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Mai 2007 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Die Eisprinzen
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Photo Credit: Melinda Sue Gordon © 2007 DREAMWORKS LLC. |
Filme, die auf einen bestimmten Komiker zugeschnitten waren, gab es schon immer, ob dieser Komiker Jerry Lewis, Steve Martin oder Adam Sandler hieß. Seit einiger Zeit gibt es aber eine ganze Schwemme von Filmen um je zwei Komiker, bei denen aber diese Komiker immer mal wieder ausgetauscht wurden. Ich meine Filme wie The Wedding Crashers (Owen Wilson & Vince Vaughn), Dodgeball (Vince Vaughn & Ben Stiller), Starsky & Hutch (Ben Stiller & Owen Wilson, Vince Vaughn in Nebenrolle), Shanghai Knights bzw. Shanghai Noon (Owen Wilson & Jackie Chan), Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby (Will Ferrell & Sacha Baron Cohen), Envy (Ben Stiller & Jack Black) und Tenacious D. Diese Filme präsentierten ihre Hauptdarsteller entweder als Rivalen bis aufs Blut oder als Buddies (teilweise auch mit homoerotischen Andeutungen), mitunter gab es auch Mischformen, am auffälligsten war aber, daß ein langsam wachsender Kreis von Freunden offenbar auch einen Riesenspaß bei den Dreharbeiten hatte, und wenn es dabei noch erquickliche Besucherzahlen gab, umso besser. In Einzelfällen gibt es auch einen Komiker im Scheinwerferlicht, mit diversen (teilweise weniger bekannten) Kollegen als Unterstützung (Anchorman, The 40 Year Old Virgin, School of Rock), und wer sich die Mühe macht, Nebendarsteller, Drehbuchautoren, Regisseure und Produzenten dieser Filme miteinander zu vergleichen, wird erstaunliche Übereinstimmungen finden, insbesondere wenn er oder sie im Gegensatz zu mir auswendig weiß, welche Darsteller aus dem Dunstkreis von Saturday Night Live oder der Actor’s Gang stammen, jener Theatergruppe um Tim Robbins (ja, jener ernsthafte Oscar-Gewinner und Regisseur, der beispielsweise bei Anchorman und Tenacious D - The Pick of Destiny als seltsamer Bösewicht auftaucht).
Der neueste Vertreter dieser “Schule”* heißt Blades of Glory, und verbindet das Rivalen-Subgenre aufs vorzüglichste mit einem andeutungsreichen männlichen Eislauf-Paar, bestehend aus dem mittlerweile etaiblierten Will Ferrell (der hier teilweise wie Jack Black agiert, insbesondere auch was seinen plötzlich materialisierten Bauch angeht) und dem Newcomer Jon Heder (Napoleon Dynamite, Just like Heaven), der diesmal übrigens nicht dauernd “Gosh!” oder “Awesome!” ruft, sondern teilweise (etwa bei seinen künstlerischen Darbietungen auf dem Eis) erstaunliches Talent zeigt.
Wir lernen die beiden Eiskunstläufer bei den Winterspielen (ungeachtet einiger Pressetexte ist es sehr offensichtlich, daß die Filmemacher die olympischen Ringe oder ähnliche Schutzmarken im Film nicht verwenden durften) kennen, wo sie ihren sehr unterschiedlichen Stil präsentieren. Jimmy MacElroy (Jon Heder) ist der filigrane Kinderstar, der immer noch mit Püppchen-Blondschopf auftritt, und zum Pfau staffiert teilweise wie eine Parodie auf David Bowie in den 1970ern wirkt. Chazz Michael Michaels (Will Ferrell) hingegen ist ganz Macho (à la Meat Loaf), ihm fliegen die Frauenslips in LKW-Ladungen entgegen, und er inszeniert sich wie ein Pornohengst (nebenbei erfahren wir, daß er der einzige erfolgreiche Eiskunstläufer ist, der auch mal einen “Adult Film Award” bekam). Als die beiden sich nach exakt deckungsgleichen (pun intended) Juroren-Noten die Goldmedaille teilen sollen, kommt es zur Schlägerei und zum Eklat (unter anderem fängt das Maskottchen der Winterspiele Feuer). Der Sieg wird beiden aberkannt, sie dürfen lebenslang nicht wieder in ihrer Sportart konkurrieren, und Jimmys Adoptivvater (William Fichtner), der ihn entdeckte, als er als Fünfjähriger einen dreifachen Lutz auf dem gefrorenen Teich eines Waisenhauses vorführte, enterbt den nunmehr Unnützen auf der Stelle, lässt die Limousine an den Strassenrand fahren und ihn entfernen.
