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28. Januar 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org

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Kinostarts Januar 2013

Mavericks - Lebe deinen Traum

Mavericks
Lebe deinen Traum
(Curtis Hanson & Michael Apted)

Originaltitel: Chasing Mavericks, USA 2012, Buch: Kario Salem, Kamera: Bill Pope, Schnitt: John Gilbert, Musik: Chad Fischer, mit Johnny Weston (Jay Moriarty), Gerard Butler (Rick »Frosty« Hesson), Elisabeth Shue (Kristy Moriarty), Abigail Spencer (Brenda Hesson), Leven Rambin (Kim), David Crittenden (Blond), Taylor Handley (Sonny), 116 Min., Kinostart: 17. Januar 2013

Das eigentümliche Regiepaar, von dessen »gemeinsamer Regie« man im Presseheft recht wenig erfährt, kam einfach deshalb zustande, weil der US-Amerikaner Curtis Hanson (The Bedroom Window, L. A. Confidential, In her Shoes) wegen Herzproblemen ausfiel, und der Brite Michael Apted (Coalminer's Daughter, Gorillas in the Mist, The World is not enough, The Chronicles of Narnia: The Voyage of the Dawn Treader) kurzfristig für ihn übernahm. Somit ist Hanson vermutlich für sämtliche Pre-Production-/Casting-/Location-Entscheidungen des Films verantwortlich gewesen, aber ohne Apted wäre der Film entweder gar nicht zuende gestellt oder halt mit einem durch unterbrochene Dreharbeiten sehr aufgeblasenem Budget. Und da Apted ein noch routinierterer Profi als Hanson ist, sieht man dem fertigen Film die Zweiteilung auch zu keinem Zeitpunkt an (wahrscheinlich nicht einmal, wenn man genau wüsste, welche Szenen von wem stammen).

Kommen wir also zum Film an sich. Surffilme sind nicht nur visuell interessant (auf der Leinwand wirkt das Wasser gar nicht wie eine Flüssigkeit, und das Spektakel kommt dem alten Menschheitstraum zu fliegen ebenso nahe wie manche teure Spezialeffekte zwischen Bullet-Time und Superhelden in anderen Filmen), es scheint auch einen schier unendlichen Fundus zu geben an Pionieren, die das Skaten und Surfen (nur selten gibt es hier eine strikte Trennung) seinerzeit etablierten. Hier geht es um den jungen Jay Moriarty (Jonny Weston), der unter der Führung seines Nachbarn, Mentors und schließlich auch irgendwie Ersatzvaters Rick »Frosty« Hesson (Gerard Butler) der Faszination des Sports in seiner gefährlichsten Ausprägung verfällt, woraufhin »Frosty« zunächst eher unwillig die Lehrerrolle übernimmt - im Grunde genommen deshalb, weil er weiß, dass ohne seine Hilfestellung der zunächst sehr unerfahrene Jay wahrscheinlich getötet oder schwer verletzt wird. Denn Frostys kleine Tricks, wie man von den haushohen und deshalb lebensgefährlichen Wellen erfährt, hat Jay viel schneller heraus als die eigentliche Standfestigkeit auf dem Brett oder die notwendige Kondition und Lebenserfahrung. Nebenbei geht es auch um den Einfluss des gefährlichen Hobbys auf drei Frauen im Umfeld der beiden. Vor allem Jays Mutter (Elisabeth Shue) und Frostys Frau (Abigail Spencer), aber später auch Jays Freundin Kim (Leven Rambin), deren wichtige Rolle im Zeitraum, von dem der Film erzählt, eigentlich erst beginnt.

Damit wäre das meiste schon erzählt. Der vermeintliche Superstar Gerard Butler wird natürlich (für das potentielle Publikum) ein wenig in den Mittelpunkt gerückt, während der Newcomer Jonny Weston die eigentliche Leistung zeigen muss. Die Figurenkonstellation der beiden Männer gab es auch schon in einem Surffilm (nicht, dass ich ein Experte für das Genre wäre), und zwar im Animationsfilm Surf's Up (dt.: Könige der Wellen), in dem Jeff Bridges den etwas kauzigen Lehrer spricht, den man auch als »Zen-Zottel« beschreiben könnte. Natürlich als Pinguin.

Die beeindruckenden Bilder (nicht nur vom Surfen per se, sondern auch von einigen Schiffen und Booten bei hohem Seegang), stammen übrigens von Bill Pope, eines der vielseitigsten Kameramänner der Filmgeschichte, der unter anderem für Filme wie Clueless, Team America: World Police und Scott Pilgrim vs. the World verantwortlich war.

Weder für Surffans noch für Freunde besonderer Filme bietet Chasing Mavericks etwas wirklich neues, aber der Film ist solide gemacht und setzt seine Geschichte gelungen um. Und das ist heutzutage ja schon eine große Auszeichnung.

