Seinem Namen alle Ehre macht das Magazin
TRUST, wenn es in seiner 96. Ausgabe ein schickes Kirchenfenster aufs Cover packt. Innen drin erwartet uns zum Glück aber gewohntes: Die
Beatsteaks plaudern aus ihrem Tourtagebuch und Kollege Klingenberg erzählt vom Drogenentzug. Der Rest sind gut geführte Interviews und fundierte Rezensionen. Alle zwei Monate neu.
Dank Kultursponsoring kommt die Nr. 2 von LITERATUR MACHEN äußerst edel daher. Die Texte tauchen ein in Silber und Weinachten Violett. Unnötiger Luxus mag da manch Fanzinemacher rufen, konzentrieren wir uns deshalb noch mal kurz auf den Inhalt. Geboten wird Literatur von jungen Menschen, die in den Schreibwerkstätten des Literaturhauses Stuttgart entstanden ist. Doch die MacherInnen beschäftigen sich auch mit ihren Kollegen, so werden das Werk von Ulrich Peltzer, Kathrin Röggla und Luke J. Wilkins vorgestellt. Insgesamt ein schönes und durchdachtes Kunstwerk.
Mit etwa 140 Seiten wieder einmal der fetteste Brocken in dieser Runde: SYNTAX ACUT Nr. 2. Der Zusammenschluss mehrerer Literaturzeitschriften und Literaturzirkel beschäftig sich diesmal u. a. mit sprachlichen Hybridformen, wie sie zum Beispiel auf Hawaii entstanden sind. Nach so viel Theorie gibt es Primärliteratur satt in allen nur erdenklichen Formen und von hoher Qualität. Erwähnenswert sind da allemal die Hörspielvorlagen der Gruppe Lahnbeat und auch Kollege Bröker arbeitet weiter an seinem ehrgeizigen Plan, in möglichst vielen Literaturzeitschriften vertreten zu sein.
Gleich zwei Ausgaben des genialen Musikmagazins OX liegen auf meinem Schreibtisch, wollen endlich weitergelesen werden und beiliegende CDs gehört werden. Das Highlight der Nr. 48 waren für mich das Spezial zum 25jährigen Punkjubiläum in D-Land. Da darf natürlich ein Interview mit Family 5/Fehlfarben Mitgliedern genauso wenig fehlen, wie ein Gespräch mit Fabsie vom Weserlabel, das es nun auch schon 20 Jahre lang gibt. Nach so viel Nostalgie wenden wir uns mit OX Nr. 49 wieder der Gegenwart zu. Sehr erfreut war ich über die Interviews von solch großartigen Bands wie Radio 4 und Hot Water Music. Aber auch Platten- und Konzertjunkies kommen voll auf ihre Kosten. Nicht wenige der insgesamt über 150 Seiten sind mit Infos und Rezensionen gefüllt. Trotz des Erfolges und Kioskgang des Magazins ein intelligentes und kritisches Musikmagazin.
Nicht von den posenden Damen und dem Untertitel "Fachzeitschrift für moderne Damen- und Herrenmode" abschrecken lassen – der ENPUNKT ist und bleibt unser allerliebstes Egozine. Klaus N. Frick schreibt in der #38 über die derzeit vorherrschende BILD-Politikpropaganda und über die Ablenkung wahrer Probleme durch "Aufdeckung" immer neuer "Sozialschmarotzer". Gleich im Anschluß erhält Rudi Scharping eine Würdigung seines Lebens, wie sie eben nur ein einem wahren Punkrockerfanzine stehen kann. Bunt geht es weiter: Die rechte Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT hat das ENPUNKT recht ausführlich besprochen, was Klaus natürlich zu recht ärgert. Lustig dagegen die Verbalattacken gegen Dorfmetaller aus Ilsede bei Peine und der Bericht zur jüngsten EuroCon in Prag, einem Science Fiction Kongress.
