Jurassic World:
Die Wiedergeburt
(Gareth Edwards)
Originaltitel: Jurassic World: Rebirth, USA 2025, Buch: David Koepp, nach Figuren und Konzepten von Michael Crichton, Kamera: John Mathieson, Schnitt: Jabez Olssen, Musik: Alexandre Desplat, Jurassic-Park-Thema: John Williams, Production Design: James Clyne, Kostüme: Sammy Sheldon, mit Scarlett Johansson (Zora Bennett), Jonathan Bailey (Dr. Henry Loomis), Rupert Friend (Martin Krebs), Mahershala Ali (Duncan Kincaid), Ed Skrein (Bobby Atwater), Manuel Garcia-Rulfo (Reuben Delgado), Luna Blaise (Teresa Delgado), David Iacono (Xavier Dobbs), Audrina Miranda (Isabella Delgado), Philippine Velge (Nina), Bechir Sylvain (LeClerc), Adam Loxley (Williams), Niamh Finlay, 134 Min., Kinostart: 2. Juli 2025
Was im Sat.1-Frühstücksfernsehen ziemlich pietätlos Jurassic Park 7 genannt wird, baut vage auf den Entwicklungen in Jurassic World Dominion auf, wo zum Schluss ein nicht immer unproblematisches Zusammenleben von Mensch und Saurier propagiert wurde. Doch die Saurier können sich (global warming hin oder her) nur in den gemäßigten Klimazonen nahe des Äquators behaupten. Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück, isso, Status quo zurück in der Spur, wird einfach im Drehbuch so behauptet, und dann kann man sich mal wieder einer Expedition widmen, die diesmal auf eine Insel führt, auf der man während des ganzen (mittlerweile in der Filmwelt abgeebbten) Saurier-Hypes auch einige nicht so clevere Hybriden erstellt hat.
In einem kleinen Prolog sieht man, wie hier mal was schief ging (Chaos-Theoretiker Jeff Goldblum hätte es sicher nicht verblüfft), weil ein Snickers-Papier im Luftzug Kapriolen schlägt wie in Final Destination. Meine Kinobegleitung meinte nur "Du bist nicht du, wenn du hungrig bist!", auch wenn der Slogan nicht Teil des Product Placement-Deals war. (Obwohl mir eine Reklame gefallen hätte, bei der sich etwa Sam Neill z.B. in einem Kinosaal kurzfristig in einen Velociraptor verwandelt hätte... aber vllt. kommt das ja noch.)
Zurück zum "present day", wo ein schmieriger Geschäftsmann (Rupert Friend, jüngst in The Phoenician Scheme, jetzt als "Martin Krebs") einer erprobten, ich sag mal Söldnerin (Scarlett Johannson) und einem Brille tragenden Wissenschaftler (Jonathan Bailey, der Fiyero aus Wicked) ein lukratives Angebot offeriert. Sie sollen auf einer Insel, zu und auf der menschliche Reisen von sämtlichen Regierungen der Welt verboten sind (!), Blutproben von den drei größten (bei der Entnahme lebenden!) Saurierarten im Wasser, auf dem Land und in der Luft besorgen.

© 2025 Universal Studios. All Rights Reserved.
Der (angeblich wissenschaftlich unterfütterte) Grund dafür: Nur die größten Saurier haben die größten Herzen, und diese Saurier haben auch eine besonders lange Lebensdauer (anders als bei z.B. Hunden...), und aus den drei Blutproben sollen gewiefte Mediziner dann eine famose Medizin gegen Herzkrankheiten zaubern, die Big Pharma dann prächtig verhökern kann. Nicht alle Elemente des Drehbuchs von David Koepp (Jurassic Dingens 1 + 2, Mission Impossible, Spider-Man, Zathura, Premium Rush oder die letzten beiden Filme mit diesem peitschetragenden Archäologen) überzeugen.
An dieser Stelle mal ein kurzer privater Einschub: Mein Kinoerlebnis wurde gefärbt dadurch, dass ich dreieinhalb Tage zuvor davon erfahren hatte, dass meine liebe Kritiker-Kollegin Elisabeth verstorben ist. Ausgerechnet an einem Herzleiden (mein eigenes Herz ist auch nicht das allerbeste). Trotzdem ist mir im Film nicht entgangen, dass man dort noch mehr Süßigkeiten gemampft hat als ich es mir gemeinhin erlaube. Sogar den kleinen Aquilops (keine Angst, ich versuche euch nicht unnötig mit Saurierarten zu quälen), den man kurzerhand als Schoßtier adoptiert, füttert man mit roten Lakritzeschnüren. So richtig thematisiert wird das nicht. Aber die Vertragspartner bei Mars Veghel waren vermutlich dagegen.
