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November 2006 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Ein gutes JahrÜber diverse Multi-Millionen-Dollar-Projekte wie Kingdom of Heaven oder Black Hawk Down vergisst man schon mal, daß Ridley Scott, der Regisseur hinter Alien, Blade Runner, Thelma & Louise und über 3.000 Commercials, zwischendurch auch gern “kleinere” Filme inszeniert, wie Someone to watch over me oder zuletzt Matchstick Men. Zusammen mit Russell Crowe, seinem Star aus Gladiator, hat er nun einen kleinen Film über einen Londoner Börsenhai gedreht, der seine Kindheit in der französischen Provence wiederentdeckt - und nebenbei noch etwas anderes …
Das Beste am Film ist schon mal, daß man ihm nicht einfach ein Etikett aufdrücken kann. Die Produktion von A Good Year scheint zwar vom unerwarteten Erfolg von Sideways begünstigt, doch das Genre “Weinkomödie” ist noch nicht gefestigt, und für eine “Romantic Comedy” spielt Crowes Partnerin Marion Cotillard (Jeux d’enfants, Big Fish) eine viel zu kleine Rolle. Dadurch, daß aus Big Fish außerdem Albert Finney übernommen wurde, färbt sich der Film schnell ein wenig nostalgisch, doch es scheint, als ob Scott dieser Tendenz absichtlich gegenwirkt, indem er etwa Filmausschnitte aus Les vacances du Monsieur Hulot und Mon Oncle einstreut und einen Hund Tati nennt, aber ein Tennismatch zwischen zwei doch eher älteren Herren wie einen Gladiatorenkampf mit einigen Spezialeffekten schneidet, was mir zunächst ebenso wie einige lahme Scherze auf Kosten eines Kleinwagens ziemlich gegen den Strich geht. In puncto Komödientiming, welches sogar im Dialog zum Thema wird, könnte Scott bei Jacques Tati oder Alexander Payne (und Russell Crowe bei Paul Giamatti) noch einiges lernen. Doch diese Schwächen zu Beginn des Films macht Scott gegen Ende durch die ansteckende Menschlichkeit des Films wieder gut. Daß der Börsenmensch zum Besseren bekehrt wird, ist weder interessant noch überraschend, doch die Personen um Herrn Crowe herum lassen einen diesen fast vergessen. Daß Marion Cotillard ungefähr gleichaltrig wie Crowe sein soll, ist ein großes Manko in der Besetzung, daß die sympathische Darstellerin aber wieder wettmacht, denn als Zuschauer muß man die Besetzung von Crowe wie eine bittere Pille dafür schlucken, daß man neben Albert Finney, Abbie Cornish (Somersault) oder Tom Hollander (Mr. Collins in Pride & Prejudice) in kleinen Rollen etwa Freddie Highmore (Charlie and the Chocolate Factory), Valeria Bruni Tedeschi oder Archie Panjabi (Yasmin, Bend it like Beckham) wiedersehen darf. Nebenfiguren wie das französische Weinbauerpaar mit dem etwas verschusselten Vater wirken wie die Sonne über Frankreich in einem Smart-Werbefilm, und egal, wie sehr man der Familie Scott ihre Vergangenheit nachtragen will (und beim kleinen Bruder Tony Scott fällt es einem als Kritiker weitaus leichter, nahezu jeden Film in der Luft zu zerreissen), dieser Film hat zu viele wirklich schöne Momente (größtenteils, aber nicht nur aufgrund seiner Nebendarsteller), um ihn wegen einiger Kleinigkeiten zu hassen. Auch bei Kingdom of Heaven haben mich Alexander Siddig, Edward Norton, David Thewlis und Brendan Gleeson den gelackten Orlando Bloom vergessen lassen, und wenn man zur Produktion solcher Filme diese langweiligen Superstars braucht, so will ich mir das gefallen lassen, solange es am Wegesrand genügend wilde Blumen zu betrachten gibt. |
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