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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Februar 2006
 

Cinemania 24:
Kinostarts Frühjahr 2006 bis zur Berlinale

Aufgrund der bereits im Vorfeld der Berlinale verstärkten Arbeitslast mit etwas Verspätung die Januar-Starts zuzüglich jener Februar-Filme, die bis zur Berlinale starten. All die bemitleidenswerten satt.org-Leser, die vom 9. bis 19. Februar nicht in der Filmhauptstadt Deutschlands sind, sollen ja auch ein bißchen Auswahl haben, darunter Filme mit fischäugigen Geishas, turmspringenden Schafen und Luigi Forello, einem „Fish out of Water“ …


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Cinemania 24:
Kinostarts Frühjahr 2006
bis zur Berlinale

[Alle Rezensionen außer Casanova von Thomas Vorwerk]

Zurück nach Dalarna! (Maria Blom)

Dt. Titel: Masjävlar, Schweden 2004, Buch: Maria Blom, Kamera: Peter Mokronsinski, Schnitt: Petra Ahlin, Michael Leszczylowski, Musik: Anders Nygårds, mit Sofia Helin (Mia), Kajsa Ernst (Eivor), Ann Petrén (Gunilla), Lars G. Aronson (Ingvar), Barbro Enberg (Barbro), Joakim Lindblad (Jan-Olov), Inga Ålenius (Anna), Willie Andréason (Calle), Peter Jankert (Tommy), Alf Nilsson (Tore), Maja Andersson (Ida), Cecilia Forss (Helena), Martin Heningsson (Johan), 98 Min., Kinostart: 9. Februar 2006

Zum 70. Geburtstag ihres Vaters Calle kehrt die in Stockholm lebende jüngste Tochter Mia nach längerer Zeit erstmals zurück nach Dalarna, jenem Landstrich Schwedens, der weithin als die schönste Region des Landes angesehen wird (und wo Regisseurin Maria Blom mittlerweile auch wohnt). Was genau Mia bei der international erfolgreichen Firma Ericsson für einen Job bekleidet, ist den Dorfbewohnern relativ egal, es ist halt „irgendwas mit Computern“, viel bedeutender ist es, daß Mia immer noch keinen festen Freund oder - noch besser! - einen Ehegatten und gemeinsame Kinder hat. Ihre älteren Schwestern gehen da mit unterschiedlich gutem Beispiel voran. Eivor ist ganz die traditionsbewußte Trachtenträgerin, deren jüngste Tochter Ida dem Großvater beim Geburtstagsfest ein Ständchen auf der Geige bringen soll. Eivors ältere Tochter Helena ist beim Beziehungen schmieden scheinbar schon weiter als ihre Tante Mia und bringt zum Fest immerhin ihren Freund mit. Doch Mias andere Schwester Gunilla bringt auch den Beweis mit, daß nicht jede Ehe für die Ewigkeit hält. Als esoterisch veranlagter Späthippie schwärmt Gunilla jedem von ihrem Bali-Urlaub vor, die Kinder aus ihrer Ehe kommen wegen fadenscheiniger Ausreden beide nicht zum Geburtstag des Großvaters.
Während die eher verschlossene, zunächst ganz in Schwarz gekleidete Mia gegen ihre gesprächigen Schwestern nicht immer gegenhalten kann, bringt ihr Geburtstagsgeschenk (ein Einkaufsgutschein über 5.000 Kronen) aber andere Steine ins Rollen, die das Familienfest in skandinavischer Tradition à la Das Fest zu einer (für den Zuschauer sehr unterhaltsamen) Katastrophe anwachsen lassen könnten. Denn durch soviel Großzügigkeit angestachelt, vermachen die Eltern Mia vorzeitig das schöne Grundstück am See, das sich Eivor insgeheim als Heim für ihre heimatverbundenere Tochter Helena ausgemalt hatte. Wer glaubt, diese Querelen reichen schon für einen tragikomischen Familienabend, bekommt noch einige Zugaben. Da ist etwa der mit 37 noch bei seiner Mutter Barbro lebende Jan-Olov, der ganz wie Mia noch auf „Freiersfüßen“ steht, mittlerweile aber fast die gesamte weibliche Ortsbevölkerung in seinem Alter ausgetestet hat, ohne „die Richtige“ gefunden zu haben. Jan-Olovs Vater Arvid hatte sich den zehn Jahre zurückliegenden 60. Geburtstag Calles für seinen Selbstmord ausgesucht, und Jan-Olov steckt gerade auch in einer tüchtigen Depression, da scheint sich eine traurige Tradition fortzusetzen. Mindestens genau so „schlecht beieinand“ wie Jan-Olov ist aber auch Ingvar, Mias Onkel, der plötzlich eine sehr frauenfeindliche Ader entwickelt und am liebsten mit der Kettensäge auf die für all sein Unglück stehende Dorfkatze losgehen würde. Wie es sich für Skandinavier gehört, wird auch viel getrunken (den billigen Fusel füllt man aus Kanistern in bereitstehende Markenflaschen, damit niemand Angst haben muß, blind zu werden), und die Familienfeier endet dann auch mit so manchem „Paukenschlag“.
In Schweden war dieser tragikomische Familienfilm der größte Kinoerfolg des Jahres 2005. Eine Million Zuschauer hört sich nach nicht so viel an, doch man darf nicht vergessen, daß das bedeutet, daß etwa jeder neunte Schwede diesen Film im Kino sah. Wenn man bedenkt, was für ein Überraschungserfolg Populärmusik aus Vittula hierzulande war (und noch ist), könnte dieser Film zur rechten Zeit kommen, um auch eine Menge Deutsche ins Kino zu locken. Es lohnt sich!


