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11. Februar 2012 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||
Alle Terminangaben sind sorgfältig abgetippt, aber ohne Gewähr. Die Filme werden immer unter dem Titel aufgeführt, unter dem man sie im offiziellen Berlinale-Katalog findet. |
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Frankreich / Spanien 2011, Int. Titel: Farewell My Queen, Buch: Gilles Taurand, Benoit Jacquot, Lit. Vorlage: Chantal Thomas, Kamera: Romain Winding, Schnitt: Luc Barnier, Musik: Bruno Coulais, Kostüme: Christian Gasc, Valérie Ranchoux, mit mit Léa Seydoux (Sidonie Laborde), Diane Kruger (Marie Antoinette), Virginie Ledoyen (Gabrielle de Polignac), Noémie Lvovsky (Madama Campan), Julie-Marie Parmentier (Honorine), Lolita Chammah (Louison), Michel Robin (Jacob Nicolas Moreau), Xavier Beauvois (Louis XVI), Marthe Caufman (Alice), Vladimir Consigny (Paolo), 100 Min.
Juli 1789, die letzten Tage vor der Französischen Revolution. Aus der Sicht von Sidonie Laborde (Léa Seydoux), einer Bediensteten in Versailles, die manchmal das Glück hat, Marie Antoinette etwas vorzulesen, erleben wir die Tage der Ungewissheit. Der König wurde mitten in der Nacht geweckt, zunächst weiß keiner, warum, dann verbreiten sich die Gerüchte vom Sturm auf die Bastille, von einer Liste von 286 Köpfen, die rollen sollen. Quer durch die Hierarchien macht man sich sorgen, ob man selbst in Gefahr ist, ob man nur ein unbedeutendes Sandkorn ist, dass die Mühlen der Geschichte nicht weiter aufhalten wird.
Darüber hinaus erzählt der Film, entstanden nach einem Roman, aber auch die Geschichte der Liebe Sidonies zu ihrer Königin (Diane Kruger), die zwar kaum den Überblick darüber behalten kann, wer sich gerade im Raum befindet oder wem sie die letzten zwei Befehle gab, die aber auch eine gewisse Zärtlichkeit in sich hat, von der nicht nur ihre besondere Freundin Gabrielle de Poignac (Virginie Ledoyen) profitiert, sondern auf die auch Sidonie hofft. Und sei es nur, dass die Herrscherin ihr ein Balsam aufträgt, weil sie über Mückenstiche klagt (»Gemeine Moskitos«).
Der Film kommt zunächst ein wenig schwerfällig in Gang (für Berlinale-Eröffnungsfilme nichts besonderes), und als Zuschauer muss man erst mal erkunden, worum genau es bei diesem hochtrabenden Thema eigentlich geht. Anzeichen einer Rattenplage häufen sich, ausgelebte Sexualität und Hedonismus (ebenfalls durch alle Klassen und Hierarchien) drängen sich in den Vordergrund (immerhin handelt es sich um den einzigen Teddy-Beitrag des Wettbewerbs, auch wenn man diesen Film bedenkenlos jeder 12jährigen vorspielen könnte). Und zunächst scheint es auch um die Lebensumstände zu gehen. Jeder Tag beginnt damit, dass Sidonie geweckt wird, die Hygienezustände werden eher kryptisch umschrieben (Duftwässerchen scheinen wichtiger als Wasser und Seife), doch spätestens, nachdem Sidonie hinfällt und Kleid und Unterrock einsaut, wo sie doch zur Königin gerufen wurde, selbiges Kleid aber ohne die geringste Erklärung wenige Szenen später wieder in akkuratem Zustand zu sein scheint, ahnt man, dass dies vielleicht ein Anliegen des Romans gewesen sein könnte, sich Regisseur Jacquot (Villa Amalia, L'intouchable) aber darum kaum weniger kümmern könnte.
Und so leidet der Film ein wenig unter seiner Fahrigkeit und seinem Bestreben, alle tieferen Einsichten irgendwie innerhalb des Informationsstand der tiefrangigen Angestellten zu verankern (die einiges überhört, erstaunlich clever investigiert und lauscht und durch Zufall sogar ihre Vorgesetzte unter Druck setzen kann). Letztendlich macht das aber alles Sinn, weil der Moment, auf den der ganze Film hin geschrieben und inszeniert wurde, dann aber doch ein ganz großer Filmmoment ist, der auch die Existenzberechtigung des Streifens liefert.