Auch von der PLASTIC BOMB liegen gleich zwei Ausgaben vor, was allerdings auch belegt, dass wir mit unserem Heft in zeitlichen Rückstand geraten sind. Die Nr. 40 hat wie jede Ausgabe eine Gratis-CD mit an Bord, auf welcher auch die putzigen Jesus Skins mit einem Stück vertreten sind, die lieber mit "77" den lieben Gott grüßen, statt auf "88" – Nazischrott zu stehen. Nach so viel Religion habe ich mich auf das Interview mit Bernadette la Hengst (von wegen das PLASTIC BOMB ist ein stumpfes Nietenpunkzine) und auf den Bericht zur vielbeachteten Zurück zum Beton Ausstellung gestürzt. Besonders beachtenswert in der #41 fand ich auch die Interviews mit Turbostaat und Extrabreit, aber besonders das mit Billy Bragg, der ausführlich über mögliche moderne Formen des Sozialismus plaudert.
Nach längerer Pause liegt nun endlich die Nr. 2 des STARFUCK Magazins aus Berlin vor, welches nun regelmäßig erscheinen soll. Was ist passiert? Die Artikel sind kürzer geworden, es wird neben Musik und Israel auch viel über Mode geplaudert bzw. Kostproben junger "avantgardistischer" Mode abgebildet. Sorry, aber das geht mir ziemlich am Arsch vorbei. Aber ruhig mal antesten, vielleicht könnt Ihr ja mehr damit anfangen?
Gegenstand der Zeitschrift KULT ist einzig und allein die Literatur. Das kann ein Artikel über Friedrich Schiller genauso sein wie Texte aus dem sog. literarischen Underground. Die Nr. 16 bietet witziges (von Matthias Burki), Abgedrehtes (Augusta Laar) oder einfach nur Informatives (über das 4. Internationale Charles-Bukowski-Symposium in Andernach). Meister Karl-Heinz Schreiber füllt den Rest mit vielenvielen Rezensionen und legt sogar noch das Lyrikmagazin DULZINEA #2 als Gratisbeilage mit drauf.
Mittlerweile ist auch die 3. Ausgabe der DULZINEA erschienen. Das Heft beschäftigt sich ausschließlich mit Lyrik, d.h. es druckt sie ab. Freunde der Sekundärliteratur sollten hier wohl besser die Finger von lassen. Besonders begeistert haben mich die genialen Grafiken bzw. Gemälde und die lustige (aber auch tiefsinnige) Haiku-Rubrik. Der Rest passt in die Schublade: Für jedeN etwas dabei …
TRYSTRO schafft es auch in seiner Ausgabe vom Herbst 2002 mich zu begeistern. Vieles dreht sich in dieser Ausgabe um den Krieg gegen den Irak, der bis heute (03.02.03) noch nicht begonnen hat. Durchleuchtet werden "Die Neuen Kriege" in ernsthaften Essays, aber auch in Satire. Da gibt es (falsche) E-Mails von deutschen Soldaten in die Heimat, die sich so ihre kranken Gedanken über Afghanistan und seine BewohnerInnen machen. Sehr schön auch die kleine Reihe mit berühmten Popliteraten, die gerne zu den Kriegsschauplätzen dieser Welt reisen, dort aber auch schnell umkommen. Mal sehen wer überbleibt! Der Rest im Schnelldurchlauf: Franz Dobler über Johnny Cash, Der Ventil-Verlag im Portrait, sehr gute Rezensionen u.v.a.m.