Zathura
Ein Abenteuer im Weltraum
(Jon Favreau)

Originaltitel: Zathura, USA 2005, Buch: David Koepp, John Kamps, Lit. Vorlage: Chris von Allsburg, Kamera: Guillermo Navarro, Schnitt: Dan Lebenthal, Musik: John Debney, Production Design: J. Michael Riva, mit Josh Hutcherson (Walter), Jonah Bobo (Danny), Tim Robbins (Dad), Dax Shepard (Astronaut), Kristen Stewart (Lisa), Frank Oz (Stimme des Roboters), 88 Min., Kinostart: 2. Februar 2006

Bei A Good Woman habe ich mich Ende letzten Jahres darüber aufgeregt, daß auf dem Plakat stand, daß der Film auf einem Roman von Oscar Wilde basiert (Lady Windermere’s Fan ist aber ein Theaterstück). Diesmal hat man es zwar nicht auf dem Plakat, aber in den Pressematerialien noch ein bißchen schlimmer getrieben. In Zeiten, in denen Die wilden Hühner im „Zitty“ unter dem Genre „Literaturverfilmung“ geführt wird, macht man hier aus einem 32-seitigen Kinderbuch voller Illustrationen auch einfach einen „Roman“, was ich ziemlich seltsam finde.
Der Autor der Buchvorlage, Chris von Allsburg, schrieb auch schon The Polar Express und Jumanji, wobei Zathura insbesondere eine Variation von letzterem zu sein scheint. Wieder finden Kinder ein Brettspiel, das plötzlich lebensbedrohliche Abenteuer hervorbringt, und um zu überleben, muß man das Spiel bis zum Ende durchspielen. Die Verfilmung von Jumanji habe ich mir seinerzeit erspart, die CGI-Affen sahen lächerlich aus, und meine Toleranz für Robin Williams war zu dem Zeitpunkt nicht besonders hoch. In Zathura spielen zwar auch zwei Erwachsene mit, doch die Rollen sind entweder besonders klein (Tim Robbins gibt eine kurze, aber prägnante Vorstellung als „Dad“) oder gänzlich der Geschichte untergeordnet (“Astronaut“ Dax Shepards Background als Fernsehkomiker ist zwar präsent, aber er spielt sich nicht in den Vordergrund).
Es geht vor allem um die beiden ungleichen Brüder, die sich zusammenraufen müssen, um dieses Weltraumspiel mit Meteoritenschauern, Wurmlöchern, wildgewordenen Roboter und fleischfressenden Zorgonen zu überleben. Die ältere Schwester darf nur mal kurz in ihren Hot Pants durchs Bild huschen und Anlaß für einige Scherze geben, bevor sie für einen Großteil des Films kaltgestellt wird (“shipmate enters cryogenic sleep chamber for 5 turns“).
Wie in so vielen Kinderfilmen heutzutage leben auch die Eltern von Danny (6 3/4) und Walter (10) getrennt. Und momentan verbringen sie gerade den Dreitages-Teil der Woche bei ihrem Designer-Dad (“I like mom’s [house] better“ - „Well, so did she - and now it’s hers!“), der sich zumindest Mühe gibt, seine Zeit mit Ballspielen zwischen den Kindern aufzuteilen. Doch wenn nach 25 Ballwechseln der kleine Bruder „an der Reihe“ ist oder Dad nochmal kurz weg muß, um einen Job zu retten, kristallisiert sich schon schnell eine Dauerklage eines der Söhne heraus: „That’s not fair!“ Kinder leiden halt noch unter dem Irrglauben, daß im Leben immer alles fair sein muß. Der kleine Danny liebt zwar seinen größeren Bruder, ist aber irgendwie angepisst davon, daß dieser alles besser kann (zum Beispiel Bälle fangen). Und so ergibt es sich natürlich auch beim Spiel „Zathura“, daß Walter innerhalb einiger Züge zum Raumschiffkapitän promoviert wird, und bei Streitereien unter Brüdern kann es spätestens dann gefährlich werden, wenn das Spiel einem der Brüder einen Wunsch gewährt …
Zathura funktioniert nicht nur als Kinderfilm perfekt, sondern unterhält auch das erwachsene Publikum, ähnlich wie Nanny McPhee oder Charlie and the Chocolate Factory. Und wer noch eine gewisse Affinität zu Science Fiction der 1950er hat, wird bei diesem „Space Adventure“ voll auf seine Kosten kommen. Daß die Naturgesetze in der Welt des Spiel etwas anders funktionieren (Raumanzug ist nicht von Nöten, unterschiedliche Schwerkraft innerhalb und außerhalb des Hauses), ist hier kein Manko, sondern unterstützt den phantasievollen Spaß nur noch.

Dick und Jane (Dean Parisot)

Originaltitel: Fun with Dick and Jane, USA 2005, Buch: Judd Apatow, Nicholas Stoller, Kamera: Jerzy Zielinski, Schnitt: Don Zimmermann, Musik: Theodore Shapiro, mit Jim Carrey (Dick Harper), Téa Leoni (Jane Harper), Alec Baldwin (Jack McCallister), Richard Jenkins (Frank Buscombe), Clint Howard (INS Agent), Ralph Nader (himself), 90 Min., Kinostart: 5. Januar 2006