Hauptdarstellerin Léa Seydoux (auch im Wettbewerbsbeitrag von Ursula Meier, L'enfant d'en haut) trägt den Film trotz allen Kostümprunks mit jugendlicher Frische und intimer Nähe, gerade die anderen jungen Frauen des Dienstpersonals (aber auch Michel Robin als Monsieur Moreau) unterstützen sie gut, und sogar Diane Kruger, die ich persönlich meist ziemlich belanglos finde, bietet eine ihrer besten Leistungen, bei der sie sogar an Kirsten Dunst (Marie Antoinette) erinnert, ihrer Figur aber trotz geringer Leinwandzeit entscheidende Facetten hinzufügt.
Nicht jeder Kollege teilte meine Zuversicht, aber angesichts dieser Eröffnung könnte der Wettbewerb 2012 die Blamage des Vorjahres wieder vergessen machen.
Deutschland 2012, Buch: Rosa von Praunheim, Kamera: Wilfried Kaute, Dennis Pauls, Michael Nopens, Stephan Kümin, Oliver Sechting, Schnitt: Michael Shephard, Rosa von Praunheim, Musik: Andreas Wolter, mit Ralf König, René Krummenacher, Ilona Wijnen, Olaf Gabriel, Joachim Król, Ralph Morgenstern, Hella von Sinnen, 80 Min., Kinostart: 1. März 2012
Der Titel »König der Comics« ist ein kleiner Etikettenschwindel. Ein Dokumentarfilm über Ralf König, das hätte die größte Sensation seit Terry Zwigoffs Crumb werden können, doch Regisseur Rosa von Praunheim mag zwar seit Jahrzehnten für die Rechte und die Anerkennung von Minderheiten kämpfen, für das Medium Comic hat er aber offensichtlich wenig über. Ihm geht es natürlich um sein Lieblingsthema, und zugegeben hätte der Titel »König der Schwulen« auch irgendwie seltsam gewirkt.
Es ist durchaus interessant, von Ralf Königs ersten Erfahrungen jenseits des Kleinstadtmiefs zu erfahren, seinen eigenen (früheren) Vorurteilen gegenüber etwa Tunten, den biografischen Eckpfeilern, die in leicht veränderter Form auch in seinem Werk auftauchen oder seinen politischen Anwandlungen der letzten Jahre (Stichwort: Mohammed-Karikaturen und Papstbesuch). Doch wenn es um das Thema Comics selber geht, dann ist man schon glücklich, das Praunheim sich mal zum »Groben Unfug« getraut hat und dort einen Comic Shop Guy erzählen lässt, oder er bei einer Signierstunde die Fans selbst befragt (mit dem triumphal erbeuteten Statement eines Hetero-Comicfans, dass dieser sich »vorstellen könnte«, dass jemand durch König-Comics schwul wird). Wenn Hella von Sinnen darüber schwärmt, wie König Regen zeichnet, wird immerhin mal am Rande angedeutet, dass König nicht nur ein großer Humorexperte und genauer Beobachter der Schwulenszene ist, sondern trotz der Knollennasen auch ein begnadeter Zeichner, der mit seinen filmischen Stilmitteln (die bemerkenswerten Comic-Vorspannsequenzen) oder der Untergrabung literarischer Sujets (Lysistrata, Shakespeare oder die Bibel) die Kunstform Comic wirklich vorantreibt (was man von den anderen über alle Maßen erfolgreichen deutschen Comic-Zeichnern, Walter Moers und Brösel, nur sehr eingeschränkt behaupten würde). Aber dies sind leider Einsichten, die der Film nicht propagiert. Auch kommen keine Bilder von der Übergabe des Max-und-Moritz-Preises vom Erlanger Bürgermeister an den im goldenen Fummel auftretenden König (vielleicht sein Höhepunkt als Comic-Zeichner und Schwulenrechtler), stattdessen betet man die Erfolgsgeschichte der Sönke-Wortmann-Verfilmung herunter und lässt einen komplett langweiligen Studio Executive davon erzählen, welche Filmprojekte gerade geplant sind. Denn die Erfolgsgeschichte Königs (fürs Medium Film hat Praunheim was übrig), das Privatleben Königs und sogar irgendein Schweizer Zahnarzt, der quasi ein (geschäftliches und von der Kamera eingefangenes) »Blind Date« mit Ralf König hat - all dies hat Priorität vor einem Medium, das übrigens fast den ganzen Film über zur Multimedia-Show umgemuddelt wird (denn König hat inzwischen entdeckt, dass man mit »Lesungen«, auf denen er mit einem bemerkenswerten Repertoire an verstellten Stimmen die Sprechblasen der auf Leinwand vergrößerten Bilder vertont, Säle füllen kann wie die angesagten »Comedians« - und nebenbei vielleicht auch noch ein paar neue Leser finden).