Back to the movie! Die Drehbuchstruktur mit den klar abgegrenzten drei Blutproben, die wie auf einer Checklist abgearbeitet werden, wird im Presseheft abgefeiert ("Jeder Handlungsstrang ist eine eigene spannende Kurzgeschichte, und sie fügen sich zu einer epischen Achterbahnfahrt zusammen" soll der Regisseur gesagt haben), aber ich fand das irgendwie etwas uninspiriert. Mein Verdacht war, dass die drei Saurier (oder Artgenossen derselben) sich zum Showdown zusammentun würden, was aber schon dadurch vereitelt wird, dass der auf dem Land lebende Titanosaurus ein reichlich entspannter Pflanzenfresser ist.

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Also zurück zum Anfang. Was mich im Film auch etwas nervte (und was mir zuvor im Franchise nicht so aufgefallen war): eine ganze Zeitlang gibt es immer wieder Quatsch-Szenen (der Fachbegriff ist "Dialog"), wo was erklärt wird oder mit eingeschränktem Erfolg Emotionen aufgebaut werden, ehe es dann eine Reisepassage oder Kamerafahrt durch Landschaften gibt, bei denen Alexandre Desplat das John-Williams-Thema immer wieder abfeiern kann. Dann wieder palavern, dann Trommelwirbel und Streicher-Crescendo usw.
Bei den Wasser- und Bootszenen versöhnt der Film dann, weil die die überzeugendsten sind. Hier kommt auch die Familie Delgado ins Spiel, die auf einer restaurierten Schaluppe namens "La Mariposa" einen Segeltörn in den Sommerferien macht. Und völlig überraschend durch Saurierkontakt in Seenot gerät. Das bringt dann das Team um die erwähnten drei Expedis vom Anfang, angereichert mit unterschiedlich charakterfesten Figuren wie dem von Mahershala Ali (zweifach oscarprämiert für Moonlight und Green Book) gespielten Kapitän der "Essex" in ein erstes moralisches Dilemma, ob man auf einen Notruf reagieren soll oder stattdessen ruckzuck die Blutproben abhaken.
Nur mal so viel zu den Figuren: Man weiß eigentlich ziemlich genau, in welcher Reihenfolge die Figuren abtreten. Nicht zuletzt der Familien-Standard in allen Jurassic-Filmen läuft halt immer sehr ähnlich ab, und wenn die Filme dann zurechtgestutzt im Sat.1-Nachmittagsprogramm laufen, wird halt das zum Teil drastische Ableben der Figuren gern zu einer Ratestunde (wenn man die Film nicht kennen würde). Ich weiß, dass Spielbergs Saurier-Filme immer den Spagat zwischen Familienkino und Grusel und Gefahr vollziehen, aber das immer selbe Schema nutzt sich schon zunehmend ab (und ich würde meine sechsjährige Nichte - na gut, inzwischen ist sie über 20 - nicht in solch einen Film zerren).
Dennoch erinnern die Szenen auf offenem Meer an Spielbergs ersten Blockbuster Jaws, der übrigens schon 50 Jahre alt ist, und von dem heutige Regisseure immer noch viel lernen können.
Ich will nicht zu viel ausplaudern, aber einige Szenen sind schon wirklich spektakulär, und CGI macht es halt möglich, dass das reptiloide Hai-Äquivalent leicht seitlich unter dem Boot mit großem Auge seine Zwischenspeise anvisieren kann ehe man dann mal beherzt was vom Büfett abgreift. Da wünscht man sich als gefühlskalter Zuschauer mehr Bootspersonal, das geopfert werden kann. Aber die menschlichen Opfer in diesem Film sind schon streng rationiert. Ich kann mich an einen filmanalytischen Vergleich zwischen den Hai-Angriffen in Jaws und den Vogelangriffen in Hitchcocks The Birds erinnern (vermutlich Fischer Filmgeschichte, Band 4: 1961-76, aber finde ich gerade nicht). Vergleichsweise unspektakulärer wären da die Todesfälle in Jurassic World: Rebirth.

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Schon auf dem Meer gibt es übrigens den ersten misslungenen Effekt (laut Presseheft hatten die Technik-Gurus nur 32 statt 44 Wochen Zeit), wenn die zu rettenden Delgados nicht ganz in die Richtung winken, aus der die Essex kommt (der Fluch der Greenscreen). Später fielen negativ auf: die letzte Einstellung bei Isabellas Flucht vor dem T-Rex, die Ausleuchtung bei der Floßfahrt zum Sonnenuntergang und vor allem der (echte / gebaute) Felsenvorsprung inmitten der Berge mit den Wasserfällen. Da hat man schon einiges vermurkst bzw. nicht noch dreimal korrigiert, bis es wirklich passt.