Ich sehe übrigens gerade noch in meinen Aufzeichnungen, dass der Film in der Synchronfassung den vielleicht blödesten Satz seit langem hat, denn bei Frostys Zen-Training geht es mal um »die vier Säulen eines soliden menschlichen Fundament«, einen Satz, für den jeder Architekturstudent rückwirkend seine Zwischenprüfung aberkannt bekommen würde. Auf Nachfrage bei der Presseagentur wurde mir versichert, dass der Satz im Original »nicht ganz so bescheuert« (meine Wortwahl) sei.

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Blank City

Blank City
(Céline Danhier)

USA 2009, Kamera: Ryo Nurakami, Peter Szollosi, Schnitt: Vanessa Roworth, Mucis Supervisor: Dan Selzer, mit Debbie Harry, Jim Jarmusch, John Lurie, Lydia Lunch, Susan Seidelman, Steve Buscemi, Thurston Moore, Vivienne Dick, John Waters, Lizzie Borden, JG Thirlwell, Patti Astor, Ann Magnuson, Beth B, Fab 5 Freddy, Jack Sargeant u.v.a., 94 Min., Kinostart: 24. Januar 2013

»It felt like our lives were movies. It was very cinematic.«
(Debbie Harry)

Dieser Dokumentarfilm über die »Blank Generation« kann zwar nur ein sehr facettenhaftes Bild über die Underground-Kunst-, -Musik- und vor allem -Filmszene des New Yorks der späten 1970er und frühen 1980er, doch wer zumindest von einem Viertel der Protagonisten schon einmal gehört hat, wird durchaus unterhalten und informiert. Ich für meine Fälle habe danach ein paar Filmographien und wikipedia-Einträge durchgeforstet - nicht um für diese Kritik zu recherchieren, sondern einfach, weil es mich interessierte.

Es geht um gewollten Dilletantismus (»They hated craft. Everybody did what they didn't know how to do«), um ein Leben jenseits der Normalität und in manchen Fällen am Existenzminimum (»I paid the rent but the cockroaches owned the place.«). Um die goldenen Zeiten des Punk, die Nachfahren von Andy Warhol oder John Cassavetes. Um LPs mit einer Lauflänge von 4 Minuten, um neue Drogen und den New Wave (in Musik und Film) sowie den darauffolgenden No Wave und das »Cinema of Transgression«. So wie Picasso einst geschockt hat und nun allgemein als künstlerisches Genie anerkannt ist, so wurde auch in dieser Generation geschockt - und einiges davon hat nun einen festen Platz im Museum of Modern Art.

Ferner geht es auch um die ersten AIDS-Opfer und die Gentrifizierung an der Lower East Side. Das unübersehbare Probleme des Films ist, dass er zu viele Aspekte anschneidet und sich dabei ein wenig verliert. Doch meines Erachtens passt das auch irgendwie hervorragend zum Thema, denn wer einen großartig durchstrukturierten Film erwartet, der einen bei der Hand nimmt und einem alles erklärt, der sollte sich besser einen Film suchen, dessen Thema besser zu ihm passt. Blank City nimmt sich auch selbst nicht über Gebühr ernst, versucht nicht, Slogans wie »war ist menstrual envy« von einer Professorin für Gender Studies erklären zu lassen, im Grunde genommen ist vieles auch ein großer aufgeblasener Scherz, den halt nicht jeder versteht, so wie vielleicht Kurt Schwitters, Samuel Beckett oder Andy Warhol in früheren Generationen.

Regisseurin Céline Danhier erklärt ihre Faszination für New York passenderweise auch damit, dass sie, als sie »noch sehr jung« war, in Paris Martin Scorseses After Hours sah, eine Low-Budget-Komödie, die einen reichlich langweiligen Programmierer in den Unterleib der Stadt entführt, wo er mit einer ganz ähnlichen Szene konfrontiert wird, wobei aber hier die Grenzen zwischen Kunst und Kasperei satirisch stark verwischt werden. Dokumentarfilm-Inspirationen waren für sie etwa Jean-Luc Godards Sympathy for the Devil oder Orson Welles' F for Fake - was abermals den Bogen schließt.

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House at the End of the Street

House at the End of the Street
(Mark Tonderai)

USA 2012, Buch: David Loucka, Story: Jonathan Mostow, Kamera: Miroslav Baszak, Schnitt: Karen Porter, Steven Mirkovich, Musik: Theo Green, mit Jennifer Lawrence (Elissa), Max Thieriot (Ryan), Elisabeth Shue (Sarah), Gil Bellows (Weaver), Nolan Gerard Funk (Tyler), Allie MacDonald (Jillian), Jordan Hayes (Penn State Waitress), Eva Link (Carrie Anne), Bobby Osborne (Young Ryan), Gracie Tucker (Young Carrie Anne), 101 Min., Kinostart: 24. Januar 2013

