ja, der!) präsentiert sein Label Siluh Records und trinkt am Stand geschätzte vier Flaschen Rotwein. Dementsprechend lustig sieht er im Lauf der Zeit aus, aber am Abend hat er bestimmt noch eine Lesung gemacht oder den Hamlet gegeben. Die Foren geraten einmal mehr zu reinen Herrenrunden, was ja nicht das schlimmste wäre, wenn wenigstens spannende Dinge verhandelt würden. „Landunter im Themenpark“, diskutiert von Markus Hablizel und Stephan Glietsch von der Spex, einem Promomann von Verstärker, Patrick Wagner (ehemals Kitty-Yo, jetzt Louisville Records) und noch wem ist allein dadurch goutierbar, daß Hablizel und Glietsch echte Profis sind – und zumindest rhetorisch dafür sorgen, daß man nicht sofort in Tiefschlaf fällt. Außerdem ist das Thema gut, vieles gäbe es noch dazu zu sagen, wer wann warum und wo besprochen wird; über das Zusammenspiel der Promoagenturen und Magazine, die Vorlieben der Redakteure und die Erwartung der Leser … aber schon ist es 16.00 und „I Bet You Look Good on Our Coverstory“, das letzte Messeforum, steht an. Klang eigentlich super, war aber derart zäh und nullinformativ, daß ich mich bald verkrümelte. Wer war dabei? Auf jeden Fall Thomas Venker und Felix Klopotek, Rest vergessen. Aber auch wieder nur Typen. Also wenn das nicht anders läuft im nächsten Jahr, dann … weiß ich auch nicht, habe aber kaum noch Hoffnung auf Besserung beziehungsweise Veränderung. Ein Blick in die Halle zeigt jedoch, daß die Indieszene aus Millionen Frauen besteht, die entweder selbst Musik machen, Musik präsentieren, verkaufen, designen, über Musik schreiben – aber offensichtlich nicht gern darüber reden, sondern lieber handeln.
In Halle 5/Werk II wird unterdessen seit 13.00 gerockt, im Gedächtnis haften geblieben sind Sui und Bikini Machine, zu beiden Bands an dieser Stelle bald mehr. Abends spielen im Conne Island, diesem Flaggschiff alternativer Jugendkultur Annika Line Trost, Motormark und Stereo Total – alle drei Acts werden frenetisch gefeiert, als wäre in diesen Teil Leipzigs vorher noch keine Band gedrungen. Spät fällt mir auf, daß dieses Dreierkonzert gar keine (Popup-Veranstaltung ist – das verstehe, wer will. Jetzt aber hurtig wieder in die „Ilse“ zum Mini-Monsters-of-Spex mit Amusement Parks on Fire und Epo-555; leider wird mein poprockiger Enthusiasmus jäh gebremst: die Ilse ist knallevoll, niemand darf mehr rein. Ok, dann halt kurz in mein Zimmerchen, kleine Pause, Make-up-auffrischen, Ilse hat schließlich die ganze Nacht über geöffnet. Das Ende vom Lied und von (meiner) (Popup: ich schlafe vorm Fernseher ein, bekomme gerade noch mit, daß die finnische Band Lordi den European Songcontest gewonnen hat – mein letzter Gedanke vorm Einschlafen muß gewesen sein: „Es geht um Inhalte“. Genau. * (auch um den meiner Handtasche)
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