Dreieinhalb Jahre später, kurz vorm Anmeldeschluß der nächsten Winterspiele, stellt sich heraus, daß die beiden zwar nicht mehr als Solo-Eisläufer auftreten dürfen, sehr wohl aber im Paar. und da die allermeisten Eiskunstlaufpaare über Jahre zusammenhalten und sich dabei nicht mal eben talentierte Partnerinnen aufgabeln lassen, geschieht das unfassbare: die einstigen Todfeinde schließen sich zusammen und treten als erstes rein männliches Eislaufkunstpaar auf. Kommentar eines auf der Strasse interviewten: “As if figure skating wasn’t gay enough!” Womit die Prämisse für unzählige Gags gegeben ist.
Während im Drehbuch durchaus einige richtige Handlungstränge entworfen werden (ein konkurrierendes Bruder-Schwester-Paar zwingt die kleine Schwester, Zwietracht zwischen die beiden Jungs zu bringen, außerdem versuchen Jimmy und Chazz, ein sagenumworbenes Einstkunststück namens Black Lotus zu perfektionieren, das bisher nur in Nordkorea ausprobiert wurde und wie eine Mischung aus Hammerwurf und Enthauptung durch Schlittschuhe - zumindest, wenn es schief geht - aussieht), liegt der Hauptakzent natürlich ganz auf dem parodistischen Element. So gibt es eine Schlittschuhdarbietung, die die Tode von John F. Kennedy und Marilyn Monroe nacherzählt, die rein männlichen Darbietungen zeichnen sich durch diverse an homosexuelle Handlungen erinnernde “Nummern” aus und so weiter. Doch der Verdienst des Films ist nicht nur, daß die beiden Hauptfiguren (und ihre Darsteller) sich hervorragend ergänzen, sondern vor allem, daß das Thema Eiskunstlauf trotz allem sehr ernst genommen wird. Alles ist over the top, aber dennoch sehr nah an der Realität dieses seltsamen Sports. Die Choreographie, die Kostüme und die Musik von Chazz und Jimmy sind ganz auf die beiden Figuren abgestimmt, und wenn der machomäßige Rocker und der filigrane Klassiker ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten für den Paarlauf vereinigen müssen, dann gibt es beispielsweise den Flash Gordon-Titelsong von Queen dazu, die kongeniale Mixtur aus Rockbombast und klassischer Orchestermusik.
Die Musik ist generell sehr gut ausgewählt (u. a. Aerosmith, Strokes, aber auch mal Marky Mark), und innerhalb des eingangs beschriebenen Subgenres der Buddy Movies ist Blades of Glory zwar kein Klassiker, aber überdurchschnittlich gelungen und für unzählige Lacher gut. Trotz der überflüssigen Toilettenszene.
*Vielleicht sollte ich wie ein ernsthafter Kritiker dafür einen gängige Schublade erfinden, wie wär’s mit der “L’ecole Leckmich”? [bitte mit schlechtem französischen Akzent aussprechen] Und man könnte auch nach Frühformen forschen, wobei man sicher auf die Farrelly-Brüder stoßen würde …)
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