Es ist ein Problem, das zunehmend komplizierter wird, immer wieder einen neuen Titel für ähnliche Filme zu finden. Vielleicht besinnt man sich deshalb auch gern auf Remakes, wo man einen bereits vorhandenen Titel übernehmen kann. In diesem Fall handelt es sich nicht um ein Remake von The Last House on the Left (gab es bereits in den Nuller-Jahren) und Jennifer Lawrence schlüpft auch nicht in die Rolle von Jodie Foster als Das Mädchen am Ende der Straße (dt.: The Little Girl who lives down the Lane), wie ich kurzfristig annahm (auch, weil ich diesen Film nie gesehen habe, der gar kein Horrorfilm ist und in dem die Hauptrolle doch um einiges jünger besetzt ist. House at the End of the Street hat zwar auch Ähnlichkeiten zu einem bekannten Film (an dieser Stelle ein unumgänglicher Spoiler-Alert, denn ich werde einen Großteil der Handlung preisgeben, um diese Ähnlichkeit herauszuarbeiten), zeugt aber zunächst einmal von der Fähigkeit, immer wieder neue Filmtitel zu finden, denn man kann das Wort »Haus« einbringen oder nicht, es kann (muss aber nicht) das »letzte« Haus sein, dann kann man unterschiedliche Worte für die »Straße« finden (z. B. road, alley), oder ein Mädchen ins Spiel bringen oder nicht. Jennifer Lawrence hätte auch »The Girl who visits the Boy who lives in the last House on the left« sein können. Was zugegeben ein saublöder Titel ist, aber in fünfzig Jahren wird man ihn vielleicht in Ermangelung anderer Alternativen nutzen.

Wer jetzt - nicht unberechtigt - einwendet, dass ich die Bedeutung des Themas Filmtitel etwas überschätze, dem will ich zumindest entgegnen, dass ich nach kurzer Recherche immerhin The House across the Street, House at the End of the Drive, End of the Road und House near the End of the Street bei imdb fand, die allesamt aus den letzten drei Jahren stammen (nur letztgenannter ist ein Kurzfilm).

Elissa (Jennifer Lawrence) zieht mit ihrer Mutter Sarah (Elisabeth Shue) in eine Kleinstadt, ihr etwas abseits liegendes Haus gab es zu einem deutlich herabgesetzten Preis, weil das Nachbarhaus (das am Ende der Straße) einst Tatort eines Doppelmordes war und seitdem immer noch von Gerüchten umrankt wird. Ein geistig behindertes Mädchen hat dort seine Eltern getötet (trotz Geschlechts-Sprung denkt man sofort an einige Horrorfilme) und verschwand danach. Der seinerzeit nicht anwesende ältere Bruder der geheimnisvollen »Carrie Anne« lebt nun allein in diesem Haus, ein Großteil der Bevölkerung des Orts ist ihm aber aus unerfindlichen Gründen feindlich gesinnt. Elissa begegnet nun diesem gutaussehenden und sympathischen Ryan (Max Thieriot), und für mich entwickelte der Film sich schnell zu einer Liebesgeschichte irgendwo zwischen Florence Nightingale (»Ich werde ihn retten ...«) und Twilight (» ... obwohl er so gefährlich wirkt«). Was durchaus auch an Jennifer Lawrence' Besetzung in The Hunger Games gelegen haben kann. Doch wenn Elissa Ryan erstmals besucht (allerletzte Spoiler-Warnung - wer jetzt noch weiterliest, ist selbst schuld!) und noch vor der Hausschwelle bleibt, dachte ich auch an den zunächst durchaus sympathischen und gutaussehenden Norman Bates in Hitchcocks Psycho (in der Romanvorlage war er eher dicklich, die lassen wir mal außen vor). Zwischenzeitig sieht man dann immer mal wieder Point-of-View-Kameraeinstellungen aus dem Wald, die Elissa beobachten. Natürlich geht man davon aus, dass die unberechenbare Schwester irgendwo in der Nähe haust, und Eifersucht ist ja nicht das ungewöhnlichste Mordmotiv.