Fun with Dick and Jane (dt.: Das Geld liegt auf der Strasse) war Mitte der Siebziger mal eine ganz nette Komödie mit Jane Fonda und George Segal, Regie führte Ted Kotcheff, ein nicht gerade übermäßig begnadeter Komödienexperte (Who is Killing the Great Chefs of Europe? / Die Schlemmerorgie), an den sich heutzutage aber wahrscheinlich mehr wegen First Blood (dt.: Rambo) erinnern. Ich persönlich erinnere mich nicht mehr an viel von Fun with Dick and Jane, daß beispielsweise der Titel sich von einer in den USA bekannten Lesefibel ableitet, war mir bis vor Sichtung des Remakes mit Jim Carrey und Téa Leoni nicht präsent.
Dean Parisot, der Regisseur des neuen Films, ist auch ein Komödienexperte, und auch, wenn ich nur einen Film von ihm kenne, ist er mir mit Galaxy Quest so sehr ans Herz gewachsen, daß ich geneigt bin, über einige kleine Makel an Fun with Dick and Jane hinwegzusehen. Die Prämisse ist dieselbe wie damals: Ein glückliches Oberklasse-Ehepaar wird mit der Entlassung des Ernährers konfrontiert und entwickelt sich Banditenpärchen à la Bonnie & Clyde, um den Lebensstandard zu erhalten. Dies gibt genügend Anlaß für Scherze, die manchmal gesellschaftskritisch (Mercedes oder BMW, das ist hier die Frage. Ob’s edler …) ausfallen, sich mitunter aber auch in Slapstickeinlagen genügen. Was weder bei Jim Carrey noch beim Drehbuchautor Judd Apatow (The Forty Year Old Virgin) überraschen sollte. Erstaunlich ist aber, wieviele der sehr unterschiedlichen Witze funktionieren. Ob der eheliche Sex für nächsten Samstag geplant wird, das Kind durch das Verkaufen des Fernsehers traumatisiert wird oder Jane ihren ersten Ausflug in den örtlichen Head Shop macht. Oder auch mal eine Gag-Parade mit Raubüberfall-Verkleidungen zwischen Blues Brothers und Rocky Horror Picture Show initiiert wird oder man den Hund per Elektroschock-Halsband vom Kläffen kurieren will (mit Erfolg). Wirklich ernstnehmen als Satire kann man den Film nur schwer, als gelungene Unterhaltung dürfte er aber auch Zuschauern mit etwas höheren Ansprüchen genügen. Jim Carrey scheint die Rolle auch auf den Leib geschneidert, dann sowohl als gelackter Yuppie als auch als Loser, der alles (fast sogar seine Staatsbürgerschaft) verliert, weiß er zu überzeugen. Schließlich ist er sogar soweit, daß er für den wegen ausbleibender Zahlungen wieder einkassierten Rasen vor dem Haus ersetzen will - und klaut sich überall in der Stadt Grünstücke zusammen. Es bedarf schon eines Komikers vom Kaliber Jim Carreys, damit solche Gags funktionieren.
Als durchtrieben fieser Chef von Dick spielt außerdem Alec Baldwin mal wieder die Rolle, die er in den letzten Jahren in Filmen wie The Cooler, The Cat with the Hat, The Aviator oder Elizabethtown mit leichten Variationen perfektioniert hat. Und der aus Six Feet Under bekannte Richard Jenkins ergänzt das Quartett der Hauptfiguren.

Himmel und Huhn (Mark Dindal)

Originaltitel: Chicken Little, USA 2005, Buch: Steve Bencich, Ron J. Friedman, Ron Anderson, Story: Mark Dindal, Mark Kennedy, Schnitt: Dan Molina, Musik: John Debney, mit folgenden Originalsprechern / deutschen Synchronstimmen (Rollen): Zach Braff / Kim Frank (Chicken Little / Hühnchen Junior), Garry Marshall / Markus Maria Profitlich (Buck Cluck / Bruno Hühnchen), Joan Cusack / Verena Pooth (Abby Mallard / Susi Schnatter), Steve Zahn / Manuel Straube (Runt of the Litter / Ed von Speck), Dan Molina (Fish Out Of Water / Luigi Forello), Amy Sedaris / ? (Foxy Loxy), Don Knotts / Christian Ude (Mayor Tukey Lurkey / Bürgermeister Fritz von Vogelwitz), Patrick Stewart / Leander Haußmann (Mr. Woodlensworth / Herr Wollgemuth), Wallace Shawn / ? (Principal Fetchitt), Adam West / ? (Ace – Hollywood Chicken Little), Mark Dindal / Boris Becker (Coach), 82 Min., Kinostart: 26. Januar 2006

