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19. Juni 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Die Monster Uni (Dan Scanlon)
Die Monster Uni (Dan Scanlon)
Die Monster Uni (Dan Scanlon)
Bildmaterial © Walt Disney Studios Motion Pictures
Die Monster Uni (Dan Scanlon)
Die Monster Uni (Dan Scanlon)
Die Monster Uni (Dan Scanlon)


* Klein-Tut ist eine Disney-Figur aus den 1950ern, ein kleines Boot, das ähnlich der Lokomotive Thomas einige Abenteuer erlebte.





Die Monster Uni
(Dan Scanlon)

Originaltitel: Monsters University, USA 2013, Buch: Robert L. Baird, Daniel Gerson, Dan Scanlon, Schnitt: Greg Snyder, Musik: Randy Newman, mit den Original- / deutschen Stimmen von Billy Crystal / Ilja Richter (Mike Wazowski / Mike Glotzkowski), John Goodman / Reinhard Brock (James P. Sullivan), Peter Sohn / Axel Stein (Scott »Squishy« Squibbles), Joel Murray / ??? (Don Carlton), Charlie Day / Elyas M'Barek (Art), Dave Foley / ??? (Terry Perry) Sean Hayes / ??? (Terri Perry), Nathan Fillion / ??? (Johnny Worthington), John Krasinski / Manuel Neuer (Frank McCay), Steve Buscemi / Tim Sander (Randall Boggs), Helen Mirren / ??? (Dean Hardscrabble), Julia Sweeney / ??? (Ms. Squibbles), Alfred Molina / ??? (Professor Knight), Aubrey Plaza / ??? (Claire Wheeler), Tyler Labine / ??? (Brock Pearson), Frank Oz / ??? (Fungus), Bonnie Hunt / ??? (Karen Graves), Frank Welker / ??? (Archie the Scare Pig), John Ratzenberger / ??? (Yeti), 110 Min., Kinostart: 20. Juni 2013

Als Pessimist kommt man nicht umhin, sich zu fragen, wann es soweit sein wird, dass das Animationsstudio Pixar seinen über anderthalb Jahrzehnte konstanten Qualitätsstandard nicht mehr halten kann. Wenn ein Pixar-Film mal die Erwartungen nicht ganz befriedigte, dann lag es meist daran, dass das Studio auf seine Regisseure vertraute und diesen auch mal wagemutige narrative Experimente erlaubte, doch selbst John Sturges' The Magnificent Seven von Insekten nachgespielt oder eine Frank-Capra-Hommage mit redenden Automobilen konnten sich im Wettbewerb mit Leichtigkeit als etwas besonderes hervortun. Der zehnte Pixar-Langfilm, Up, wurde damals noch besonders gefeiert, und man muss auch neidlos anerkennen, dass Ratatouille, Wall-E und Up hintereinander das waren, was man im Fußball einen Hattrick nennt. Film 11 bis 14 wirken verglichen damit klar wie eine Stagnation. Brave war großartig, trotz der Produktionsquerelen, bei denen erstmals die treibende Kraft des Films, die Regisseurin, an die kurze Leine gelegt wurde. Und die anderen drei? Alles Fortsetzungen bzw. im aktuellsten Fall ein »Prequel«, also eine Fortsetzung, die vor dem Original spielt.

Immerhin war Toy Story 3 eine gelungene Fortführung des Films, mit dem für Pixar alles begann, und Cars 2 war aufgrund des unerwarteten Genrewechsels eigentlich besser als das Original, aber Sequels allein mögen zwar den Geldbeutel füllen und die Merchandise-Artikel verstärkt auf dem Markt etablieren, aber insbesondere an Monsters University kann man absehen, dass der Film zwar beste Unterhaltung mit einigen wirklichen Überraschungen ist – aber vom bahnbrechenden Konzept von Monsters Inc. ist die »Zugabe« weit entfernt.

Als Trailer gab es vor der Pressevorführung übrigens ein Appetithäppchen, bei dem einem schnell schlecht werden konnte: Planes, kein Sequel im eigentlichen Sinne, aber die Fortführung der reichlich depperten Prämisse aus Cars, jetzt mit Flugzeugen durchgespielt. Und als nächstes »Findet Klein-Tut*«? Zur Ehrenrettung von Pixar muss hier aber erwähnt werden, dass Planes gar nicht von Pixar kommt, sondern Disney diesen zu erwartenden Erfolgsfilm allein anleierte. Und es würde zu weit führen, an dieser Stelle über diese internationale Geldlawine, die schon Kermit und Yoda erfasst hat, herzuziehen.