Erneut an Psycho erinnert wurde ich wahrscheinlich dadurch, dass ich am Tag zuvor das Hitchcock-Biopic gesehen hatte (meine letzte Sichtung von Psycho selbst lag ein gutes Jahr zurück), und so fiel mir (zunächst noch scherzhafterweise) auf, dass Ryan in seinem Haus zwar keine ausgestopften Vögel drapiert hat wie Mr. Bates, es aber eine Makramee-Eule gab, die wohl auch verdeutlichen soll, dass das Haus schon ein paar Tage alt ist (ohne bereits ruinenmäßig auseinanderzufallen). Dann gibt es noch einen Polizeibeamten, der sich für Elissas Mutter interessiert, und sich schon deshalb positiv hervorhebt, weil er den ortsweiten Repressalien gegen Ryan negativ gegenübersteht und lieber betont, was für ein »guter Junge« Ryan eigentlich ist. Was natürlich nicht im geringsten etwas daran ändert, dass nicht nur Elissas Mutter bei jedem Besuch Ryans sogleich große Gefahr für ihre Tochter wittert (und dies nicht nur in der üblichen spätpubertären Weise). Schon sehr bald verstärkt sich der Eindruck des Zuschauers, dass Carrie Anne noch lebt, Ryan sich um sie kümmert und Carrie Anne Elissa nach dem Leben trachtet, was Ryans Romanze nicht nur für ihn sehr schwierig gestaltet. Diese Grundkonstellation ähnelt in starkem Maße der aus Psycho, mit Norman Bates Interesse für Marion Crane und seiner für tot gehaltenen Mutter, die nachlassende Fürsorge ihres Familienmitglieds befürchtet und die Nebenbuhlerin - auch aus Eifersucht - tötet. Nun wäre ich trotz meiner Wertschätzung für Jennifer Lawrence positiv überrascht gewesen, wenn diese (die übrigens die selben Initialen wie Marion-Darstellerin Janet Leigh hat) nach einer halben oder dreiviertel Stunde unsanft den Film verlassen hätte, gerne auch ohne Duschszene. Doch hier weicht der Film von seiner großen Inspiration ab und liefert lieber einen doch recht spannenden Showdown, bei dem der Polizist dann doch eher die Rolle des Privatdetektivs Arbogast aus Psycho übernimmt, es noch Schwierigkeiten mit der Dorfjugend gibt, die Ryan Edward-ähnlich pariert, und all jene Zuschauer, die nie von Psycho gehört haben, durchaus noch einige Überraschungen vor sich haben. Doch spätestens, wenn der Film dann auch noch die allgemein als am schwächsten kritisierten Szenen aus Psycho fast sklavisch nachahmt, zweifelt man doch stark an den Filmemachern (inklusive Jonathan Mostow, von dem die »Idee« stammt). In Sachen Hitchcock-Ripoff ist Irgendwas mit Haus zwar um Längen gelungener als etwa Disturbia, jenes Star-in-the-Making-Vehikel mit Shia LeBeuf, dass ohne Quellenangabe Rear Window mehr als nur paraphrasierte, aber wer nicht unbedingt jeden Film mit Jennifer Lawrence oder Elisabeth Shue sehen muss (beide haben im Januar zwar Filmstarts in Deutschland, wovon der jeweils andere empfehlenswerter ist), oder wirklich jeden halbwegs gelungenen Horrorfilm, der kann sich den Streifen auch schenken - und evtl. lieber seine Lücken in der Hitchcock-Filmographie füllen.

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Schlussmacher

Schlussmacher
(Matthias Schweighöfer)

Deutschland 2013, Co-Regie: Torsten Künstler, Buch: Doron Wisotzky, Kamera: Bernhard Jasper, Schnitt: Stefan Essl, Musik: Peter Horn, Andrej Melita, mit Matthias Schweighöfer (Paul Voigt), Milan Peschel (Toto Kuhlmann), Nadja Uhl (Katharina Dreher), Anna Bederke (Sarah Voigt), Heiner Lauterbach (Georg Adler) Catherine de Léan (Nathalie Bernier), Genija Rykova (Vanessa Lindner), Gennadi Vengerov (Vater Sokolow), Manuela Wisbeck (Gabriele Becher), 110 Min., Kinostart: 10. Januar 2013

Mit dem Schauspieler Matthias Schweighöfer hatte ich nie ein besonderes Problem, sein Regiedebüt What a Man sprach mich aber nicht besonders an, und im Nachhinein vernahm ich von den Kritikerkollegen vorrangig negatives darüber. Es gab also keinen wirklichen Grund, sich jetzt die zweite Regiearbeit unbedingt anzuschauen.

Doch wie der Zufall es will, lief anderthalb Wochen vor der Pressevorführung im Fernsehen Keinohrhasen, und gegen besseres Wissen schaltete ich da mal rein und war recht erstaunt, dass der Schweighöfer dort die Rolle des besten Kumpels vom Schweiger spielte. Und da meine Meinung zum Regisseur Til Schweiger mittlerweile recht ausformuliert ist, fragte ich mich, ob der jüngere Kollege Schweighöfer womöglich dem penetranten Herrn mit dem recht ähnlichen Namen hinterherstrebt, er vermeintliche »Regielektionen« empfing und sich deshalb entschied, sich ebenfalls »selbstständig« zu machen, was in Sachen eigener »künstlerischer« Verwirklichung - und natürlich Festigung bzw. Ausarbeitung der finanziellen Situation - ja nicht das dümmste ist. Und dann interessierte mich auch irgendwie, ob Schweighöfer auf eine ähnlich uninspirierte Weise Regie führt - und ob er als potentieller »Klon« Schweigers womöglich noch verachtenswürdiger ist.

Millionen deutscher Kinogänger würden bei der (möglichen, aber eher nicht zustande kommenden) Lektüre dieser Eingangszeilen wahrscheinlich längst aufgeben und sich fragen, was dieser arrogante, snobistische Kritiker sich denn wieder erdreistet, am sympathischen und erfolgreichen Herrn Schweighöfer (und dem nicht ganz so sympathischen, aber noch erfolgreicheren Herrn Schweiger) herumzumäkeln. Aber es ist ja nur so, dass ich auch gerne mal meine Erwartungshaltung schildere, die beim nachfolgenden Urteil durchaus auch einflussreich ist.