Als ich zum ersten Mal einen Trailer zu Chicken Little sah, war das vor der Pressevorführung zum Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, und die geschickte Übernahme des Slogans „Don’t Panic“ schien mir schon perfekt auf den Hauptfilm zugeschnitten.
In Chicken Little fällt dem gleichnamigen Titelhelden ein Stück des Himmels auf den Kopf, und man könnte jetzt denken, da hat jemand Asterix gelesen - doch anderthalb Jahrzehnte vor der ersten Asterix-Veröffentlichung gab es bei Disney bereits einen kurzen Animationsfilm mit dem Titel Chicken Little (Regie: Clyde Geronimi) - und auch hier kommt das vom Himmel herabgefallene Stück vor.
Es ist Teil eines perfiden Plan von Foxy Loxy, eines Fuchses, der die gesamte Geflügel-Community (im Verschlag leben auch noch Truthähne, Gänse und Enten) seiner Natur entsprechend am liebsten verspeisen würde, und der mithilfe einiger Spezialeffekte (Zigarrenrauch, Donnerblech, Regen aus der Gießkanne) dem etwas zurückgebliebenen Chicken Little weismacht, daß das blaugestrichene Holzstück mit einem aufgemalten gelben Stern, das der Fuchs vom Schild einer Wahrsagerin abgerissen hat, tatsächlich ein Stück des herabfallenden Himmels ist. Hierzu suggeriert er dem angeschlagenen Hühnchen noch zusätzlich durch ein Astloch folgenden Text:
“This is the voice of doom speaking. Special Bulletin! Flash!!
The sky is falling. A piece of it just hit you on the head.
Now be calm. Don’t get panicky. Run for your life!“
War die Geschichte schon vorher sehr satirisch in ihrer Beschreibung der sehr menschenähnlichen Hühnergesellschaft, so wird spätestens durch den gezielten Einsatz von Massenpsychologie, der aus Chicken Little eine veritable Führernatur macht, klar, daß sich Chicken Little wie ca. jeder zweite amerikanische Zeichentrickfilm aus dem Jahre 1943 (das Jahr von Der Führer’s Face, Blitz Wolf und Education for Death) auf den zweiten Weltkrieg und ein bestimmtes leichtgläubiges Volk bezieht - doch da die Anspielungen hier recht subtil sind, geht es nie um Deutsche, die Geflügel-Community entspricht auch eher amerikanischen Klischees …
Nachdem es Chicken Little gelingt, das Hühnervolk von der drohenden Gefahr des einstürzenden Himmels zu überzeugen, brechen alle panikartig zu einer Höhle auf, die der Fuchs dann von außen mit einem Stein verschließt, bevor er vor der Höhle ein Schild „In to lunch“ drapiert und sich mit einer Serviette bewaffnet in die Höhle begibt. Der Erzähler versichert den Zuschauer zu diesem Zeitpunkt noch „Don’t worry folks, this all turns out alright“, doch bei der nächsten Einstellung hat der Fuchs bereits einen dicken Bauch und den Boden der Höhle ziert ein aus diversen Wishbones bestehendes Massengrab.