Ich muss sagen, Blutprobe 2 und 3 haben mich nicht so richtig überzeugt. Bei den Landsauriern sollte mal wieder so eine Staun-Szene wie im Original Jurassic Park anstehen, aber die funktioniert nicht. Alles viel zu sehr romantisiert (ich vermisse auch den evolutionären Vorteil dieser quasi rumfliegenden Endlos-Schwänze). Der Kampf mit dem Flugsaurier (siehe Plakatmotiv) war hochdramatisch, aber spult auch die üblichen Gemeinplätze ab. Und wie während des Hauptteils des Films immer mal wieder gefährliche Tiere im Vorder- oder Hintergrund durchs Bild pilgern (dann aber meist ohne Konsequenzen und mit einigem vergeudeten Potential für suspense) ... das hält einen wach, aber treibt den Blutdruck nicht unbedingt hoch (aber ich hatte auch püktlich meine Amlodipin, Doxasozin und Ramipril eingeworfen). Da fand ich den Schulbus in der einen Großstadt-Szene deutlich spannender, immerhin war der von der "Crichton Middle School". Solche versteckten Gags mag ich.
Nun sind wir auch schon wieder beim Showdown, und da wird traditionell nicht gekleckert, sondern geklotzt. Regisseur Gareth Edwards hat ja mit Rogue One nicht nur den - IMHO - besten Star-Wars-Film der letzten 40 Jahre gedreht, sondern auch einige Monster-Filme, aber die hässlichen Bastarde zum Schluss der Wiedergeburt (keinen Schimmer, wie es zu dieser Titelwahl kam) haben nur wenig von der Eleganz der üblichen Saurier (ich will keinen Velociraptor im heimischen Supermarkt treffen, aber im Kino anschauen tue ich sie mir schon mal gern).
Die von einer Begegnung David Koepps mit einer Fledermaus inspirierten "Mutadons" (ja, sorry!) haben mich eher an löwengroße scheußliche Tauben erinnert (bin kein Taubenfan). Die agieren wie einst die Velociraptoren, aber wenn eine davon sich eben mal in einen unterirdischen Gang zwängt und Scarlett Johansson das wenige Sekunden später nachahmt, habe ich mich schon gefragt, wer unüberlegter handelt: der Saurier oder die Söldnerin mit der wenig überzeugenden Charakterwandlung?

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Und dann kommt noch der "D-Rex" (Edwards' besonderer Favorit), wobei das D nicht für "demented" steht, sondern für (alles im Presseheft nachzulesen) "Distortus Rex". Ich war skeptisch und hab's kontrolliert, das ist tatsächlich glasklares Latein. Dessen Aussehen könnte ich lange schildern, aber ich mache es kurz (und vermutlich nicht politisch korrekt): Er sieht aus wie ein contergan-geschädigter T-Rex mit dem passend großen Wasserkopf vom Elefantenmenschen. Kein echter Sympathieträger, da hat mir der aus dem Mittags-Nickerchen geweckte, einige Zeit fast putzige T-Rex deutlich besser gefallen.
An dieser Stelle ein winziger Wortwitz, den ich mir nicht verkneifen kann: "Gähn-Manipulation"!
Mein Gesamturteil ist nicht sehr gnädig, aber unterhalten habe ich mich die meiste Zeit schon. Allerdings gab es neben der enttäuschenden Drehbuchstruktur und einiger misslungener Effekte auch einfach ein paar Szenen, die mir zu blöd waren. Warum knapst Scarlett den Drahtzaun durch, wenn selbst ich da ohne Probleme durchgeklettert wäre? Warum kommt das Blut in der Strandszene aus der anderen Richtung (zumindest in der Menge nicht schlüssig)? Warum verhält sich die defekte Neonröhre exakt so, wie das Drehbuch es verlangt? Warum kann der T-Rex trotz Riesenkopp und kleiner Ärmchen so erstklassig tauchen? Und last but not least: Wie konnten sich die Titanosaurier in 1,5 m hohem Gras quasi anschleichen? Haben sich die geschätzt 55 Riesenechsen alle hinter dem einen Hügel verborgen?
Das kann man auch nicht damit wiedergutmachen, dass der Wissenschaftler im Film mal sagt "You know, intelligence is highly overrated." Ich bevorzuge Filme, die die Intelligenz des Publikums nicht beleidigen oder wenigstens kackdreist ignorieren.