Ein ganz besonderer Schatz ist die Nr. 9 von DER SANITÄTER, der sich ausschließlich mit Texten über Allen Ginsberg beschäftigt. Eine phantastische Sammlung von Huldigungen für den wichtigsten Lyriker des 20. Jahrhunderts. Versammelt sind Texte von Freunden, Kennern und Verehrern (u. a. W.S. Burroughs, Lawrence Ferlinghetti, Hadayatullah Hübsch, Jürgen Ploog, Anne Waldmann oder Gregory Corso). Es sind gute Wünsche für sein Leben nach dem Tod genauso vertreten, wie ernsthafte Auseinadersetzungen mit Werk und Einfluss des 1997 verstorbenen Ginsberg. Einer der schönsten Texte stammt von Patti Smith, der folgendermaßen endet: Oh Allen Allen Ginsberg / schau was Dir gelang / schau Allen / was dir gelungen ist / Du hast uns von überall / her aufgenommen / und uns // zusammengebracht
Jedes Jahr im Herbst gibt es zumindest einen erfreulichen Griff in den Briefkasten. Dann nämlich, wenn die Jahresschrift PHOBI trübe Herbstgedanken verstreut. Die AutorInnen und GestalterInnen der Nr. 8 aus dem Jahr 2002 beschäftigen sich mit dem Thema SCHÖNHEIT. Subjektiver geht’s wohl nicht, höre ich Euch da rufen. Und Ihr habt natürlich recht. Von der Schönheit gibt es mindestens genauso viele Vorstellungen wie es Texte im PHOBI gibt.
Angefangen von den erotischen Sätzen eines Ralf Burnicki, über Comics von "Mopsquetschen" bis hin zu einer Dokumentation über junge körperbehinderte Menschen, die sich für eine Fotoausstellung einmal nicht auf die Reduzierung ihrer Behinderung hin haben fotografieren lassen. Insgesamt ein Kunstwerk, dass auch ruhig außerhalb des Herbstes gelesen werden darf.
In der 6. Ausgabe der BILDSTÖRUNG dreht sich alles um "Sprache". Nun ehrlich gesagt, sollte das bei einer Literaturzeitschrift immer so sein! Die Stärke des kopierten Heftes liegt für mich ganz klar in der Lyrikauswahl. Sehr gut z. B. die Zeilen von Roland Klein, der in seinem Gedicht (Vorbei mit) Moderne Zeiten bitter schreibt: Das Drehen im Kreise / ist ungerichtete Bewegung / in gewisser Weise / Der kluge / Kopf / packt die Gefahr am Schopf / Gefahr erkannt / Gefahr gebannt / Auf dem herrlichsten / Zivilisationsolymp / ein Geistesblitz / AUSCHWITZ!
Seit über fünf Jahren gibt es nun schon die Gruppe hinter dem Magazin LIBUS, die kulturell sicher keine Grenzen kennt. So gelingt es Ihnen mit dem Sänger von Moonspell einen intelligenten Gespächspartner zu finden, was nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit bei einer Metalband darstellt. Große Literatur bieten dann einige Seiten weiter HEL Toussaint und Hadayatullah Hübsch, die sich Vierzeiler wie PingPong-Bälle zuspielen. Ein schönes Hobby, besonders wenn man es so gut wie die beiden kann. Doch auch Theater- und Filmfreunde kommen voll auf ihre Kosten. Unverzichtbar auch der Rezensionsteil.