In der computeranimierten Langfilmversion von Chicken Little (im Pressematerial bezieht man sich nicht weiter auf den Kurzfilm, sondern faselt wenig überzeugend etwas von einer englischen Fabel aus dem Jahre 1700) geht es nicht um Massenpsychologie oder Massengräber, und auch aus dem bösen Foxy Loxy wurde ein nicht unbedingt nettes, aber relativ harmloses Fuchsmädchen. Nach dem Fall des Himmelsstücks (das zunächst nicht weiter erklärt wird), erzeugt „Hühnchen Junior“ eine Panik, die ihren filmischen Höhepunkt in einem Kino findet, in dem gerade Raiders of the Lost Ark (Realfilmschnipsel wie in Lilo & Stitch) gezeigt wird, bevor entsprechend zum Geschehen auf der Leinwand eine riesige Kugel durch die Wände des Lichtspielhauses bricht, und Junior nach den immensen Sachschäden ohne des geringsten Beweises seiner „Himmel-fällt-uns-auf-den-Kopf“-Theorie nicht nur von den anderen Bewohnern von Oakey Oaks gemeiden wird, sondern insbesondere das Verhältnis zu seinem (alleinerziehenden) Vater durch den Vorfall sehr in Mitleidenschaft gezogen wird.
Die Vater-Sohn-Geschichte wird (leider) auch zum Zentrum des Films, von dem dem die teilweise gelungenen Gags, eine unerwartet gruselige außerirdische Invasion und ein mitreißender Soundtrack mit viel Zeugs aus den 1970ern / 80ern (I will survive, Staying Alive, aber auch It’s the End of the World as we know it oder Wannabe von den Spice Girls als Karaoke) allesamt überschattet werden. Ähnlich wie bei Madagascar vom Konkurent Dreamworks nutzt man nun auch bei Disney die Computeranimation für zeichentricktypische Effekte, was beispielsweise bei den vier Hauptfiguren augenfällig wird: Ein sympathisches Hühnchen und ein hässliches Entlein als main couple, unterstützt von einem fetten Ferkel und einem pantomimisch begabten Fisch. Mit der bei Pixar-Filmen vorherrschenden Story-Logik hat das nicht mehr viel zu tun, hier geht es vor allem um Gags, und beispielsweise Fettleibigkeit bringt immer Lacher (siehe auch das Nilpferd in Madagascar)
Wenn man jedoch bedenkt, was Regisseur Mark Dindal bei The Emperor’s New Groove (dt.: Ein Königreich für ein Lama) mal an anarchischem Witz und Ehrerweisungen an den postklassischen Zeichentrick eines Tex Avery oder Chuck Jones geliefert hat, so wirkt Chicken Little ganz so, als hätte da noch jemand feuchte Eierschale hinter den Ohren kleben. Wenn in hundert Jahren jemand von Chicken Little spricht, so wird der Trickfilmexperte der Zukunft (der Urgroßenkel von Rolf Giesen oder Klaus Harms beispielsweise) sicher an den Kurzfilm aus dem zweiten Weltkrieg denken - oder doch an diese englische Fabel von 1700?!?