Man soll mich nicht falsch verstehen: König des Comics ist ein hochinteressanter Film, der durch viele Beispiele des königlichen Schaffens nicht nur viele neue Fans aktivieren wird (und das wünsche ich Ralf König von Herzen), sondern auch einen unterhaltsamen Kinoabend bietet (es gibt nur wenige Dokumentarfilme, bei denen soviel gelacht wird), nur bin ich halt kein Schwulenaktivist, sondern ein Comicfan, und diesen bietet der Film (gerade angesichts des verständlichen, aber etwas hochtrabenden Titels) eine Spur zu wenig.
Deutschland 2012, Buch: Antonia Rothe, Katrin Milhan, Ann-Kristin Reyels, Kamera: Henner Besuch, Schnitt: Halina Daugird, Musik: Henry Reyels, Marco Baumgartner, mit Sabine Timoteo (Nina), Thure Lindhardt (Benno), Tatja Seibt (Christine), Geoffrey Layton (Georg), Christian Brückner (Pit), Vicky Krieps (Mara), Franc Bruneau (Pablo), Ilse Ritter (Wencke), 93 Min.
Ihr Regiedebüt Jagdhunde (Forum 2007) sah auf dem ersten Blick aus wie nur ein weiterer Coming-of-Age-Film, der aber diesmal im ostdeutschen Ödland spielt. Doch das facettenreiche Werk, das spielerisch zwischen den Genres wandelte, positionierte Ann-Kristin Reyels als eine Hoffnung innerhalb der jungen deutschen Regisseurinnen. Fünf Jahre später legt sie endlich nach, doch Formentera knüpft zwar am Vorgänger an, ist aber eine herbe Enttäuschung. Wiederum geht es um ein junges Paar inmitten eines kleinen Ensembles von Nebenfiguren, doch wo in Jagdhunde erst um die Liebe gekämpft werden wurde, wird sie in Formentera gleich behauptet. Der wunderbare Schlusssatz aus König des Comics ist hier, um einen Buchstaben gekürzt, der erste Dialog des Films: »Ich lieb' dich«. Obwohl sich Sabine Timoteo und Thure Lindhardt redlich Mühe geben, glaubt man ihnen dies zu keinem Zeitpunkt (In Die Farbe des Ozeans respektive Keep the Lights on überzeugen sie weitaus mehr). Insbesondere die pure Lebensfreude eines Paares, das erstmals ohne die junge Tochter im Urlaub ist, wirkt aufgesetzt. Dann lernt man das überschaubare Figurenensemble auf der Insel kennen – und keine der Figuren kann wirklich Konturen gewinnen. Wo hier bei Jagdhunde lauter kleine Szenen folgten, die gemeinsam trotz aller Disparität ein geschlossenes Bild ergaben, bleibt hier alles fragmentarisch – und es ist noch nicht einmal abwegig, dass dies so gewollt ist.
Weder der Humor fruchtet (»Willst du auch 'ne Massage?« --- »Sie ist doch schon beschäftigt.«), noch die Spannung (ganz schlimm: wenn der kleine Yoko auf dem Dach spaziert), und auch nicht die melodramatischen Elemente, die Ehekrise. Alles wabert nebeneinander her und will nicht recht zueinanderpassen. Die Figuren drumherum wirken oft so, als seien sie nur da, um dem jungen Paar den Urlaub zu verderben (»Ihr wollt' euch doch nicht schon zurückziehen?«, und der »Paukenschlag« der Geschichte, den es ähnlich auch in Jagdhunde gab, wirkt hier eher wie ein inszenatorischer Hilfeschrei. Es ist offensichtlich, dass die »Berliner Schule« und Maren Ades Alle anderen hier Inspirationen waren, doch mit ihrer ganz eigenen Art des Filmemachens war Frau Reyels damals weitaus erfolgreicher. Aber nach zwei Filmen wird sie »ihre« Stimme als Filmemacherin sicher noch finden.