Um es vorwegzunehmen: Nach einer gesichteten Regiearbeit von Herrn Schweighöfer und etwa zweieinhalb von Herrn Schweiger würde ich attestieren, dass man zwar einen gewissen Einfluss beim Jüngeren erkennt (er kreiert ebenfalls eine eher luxuriöse Wohlstandswelt mit vielen Erdfarbtönen und einem Hang zu kameratechnischen Unschärfen), er aber zumindest die Ambition zur eigenen Handschrift zeigt. In einem Interview sagte er mal, dass er in Zusammenarbeit mit seinem Co-Regisseur Torsten Künstler das Glück hat, sich ganz auf künstlerische Entscheidungen konzentrieren zu können, während Torsten sich um die organisatorischen, also potentiell auch arbeitsaufwendigeren Tätigkeiten kümmert.

In einem Gespräch mit einem Kritikerkollegen nach dem Film äußerte dieser, dass Schweighöfer immerhin ein ausgeprägtes Comedy-Timing an den Tag legt, bevor ich mich aber genötigt sehe, dieses zu bestätigen, müsste ich den Film noch mal (oder einen anderen Film) sehen, es ist mir dieses weder aufgefallen noch könnte ich es im Nachhinein rekonstruieren. Gerade bei den gemeinsamen Bettszenen der Hauptdarsteller Milan Peschel und M. Schweighöfer fand ich nicht nur die Gags abgeschmackt bis anrüchig, auch das Timing (was nicht zuletzt natürlich auch in großem Umfang erst durch die Montage entsteht) erschien mir jetzt nicht besonders herausragend.

Wo Schweighöfer allerdings ein hervorragendes Timing vorführt, ist in seiner Tätigkeit als Produzent, bei der Promotion des Films. Einem kleinen, größtenteils weiblichen Publikum persönlich Ausschnitte aus dem Film vorzuführen, ist schon mal eine clevere Art, das Zielpublikum zu wichtiger Mundpropaganda zu verführen. Dass man den gutaussehenden deutschen Kinostar »live« erlebt hat, erzählt man gerne weiter, und ohne gesicherte Kenntnisse über die Dramaturgie des Films erhalten zu haben, kann man wahrscheinlich nur attestieren, dass die Ausschnitte sehr witzig waren und man auf den Film gespannt ist (es besteht somit auch die Möglichkeit, sich gleich zum gemeinsamen Kinobesuch zu verabreden). Die Aktion ist zwar limitiert, aber wirkt im Grunde wie ein Trailer mit intensivierter Wirkung. Ein echtes »Kinoerlebnis« (womöglich noch mit ergatterter Autogrammkarte), das man nachher »teilen« möchte (natürlich auch in den sozialen Medien, vielleicht mit einem youtube-Link). Etwas penetranter, aber wahrscheinlich genauso wirkungsvoll gestaltet sich die Zusammenarbeit mit zwei Werbepartnern. Der eine ist einer der führenden Privatfernsehsender, für den Schweighöfer einen Clip zur Auflockerung der Werbestrecken drehte, wie es ihn auch von ausgewählten »Stars« dieses Senders oder dem seit längerem damit zusammenarbeitenden Robbie Williams gibt. Momentan haben diese Clips das Thema »Superheld« und Schweighöfer spielt dabei eine in knalligen Farben auftretende Figur, die man wahrscheinlich am ehesten als »Schlussmacher« beschreiben würde. Wenn der Spielfilm oder die Serie pausiert, kommt Schweighöfer nun bereits seit Wochen bevorzugt auf den Bildschirm, sagt »und Schluss!«, und die Werbung kann beginnen. Oder auch mal umgekehrt. Jedenfalls verbindet die Funktion des Clips sich aufs beste mit der Promotion des Filmtitels.

Oftmals kann man es auch erleben, dass Schweighöfer innerhalb eines solchen Werbeblocks noch ein zweites Mal auftaucht, nämlich für seinen anderen Werbepartner, einen Schokokeks, der in seinen Werbefilmchen schon seit längerem bekannte oder nicht bekannte, aber immer junge, gutaussehende Menschen ohne Gewichtsprobleme vorführt, die davon berichten, wie sie von stressigen oder nervigen Situationen mit dem Boss, der Freundin oder den Schwiegereltern öfters eine »Pause« brauchen, die die Einnahme des Produkts dann veredelt und sozusagen zur kleinen Ruhe-Oase des Genusses macht. (Gähn!) Auch in diese Prämisse fügt sich Schweighöfer großartig ein, denn spielerisch führt er hier ein Zwiegespräch zwischen Regisseur und Hauptdarsteller vor (natürlich beide von ihm gespielt), von dem sich dann sogar beide in die Schokopause retten. Und der Werbepartner zeigt hierbei sogar noch einige Filmausschnitte des bereits in den Anfangsworten des Clips »Bei meinem neuen Film ...« ins Gedächtnis gerufenen zweiten umworbenen Produkts. Der Film »Schlussmacher« soll dem Publikum somit ebenfalls wie eine Pause im Alltagsstress vorkommen, eine kleine Oase der Unterhaltung. Und angesichts der Zuschauerzahlen scheint das auch zu klappen: eine halbe Million am Startwochenende, »der beste Start eines deutschen Films seit Kokowääh« und (ich liebe diese manchmal an den Haaren herbeigezogenen Superlative aus Pressemitteilungen) »der erfolgreichste Start eines Films mit Matthias Schweighöfer in der Hauptrolle«.