Nachtrag: Habe im Internet die Geschichte The Primer gefunden, von Harriette Taylor Treadwell im Jahre 1910 verfasst und dem alten Cartoon durchaus ähnlich (Inkl. Figuren wie Chicken Little, Turkey Lurkey, Ducky Lucky, Henny Penny, Goosey Loosey). Auszug:
Foxy Loxy said, "We will run. We will run into my den, And I will tell the king."
They ran into Foxy Loxy's den, but they did not come out again.

Casanova (Lasse Hallström)

[Rezension von Friederike Kapp]

USA 2005, Buch: Kimberly Simi, Michael Christofer, Kamera: Oliver Stapleton, Schnitt: Andrew Mondshein, Kostüme: Jenny Beavan, mit Heath Ledger (Casanova), Sienna Miller (Francesca Bruni), Lena Olin (Andrea Bruni), Natalie Dormer (Victoria), Charlie Cox (Giovanni Bruni), Jeremy Irons (Bischof Pucci), Oliver Platt (Paprizzio), Phil Davies (Guardi), Stephen Greif (Donato), Omid Djalili (Lupo), Paddy Ward (Vittorio), Ken Stott (Dalfonso), Tim McInnerny (Der Doge), Helen McCrory (Casanovas Mutter), Leigh Lawson (Liebhaber der Mutter/Tito), 108 Minuten, Kinostart: 9. Februar 2006