Schweden 2011, Int. Titel: The Crown Jewels, Buch: Ella Lemhagen, Kamera: Anders Bohman, Schnitt: Thomas Lagerman, Musik: Fredrik Emilson, mit Alicia Vikander (Fragancia Fernandez), Amanda Junegren, Louise Radon (Fragancia Fernandez - younger versions), Bill Skarsgård (Richard Persson), Jonatan Bökman, Edvin Ryding (Richard Persson - younger versions), Loa Falkman (Factory Owner Persson), Michalis Koutsogiannakis (Fernandez Fernandez), Jesper Lindberger (Jésus Fernandez), Noah Byström (Pettersson-Jonsson - Young), Björn Gustafsson (Pettersson-Jonsson), Sara Lindh (Karin Persson), Michael Segerström (Pastor Hjalmar), Josefine Högfelt Öijer (Belinda), Kjell Wilhelmsen (Butcher Jonsson), Alexandra Rapaport (Marianne Fernandez), Tom Ljungman (Voice of Jésus Fernandez), 120 Min.
Jüngst ist mir aufgefallen, dass die »Generation 14plus«-Filme (oder generell Filme, die sich an ein heranwachsendes Publikum richten), die sich zu Beginn dieser Sektion noch zu großen Teilen um das »erste Mal« drehten, jetzt häufig Dreiecksgeschichten behandeln, die irgendwie mit Straftaten im Zusammenhang stehen. Für alle drei Filme, die ich dieses Jahr im Vorfeld sichtete, trifft das zu (bei Comes a Bright Day ist die Dreiecks-Beziehung etwas verdunkelt, dafür die Straftat offensichtlich), und auch bei Cherrybomb, einem Film einer früheren Berlinale (mit Rupert Grint und Kimberley Nixon), den ich gerade auf DVD nachholte, verhält es sich sehr ähnlich. Wie in Cherrybomb beginnt auch in Kronjuvelerna die Geschichte mit einer polizeilichen Vernehmung, man bekommt kurz zuvor nur noch einen kleinen Einblick, um was für ein Verbrechen es sich womöglich handeln könnte.
Und dann erzählt die Hauptfigur die Geschichte, wie es zu dieser Straftat kam. Im Fall von Kronjuvelerna muss Fragancia (Alicia Vikander) nur ein wenig weiter ausholen, sie erzählt quasi ihre komplette Lebensgeschichte. Ähnlich wie in Jaco Van Dormaels großartigem Toto le heros beginnt auch hier die Geschichte damit, dass die Hauptfigur vermeintlich als Baby im Hospital verwechselt wurde. Nur, dass diesmal die Verwechslung ganz offensichtlich ist, denn ein Mädchen und ein Junge wurden verwechselt. Die somit Gleichaltrigen werden noch stärker miteinander verwoben, weil beide Kindsväter alle Hoffnungen auf einen Sohn gesetzt hatten, und bei einem Handgemenge der Sohn des Firmenchefs fallen gelassen wird und davon eine riesige Narbe auf der Stirn (und eine gewisse Verwirrung) zurückbehalten wird. Zwischen Fragancia und Richard Persson wird immer eine besondere Beziehung bestehen (er ist offenbar auch der Erschossene), aber es geht auch um den Kampf zwischen den Vätern, um Fragancias kleinen Bruder (wie bei Van Dormael ein Opfer des Down/Syndroms) und Fragancias grosse Liebe, einen hünenhaften Blondling, der spaeter auf Schlittschuhen weltberühmt wird. Es ist etwas traurig, dass trotz der vielen einfallsreichen Storyelemente diese Tragikomoedie ausgerechnet daran scheitert, dass man aufgrund ihrer komischen Elemente (das Buch haette von John Irving stammen koennen) die tragischen nicht wirklich ernst nimmt. Das faengt schon mit dem fallengelassenen Baby an – man erschrickt fürchterlich, doch die wahnwitzige Narbe kann man einfach nicht ernstnehmen. So verhält es sich auch mit Frangancias Eltern (die einiges durchleiden müssen), mit dem Schlittschuhstar, der irgendwann an Jon Heder in Blades of Glory erinnert oder der quasi-religiösen Schicksal des Bruders. Ähnliches gab es schon bei 14plus-Filmen (etwa 2010 Les nuits de Sister Welsh), doch hier fehlt einfach das kleine Quentchen, um aus einer Vielzahl interessanter Ideen einen guten Film zu machen.