Zurück also zu Monsters University. Eigentlich auch ein Beispiel dafür, wie sehr Innovation und Talentschmiede (alias Pixar) mit der profitmaximierenden Industrie (alias Disney) zusammenhängen. Denn in der Welt, in der es eine Fabrik gibt, die zum Zeitpunkt dieses Films noch flächendeckend Kleinkinder von ausgebildeten »Monstern« erschreckt werden, um ihre Entsetzensschreie als Energieressource auszunutzen, in dieser Welt gibt es auch Universitäten, von denen die beliebteste nicht nur das Wort »Monsters« mit jener Firma teilt, sondern auch das große M mit dem Auge darin. In Deutschland gab es erst vor kurzem einen kleinen Skandal, weil bestimmte Gymnasien besonders eng mit Industriefirmen zusammenarbeiteten, in der Welt der Monster scheint das ganz normal zu sein, es wird jedenfalls zu keinem Zeitpunkt hinterfragt. Die überzeugendste Theorie, die diese seltsame Anomalie erklären könnte, wäre übrigens, dass in der Welt der Monster das Wort »Monster« so etwas wie die Bezeichnung des Staates ist, was dann ebenso gern verwendet wird, wie in den USA oder auch in Deutschland. Wer nur geringe Einblicke in die deutschen Zusammenhänge hat, könnte auch verwundert sein, wie Deutsche Bahn, Deutsche Bank und Kabel Deutschland miteinander zusammenhängen.

Aber zum Film. Dass Sulley und Mike sich zu Unizeiten nicht ganz grün waren, war in den Trailern mehr als offensichtlich, an Personal aus dem ersten Film wurde abgesehen von ein paar Cameos fast nur der damalige Bösewicht, die Echse mit der besonderen Tarnfähigkeit, Randall Boggs (Stimme: Steve Buscemi) übernommen. Die liebenswerteste Figur aus Monsters Inc., jenes kleine Mädchen, vor dem die Monster weitaus mehr Angst haben als umgekehrt, dürfte zu Unizeiten von Mike und Sulley noch gar nicht geboren sein, und da man damals auch noch nicht wusste, dass es eine weitaus freundlichere Energiequelle gibt als erschreckte Kinder zum Schreien zu bringen, ist eines der größten Probleme dieses Films das Um-den-heißen-Brei-balancieren, wenn es darum geht, das Studienziel zu demonstrieren. Denn natürlich kann man nicht davon ausgehen, dass das halbwüchsige Publikum von heute weiß, dass die professionelle Kindererschreckerei wie Sklavenhaltung etc. inzwischen abgeschafft wurde, und es wäre wohl ein ziemlicher Drahtseilakt, die Einsichten späterer Jahre bereits irgendwie dem Publikum nahezubringen. Das alte Problem aller Sequels: Wenn die Menschheit auf Ferengi und Borg erstmals bei The Next Generation treffen, wie kann dann auch Captain Archer eine Borg-Folge auf ihn zugeschnitten bekommen?

Wenn man sich aber dieser Problemstellung nicht bewusst ist, wird man sich daran auch nicht stören und ganz eingenommen sein vom Zuwachs an neuen Protagonisten, wobei Monsters University wahrscheinlich anderthalb der früheren Pixar-Fortsetzungen locker in die Tasche steckt. Darunter finden sich etwa: Eine Dekanin namens Hardscrabble (Stimme: Helen Mirren), die die überdeutlichen Bezüge zu Harry Potter (eine Monster-Uni ist auch so was wie eine Zauberschule) in einer Art Kombination der Lehrkräfte Snape und McGonagall feilbietet, dabei vom Aussehen das wahrscheinlich einzige »gruselige« Monster des Films. Oder der reichlich überhebliche »Jock« Johnny Worthington, im Original mit der Stimme von Nathan »Castle« Fillion, der schon als Captain Hammer die Arroganz zur Kunstform erklärte. Recht schnell entwickelt sich der Film zu einem halbwegs sportlichen Wettkampf (die Scare Games sind eine Monster-Kombi von Quidditch und den Bundesjugendspielen), bei dem der traurige Haufen, der mit Mike und Sulley antritt, in der Rolle der nerdigen Underdogs antritt. Darunter besonders unauffällig: ein älterer Herr, der nicht nur in Kostüm und Schnurrbart Marke »Bat-Sign« an Ned Flanders erinnert, sondern sich allen Ernstes auch mal durch die Lautäußerung »Holleroonie« an seinem Vorbild orientiert.

Im Film geht es natürlich um Werte wie Freundschaft, am Rande wird jedes erdenkliche Highschool-Klischee auf das Monsterumfeld hingebogen. Statt Polyester-Queen-Bees wie in Mean Girls oder House Bunny bietet die Vereinigung PNK reichlich gleichförmige Medusen im zu erwartenden Farbschema, und da die Bonbonfarben das seltsamste Merkmal der Pixar-Monster sind, gibt es auch eine auf cute getrimmte Version einer der schrecklichsten Szenen der Highschool-Filmgeschichte, die so unvergesslich ist wie der frühe Auftritt von Puss 'n Boots in Alien-Manier. Wer hier mit Halbwüchsigen im Kino sitzt, wird danach mit sich kämpfen müssen, den Kleinen nicht die für Kinder ungeeignete Originalszene vorzuspielen.

Die Geschichte wirkt wie schon bei Brave etwas kompakt, aber man hat einige Überraschungen und einen Knalleffekt in petto. Wie gesagt: Großartige Unterhaltung, aber leider weit entfernt von der Genialität des Konzepts des Originals.

Der Vorfilm The Blue Umbrella, der auch schon im Generation-Programm der Berlinale gezeigt wurde, beginnt sehr stark, wird dann aber in Rekordzeit disneymäßig kitschig und reichlich konservativ. Bei so viel Erfahrung, wie man uninteressant erscheinenden Gegenständen Leben einhauchen kann, eine kleine Enttäuschung.