SOL ist das Magazin der Perry Rhodan Fanzentrale, welches sich in seiner Nr. 28 fast ausschließlich mit der neuen PR Comicserie und der Entstehung von Grafiken für die SF-Heftserie beschäftigt. Ich habe das Heft gerne gelesen, ohne übrigens auch nur einen einzigen PR-Roman gelesen zu haben! Manchmal macht es eben Spaß, einen Einblick in eine völlig fremde Welt zu erhalten. Trotzdem bitte ich darum, von der Zusendung von Fußballmagazinen, der BÄCKERBLUME, GALA oder Modeheften auch zukünftig abzusehen …
Gleich drei Ausgaben von DAS DOSIERTE LEBEN wollen besprochen werden. So viele Heft und doch so wenig Platz … In der Nr. 25 lassen sich die Herausgeber feiern bzw. feiern sich auch selber, was sie aber eigentlich immer tun. Ich kenne kein Heft, welches so oft die eigene Geschichte erzählt wie DDS. Doch vermutlich gehört dies zum Dosismus-Konzept dazu. Auf jeden Fall dazu gehört der Kampf um den Erhalt der Getränkedose, weshalb auch die im Frühjahr 03 erscheine #29 selber eine Dose sein wird. Sehr witzig fand ich auch die Idee zur Nr. 26. Dort wurde 26 AutorInnen jeweils ein Buchstabe des Alphabets zugelost und diese mussten dann eine Doppelseite über "ihren" Buchstaben verlieren. Ein schönes Heft, dass allerdings der großen Öffentlichkeit verschlossen bleiben wird, da nur 52 Exemplare in den Umlauf gebracht wurden. DAS DOSIERTE LEBEN Nr. 28 schließlich ist das erste Fanzine, für das Ihr beim Erwerb noch Geld erhaltet: Der Preis beträgt ganze MINUS 0,05 EUR … Den Inhalt des sechsseitigen Heftes habe ich allerdings nicht verstanden. Außerdem fühle ich mich betrogen, habe ich doch als Pressevertreter kein Geld zum Heft erhalten …
Aus der Schweiz kommt das Vereinsblatt des VEREIN AUTONOME KULTUR WERKSTATT (AKW) und erscheint monatlich. Es besteht hauptsächlich aus sozial engagierten Kurzgeschichten, Artikel über ökologische und soziale Einrichtungen und bietet die Möglichkeit Jobs zu finden und zu suchen. Ein interessantes "Selbsthilfeprojekt" für Konsumverweigerer.
WIE ES IST ist eine neue Braunschweiger Literaturzeitschrift, welche kostenlos verteilt wird bzw. ausliegt und sich durch Werbung finanziert. Die Dezember Ausgabe des letzten Jahres brilliert vor allem durch die skurrile Kurzgeschichte Synchronschwimmen für Fortgeschrittene von Johannes Temeschinko und durch einen kleinen "Wie zeichne ich eine Katze"-Workshop von Dave Kelly. Auch Nicht-Braunschweiger sollten sich das dünne Heft ruhig mal reintun.
Die krasseste Mischung aus staatlich geförderter Kultur und sog. Subkultur bietet immer noch das MY WAY. Die Nr. 54, die im 18. Jahrgang erscheint beschäftigt sich in seiner Titelstory mit der Völklinger Hütte, einem Europäischen Zentrum für Kunst und Industriekultur. Dort läuft noch bis zum 16. März 2003 eine Ausstellung zu Leonardo da Vinci, über dessen Genialität man angesichts seiner Waffenerfindungen sicherlich streiten kann. Großartig der Artikel über den Polizisten Detlef Hjuler, der in seiner Freizeit experimentelle Musik produziert und verlegt.
Nach längerer Zeit flatterte auch mal wieder eine Ausgabe vom BETONBRUCH ins Haus. Versammelt sind gute und mal weniger gute Texte, die sich mal reimen und mal auch nicht. Bei den meisten Texten habe ich jedoch das Gefühl, sie wurden nicht wirklich zu Ende geschrieben, sondern werden erst einmal zur Diskussion gestellt. Aber schöne Ideen sind auf jeden Fall dabei. Wer auf feine elektronische Musik steht, sollte aber auf jeden Fall zugreifen, da dem Heft eine limitierte CD von Krankheit der Jugend Mitglied D. Werk beiliegt.
Auf die neue Ausgabe der HÄRTER, die auch diesmal in Fusion mit der RUDE LOOK erschien, möchte ich nur ganz kurz eingehen und ganz besonders erwähnen, dass ab Mitte Februar unter www.subh.de eine längere Rezension vom Kollegen Klingenberg dazu zu lesen ist. Das Heft könnt Ihr aber auch blind kaufen, denn es ist sehr gut!