Originaltitel: Don 2, Indien / Deutschland 2011, Buch: Farhan Akhtar, Kamera: Jason West, Schnitt: Ritish Soni, Anand Subaya, Musik: Shakar-Ehsaan-Loy, Production Design: Shashank Tere, Art Direction: Sidharth Mathawan, Kostüme: Jaimal Odedra, mit Shah Rukh Khan (Don), Priyanka Chopra (Roma), Boman Irani (Vardhaan), Om Puri (CBI Officer Vishal Malik), Lara Dutta (Ayesha), Alyy Khan (J.K. Diwan), Kunal Kapoor (Sameer Ali), Florian Lukas (Det. Jens Berkel), Sahil Shroff (Arjun), Nawwab Shah (Jabbar), Hrithik Roshan (Mystery Man), 144 Min., Kinostart: 16. Februar 2012
Die melodramatische Natur des Bollywood-Kinos eignet sich nur eingeschränkt für Sequels, und zumeist überschattet das Star-Image etwa eines Shah Rukh Khan auch die eher untergeordneten Figuren, die er spielt, doch aus irgendwelchen Gründen hat man sich doch dazu bewogen gefühlt, ein Sequel zu Don (2006) zu drehen. Kenntnis des ersten Films ist nicht vonnöten, die Zusammenfassung ist im Grunde genommen: »Don hat sich als Gangsterboss Asien unterworfen, jetzt ist Europa dran ...«, und die wichtigeren wiederkehrenden Figuren (ein Gangsterkollege, ein Polizeichef und die Polizistin Roma, die Don dingfest machen will und mehrfach versichert, dass sie ihn nicht liebt) werden in einem (relativ) kurzen Schlenker, der Don eine neue Motivation gibt, kurz vorgestellt.
Abermals hält man sich mit Songs eher zurück (sogar noch stärker), doch alles, was Don seinerzeit auszeichnete, fehlt diesmal. Das Buch ist vorhersehbar, die Actionregie und -Choreographie aufgrund der grobschneidigen Montage nicht als solche zu erkennen, und innovativ ist das Ganze auch nicht mehr. Die besten Ideen des Films sabotiert der Streifen gleich selbst. Wenn Don sich zu Beginn des Films von schwerbewaffneten Gangstern umzingelt findet, die ihn fragen, ob er noch einen letzten Wunsch habe, fragt er nach einem guten italienischen Restaurant in der Nähe, wo er speisen könne, nachdem er seine Widersache allesamt getötet habe. An dieser Stelle hätte ich einen Schnitt angesetzt und dann gezeigt, wie Shah Rukh Khan gerade die letzte Spaghettinudel aufsaugt. Doch nicht nur erschöpft sich der Film hier in seiner ersten eher öden Actionsequenz, man spart auch noch den Besuch beim Italiener elliptisch aus.
Gegen Ende des Films wird es noch schlimmer. Statt einer Szene (das Paket an Sameer), die so, wie sie endet, sehr zweideutig und clever ist, und Potential für einen dritten Film gegeben hätte, folgt dann eine blödsinnige »Erklärung«, wie sie konventioneller kaum sein könnte.
Oder die emotional kräftigste Szene des ganzen Films, ein Showdown um Vertrauen, Verrat und Liebe, wird vom Film so behandelt, als hätte sie gar nicht stattgefunden, Superheld (bzw. -Schurke) Don kann mithilfe eines kurzen Kontakts mit einer Schläfe zweifelsfrei feststellen, ob ein Bauchschuss aus kurzer Distanz tödlich ist oder nur ein Kratzer, um den man sich auch noch eine Viertelstunde später kümmern kann.
Aus hiesiger Sicht am interessantesten ist natürlich der Schauplatz Berlin, der mal wieder zu reichlich kreativer filmischer Stadtplanung Anlass gibt, auch wenn man zeitweise das Gefühl hat, dass Berlinaufenthalte sich vor allem darin erschöpfen, dass man vom Alex zur Friedrichstraße und zurück fährt und danach vielleicht noch die im Tiergarten versteckte Rennstrecke besucht.
Florian Lukas als deutscher Polizeibeamter bekommt immerhin mal eine längere Schlägerei, doch sobald es gefährlich wird, lässt er sich zur Krankenversorgung abordnen, damit die indische Kollegin und der weltweit gesuchte Gangster statt der deutschen Polizei eine Geiselnahme in der Deutschen Zentralbank aufklären.
Bei Bollywood ist man es ja gewohnt, dass man nicht zuviel mitdenken sollte, doch in diesem Fall fehlt die Musik, die Action ist schlampig, das Emotionale ist eher rudimentär, und so cool wie in Don ist »Shah Rukh Khan in and as Don 2« längst nicht mehr.
Coming soon in Cinemania 78 (Berlinale, die dritte): Voraussichtlich Kritiken zu Cesare deva morire (Wettbewerb), Die Farbe des Ozeans (Lola@Berlinale), For Ellen (Forum), Kazoku no kuni / Our Homeland (Forum), Keep the Lights on (Panorama) und Kid-Thing (Forum).
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