Doch zurück zum Film. Schlussmacher kombiniert die nicht besonders innovative Version der Romantic Comedy, in der zumindest ein Teil des Filmpaares wieder an »die Macht der Liebe« zu glauben lernen muss (seinerzeit gern mit Rock Hudson) mit einem Buddy Movie, wo zwei zumeist sehr unterschiedliche Personen durch äußere Umstände auf kleinstem Raum interagieren müssen und dabei eine gesteigerte Wertschätzung des anderen erfahren. Zusammengefasst könnte man sagen, dass Hauptdarsteller Schweighöfer sich gleich zweifach vom Miesepeter zum glücklichen Menschen verwandeln muss (ein wenig wie der vom Alltag erschlagene Zuschauer). Es gab Zeiten, in denen Tom Cruise solche Rollen häufig spielte, etwa in Rain Man oder Jerry Maguire, wo er jeweils vom erfolgreichen Karriereschwein zum glücklichen Familienmenschen »reifte«. Das Problem, was Matthias Schweighöfer in dieser Rolle hat (und ich vergleiche höchst selten und ungern jemanden zu seinen Ungunsten mit Tom Cruise): Er ist von Anfang an viel zu sympathisch dabei. Das ist ähnlich wie damals bei Jack Nicholson in The Shining: Er sollte einen Typen spielen, der langsam durchdreht, doch er war eigentlich von der ersten Szene an so verrückt wie eine Scheißhausfliege.

Außerdem ist Schlussmacher einerseits in seiner Haupthandlung so vorhersehbar wie nur irgendwas, doch in den durchaus häufig überraschenden witzigen Episoden gelingt es dem Film nicht, wie aus einem Guss zu erscheinen. Dass Milan Peschel als »Toto« etwa einen flotten Dreier mit einem lesbischen Pärchen hat, wirkt nicht nur ein wenig unglaubwürdig (dadurch aber witziger), man nimmt dem Film aber vor allem zu keinem Zeitpunkt ab, dass diese Eskapade wirklich eine Bedeutung für die Figuren hat (eine der Lesben ist die Filmschwester Schweighöfers). Und das zieht sich durch den ganzen Film: Es gibt keine Konsequenzen, nur Scherze - selbst nach manchmal gefährlich aussehenden Stunts.

Was mich außerdem ziemlich nervte, ist das Product Placement: Nicht nur für den bereits beschriebenen Schokokeks, sondern auch noch für einen Energy Drink. Wenn in Filmen von »Sony Pictures« jedermann Computer und Handys der »Mutterfirma« benutzt, nehme ich das nur noch schulterzuckend zur Kenntnis, aber die Art und Weise, wie hier immer und immer wieder die beiden Produkte in die Kamera gehalten werden, als ernähre man sich in dieser Filmwelt von fast nichts anderem, das ist schon penetrant bis ärgerlich.

Zuletzt noch ein beinahe lobendes Fazit: Schweighöfer ist als Regisseur nicht ganz so schlimm wie Schweiger. Ich hoffe nur, dass er nicht, durch zweifachen Erfolg angestachelt, in Zukunft ähnlich häufig eigene Filme dreht, denn öfter als ein bis zweimal im Jahrzehnt (zur Qualitätskontrolle) werde ich mir auch seine Regiearbeiten nicht anschauen. Insbesondere, wenn er sich auf Romantic Comedys beschränkt.

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Die Männer der Emden

Die Männer der Emden
(Berengar Pfahl)

Deutschland 2012, Buch: Berengar Pfahl, Axel Ricke, Martin Hennig, Kamera: Erich Krenek, Schnitt: Annemarie Bremer, Musik: Matthias Raue, mit Sebastian Blomberg (Hellmuth von Mücke), Ken Duken (Karl Overbeck), Jan Henrik Stahlberg (Friedrich von Schulau), Oliver Korittke (Maat Kluthe), Sibel Kikelli (Salima Bey), Felicitas Woll (Maria von Plettenberg), Sheri Hagen (Antonia), Shaun Lawton (Gouverneur of Cocos Islands), Chiem van Houweninge (Hafenkapitän van Ommen), Michael Lott (Matrose Hilgert), Peter Sodann (Generaloberst von Leutenberg), Norman Schenk (Matrose Mahnert), Robert Glatzeder (Matrose Norget), Wolfgang Winkler (Dr. Bartel), Gerd Wameling (Wilhelm von Plettenberg), Verena Plangger (Elisabeth von Plettenberg), 110 Min. (als TV-Zweiteiler 2x 90 Min.), Kinostart: 31. Januar 2013

Generell stehe ich Filmen mit Jan Henrik Stahlberg, Oliver Korittke und / oder Sibel Kikelli als Darstellern eher positiv gegenüber, doch in diesem Fall wurde es mir schon schwer gemacht. Es fängt schon mit dieser Erzählerstimme an: rollendes R, irgendwo zwischen einem Märchenonkel und einer Hitlerparodie. Braucht man so etwas, um die vermeintlich »ruhmreichen« alten Zeiten heraufzubeschwören? Im deutschen Film, und insbesondere in diesem auch im Fernsehen auf zwei Anderthalbstünder ausgewalzten Werk offenbar. Regisseur Berengar Pfahl (der sich von Kurzfilmen für Die Sendung mit der Maus im Jahr 1977 im TV-Business stetig hocharbeitete, auch wenn ich von keiner seiner zahlreichen Serien und Mehrteiler je gehört habe) betont im Presseheft folgendes:

»Die besten Schauspieler scheitern, wenn der Hintergrund der Szene nicht stimmt. In diesem Sinne waren Die Männer der Emden in ihrer Gesamtheit wichtige Darsteller, die mit handverlesenen Schauspielern besetzt waren, auch wenn sie bisweilen 'nur' den Hintergrund darstellten. Ohne diese Crew wäre Die Männer der Emden um einiges ärmer!«

Das ist mal wieder so ein Zitat, das ich mir auf der Zunge zergehen lasse. Zunächst einmal der schöne Widerspruch zwischen den vermeintlich »besten Schauspielern« (da mag man teilweise streiten) und dem Schlusssatz, dass der Film auch »ärmer« hätte sein können, also der Komperativ von »arm«, einem Adjektiv, das man somit - vom Regisseur unbeabsichtigt abgesegnet - auf den Film anwenden kann. Doch noch interessanter wird es, wenn man den Film wirklich gesehen hat, und sich fragt, ob Pfahl seine Aussage über die »Hintergrund-Schauspieler«, die den Film sozusagen veredeln, wirklich ernst meinen kann. Immerhin geht es hier um einen zumindest zu Beginn auf dem Meer spielenden Film, der auffallend oft schlampige Green Screens und starre Schiffskulissen einsetzt, um dann an Land manchmal eine ziemlich jämmerliche Mauerschau mit wenig überzeugenden Kulissen zu liefern (das zieht sich nicht über den ganzen Film hin, aber die manchmal schön gewählten Locations können den Eindruck der Billigszenen nicht ausmerzen). Der Höhepunkt war für mich aber eine Szene gegen Schluss (Vorsicht, Spoiler! Einfach schnell mal drei bis vier Zeilen überspringen!), wo die 34 Überlebenden ausgezeichnet werden, Regisseur, Kameramann und Cutter aber offensichtlich so verliebt in die handverlesenen Hintergrund-Schauspieler waren, dass man dem Zuschauer ausreichen Zeit gibt, nicht nur daran zu zweifeln, dass es 34 sind, sondern ihm wirklich die Möglichkeit geben, mitzuzählen, dass dort aber nur 27 Männer in Reih und Glied stehen (zugegeben, auf dem Fernsehbildschirm braucht man dafür wahrscheinlich gute Augen, aber im Kino ist es sehr einfach). Da können natürlich auch »die besten Schauspieler« wenig retten. Apropos »beste Schauspieler«. Jan Henrik Stahlberg auch ich auch schon in einigen minderbemittelten Fernsehproduktionen gesehen, wo er zwar saublöde Abziehbilder verkörpern musste, aber dabei immer noch einen süffisanten, fast rebellischen Unterton rüberretten konnte. In diesem Fall aber darf er agieren wie ein Hund, der jeder läufigen Hündin im Kilometerumkreis nachläuft, sich bei der geringsten Gefahr winselnd und sich einnässend irgendwo verkriecht, und der (zur Ausformulierung seines »Charakters«) dann auch noch dadurch auffällt, dass er in Notsituationen die anderen »Männern der Emden« bestiehlt. Natürlich spielt Stahlberg aber hier nur das schwarze Schaf, das die anderen »Männer der Emden« umso heldenhafter erscheinen lässt, wie sie von der internationalen Presse »Emden Men - Gentlemen of War« genannt werden oder die Filmemacher nicht einmal davor zurückschrecken, in den Film Vergleiche mit »Lawrence of Arabia« (zugegeben, der Person und nicht dem Film) einfließen zu lassen, was schon eine ziemliche Frechheit ist. An markigen Sprüchen fehlt es offenbar weder dem Film noch seinen Machern, doch hier passt dann sehr schön ein Zitat aus dem Film, das den Widerspruch zwischen Schönrederei und eigentlicher Qualität gut verdeutlicht: »Hättste, hättste, Ankerkette!«

Werd' nicht poetisch, Ede!
Ach ja, wer unbedingt etwas über die Geschichte wissen will: Die »Emden« läuft 1914 in Tsingtau aus, wird irgendwann zurückgelassen, und seine Crew schlägt sich dann u. a. durch die Wüste. Eine ziemlich langwierige Angelegenheit, und ich bin froh, dass mir im Vergleich zum TV-Zweiteiler eine gute Stunde erspart geblieben ist.

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The Loneliest Planet

The Loneliest Planet
(Julia Loktev)

USA / Deutschland 2011, Buch: Julia Loktev, Kamera: In Briones, Schnitt: Michael Taylor, Julia Loktev, Musik: Richard Skelton, mit Gael Garcia Bernal (Alex), Hani Furstenberg (Nica), Bidzina Gujabidze (Dato), 113 Min., Kinostart: 7. Januar 2013

Die beste Szene von The Loneliest Planet gibt es gleich zu Beginn. Während man noch nichts sehen kann, gibt es ein seltsames Geräusch, was man schlecht einordnen kann. Dann sieht man die nackte, schaumbedeckte Nica (Hani Furstenberg) in einer Blechwanne auf- und abspringen, wo sie offensichtlich darauf wartet, mit nicht völlig eiskaltem Wasser übergossen zu werden. Was Gael Garcia Bernal als Alex dann auch bringt. Auch, weil ich von der Regisseurin Julia Loktev bereits den außerordentlich gelungenen Day Night Day Night kannte, nahm ich zu diesem Zeitpunkt an, dass dies eine recht clevere Art war, die intime Verbundenheit des Paares zu zeigen, ohne sich mit für die ganze Crew zumeist anstrengenden Sexszenen abgeben zu müssen. Doch da hatte ich mich geirrt, denn an Sexszenen gibt es in dem Film nicht unbedingt einen Mangel. Größtenteils wirken die meisten anderen Szenen aber seltsam improvisiert. Das Paar, das im Sommer vor seiner Hochzeit mit einem Führer durch den Kaukasus wandert, liefert sich etwa ein seltsames Volleyball-Spiel mit einem hinter einem Bretterzaun unsichtbaren Gegner - oder es gibt eine gefühlt einminütige Szene, in der sich Nicas rotes Haar in Hintersicht im Fahrtwind bewegt. Man könnte dieses »Roadmovie zu Fuß« auch »halb-dokumentarisch« nennen, wenn das nicht solch positive Konnotationen hätte.

Ich muss zugeben, dass ich ein Großteil des Films damit verbracht habe, meine Langeweile durch Sparwitze auf Kosten des Films erträglich zu machen. Zugegeben macht er es einem aber manchmal auch leicht, wenn etwa in einer vermeintlich packenden Lebensbeichte solche Dialogsätze kommen: »Ich war jung und habe Damenunterwäsche verkauft. Es war eine schwierige Zeit.« Und so sinnierte ich darüber, ob es sich vielleicht um ein Remake von Lola rennt handeln könnte (Hani Furstenberg hat nicht nur die selbe Haarfarbe, sondern auch ähnliche Klamotten), bei der Manni mittlerweile eine Glatze bekommen hat und man irgendwo in der Berglandschaft Georgiens nach einem Bolle-Supermarkt sucht. Oder ob es sich womöglich um eine Jane-Austen-Modernisierung handelt, wo mal wieder jemand ohne Poncho durch den Regen stampft und - hoffentlich - jemand anderer an Schwindsucht oder Lungenentzündung stirbt. Doch natürlich war dies ein ganz ernsthafter Film, in dem es um die Entzweiung eines jungen Paares geht, was zum einen durch eine Szene passiert, die aus Deliverance zu stammen scheint, die aber hier wie eine (nicht besonders gelungene) Schauspielprobe wirkt. »Besondere Momente«, die sich beim Drehen ergeben, sollten nicht immer auf dem Boden des Schnittraums (man erlaube mir dieses anachronistische Bild) verloren gehen, aber wenn bei der (mit Abstand!) dramatischsten Szene des Films sowohl Publikum als auch Darsteller fast in unfreiwilliges Lachen ausbrechen, dann sollte man das noch mal überdenken. Dass ist dann im weiteren Verlauf des Films zu einer nicht besonders feinfühlig vorbereiteten Annäherung zwischen dem männlichen Reiseführer und der Braut-in-spe kommt, ist dann bereits so klischeehaft und langweilig, dass ich den Film sowieso längst abgehakt hatte. Es mag durchaus Leute geben, die sich an dem durch Durchdeklinieren georgischer Verben, den Landschaftsaufnahmen oder der Chemie zwischen den Darstellern erfreuen, für mich war es der bisher zweitschlechteste Film des noch jungen Filmjahrs (und der schlechteste läuft erst im Mai an und wahrscheinlich werde ich dazu keine Kritik schreiben, weil ich ihn bis dann hoffentlich größtenteils verdrängt habe).

Demnächst (Anfang Februar) in Cinemania 89:
Erste Berlinale-Kritiken, u.a. zu: Elelwani (Forum), Hitler's Madman (Retrospektive), I kori / The Daughter (Forum), Nono, het zigzag kind (Generation Kplus) und La paz (Forum).