Nur wenige Wochen nach Ein ungezähmtes Leben kommt bereits der nächste Film von Lasse Hallström in die Kinos. Casanova entstand wiederum unter Mitwirkung des Kameramannes Oliver Stapleton sowie des Cutters Andrew Mondshein, die bereits für The Shipping News (2001) verpflichtet waren. Stapleton zeichnete davor für die Kamera in The Cider House Rules (1999) verantwortlich, Mondshein besorgte den Schnitt in Chocolat (2000), What’s Eating Gilbert Grape (1993) und Once Around (1991). Auch in Hallströms nächstem Film The Hoax, der sich in der Post-Production befindet, setzt das Trio seine gedeihliche Zusammenarbeit fort. Herausgekommen sind auch bei Casanova atmosphärisch dichte Bilder. Thematisch wagt sich Hallström diesmal in gewisser Weise auf neues Gelände. Bislang drehten sich seine Filme um das stille, unbeachtete Heldentum von ungewöhnlichen Menschen in ungewöhnlichen Umständen an abgelegenen Orten. Diesmal soll es laut werden, turbulent. Die Titelfigur ist bekannt wie ein bunter Hund, seine Erlebnisse stehen im Zentrum der allgemeinen zeitgenössischen Aufmerksamkeit. Ein Skandal jagt den nächsten. Das Ergebnis vorweg: Der Wechsel ins Fach der burlesken Komödie ist nur unvollständig gelungen.
Casanova hat sich verliebt. Das passiert ihm ausgerechnet kurz nach seiner Verlobung, und leider ist die Frau seiner Träume nicht seine zukünftige Braut. Francesca (Sienna Miller), die Angebetete, ist ein rechter Blaustrumpf. Als Mann verkleidet, hält sie wissenschaftliche Vorträge an der Universität, schreibt unter einem Pseudonym feministische Traktate und ist dem berüchtigten Weiberheld, den sie nur vom Hörensagen kennt, zutiefst abhold. Victoria hingegen (Natalie Dormer), die Verlobte, ist dem Ruf ihres Zukünftigen bereits erlegen, bevor sie überhaupt mit ihm gesprochen hat. Vertrackterweise wohnen die beiden Damen in gegenüberliegenden Häusern, weswegen der Herzensbrecher zu allerlei Verkleidungs- und Verstellungskünsten Zuflucht nimmt.
Francescas schüchterner Bruder (Charlie Cox) schmachtet seine schöne Nachbarin seit Jahren an, ohne von ihr auch nur wahrgenommen zu werden. Auch seine emanzipierte Schwester hat ernsthafte Sorgen in Liebesdingen, soll sie doch an den reichen Kaufmann (Oliver Platt) verscher-- äh, verheiratet werden, da die gatten- und deshalb offensichtlich auch mittellose Mutter (charmant und überzeugend: Lena Olin) von finanziellen Nöten geplagt wird. Casanovas Entschluß zur bürgerlichen Verlobung wiederum ist der Versuch, sich der Inquisition zu entziehen, welcher der gehässige Bischof Pucci (Jeremy Irons) ihn zu unterwerfen gedenkt und gegen die der wohlmeinende Doge (Tim McInnerny) nur in begrenztem Umfang Protektion gewähren kann. So versucht jeder, den Lauf der Dinge in seinem Sinne zu beeinflussen, ohne die Motive und Absichten der anderen zu kennen. Das Spiel kann beginnen.
In manchem erinnert Casanova an Shakespeare’sche Vorbilder. Italienischer Schauplatz, üppige Kostüme und Ausstattung, clevere Frau verkleidet sich als Mann (Portia in Der Kaufmann von Venedig), Werben und Widerstreben, Dialogwitz, Schwank und die eine oder andere amouröse Frivolität: alles da. Und doch will sich der rechte Drive irgendwie nicht einstellen. Das liegt zum Teil an Drehbuch und Regie, zum Teil an der Darstellung. Dialogszenen sind nicht rasant genug, zu langatmig in Wort und Schnitt. Sexuelle Anspielungen sind platt bzw. geschmacklos. (Als Casanova beispielsweise beschuldigt wird, eine junge Nonne, eine Novizin verführt zu haben, und befindet: "She was hardly a novice." Haha. Es kommt aber noch gröber.) Einige Szenen balancieren unentschlossen auf der Trennlinie zwischen Ernst und Burleske. Der Kaufmann Paprizzio auf der Streckbank: Ist das wirklich lustig?
Wer von Kenneth Brannaghs Shakespeare-Verfilmungen verwöhnt ist, muß sich auch darstellerisch auf eine gewisse Fallhöhe gefasst machen. Wenn Heath Ledger aus schmalen Augen das Geschehen um ihn herum beobachtet, wirkt er weniger überlegen lauernd als vielmehr seltsam trantütig. Sienna Miller macht ihre Sache im Wesentlichen gut, doch scheint Francesca bis zuletzt völlig immun gegen Casanovas männliche Reize. Eine erwartungsvoll geladene Spannung zwischen den beiden möchte man eigentlich zu keiner Zeit unterstellen.
Rührend und komisch sind die Szenen zwischen Paprizzio und Francescas Mutter, Andrea. Ein hervorragender Jeremy Irons spielt den fiesen Bischof Pucci mit gewohnter Intensität. Sehr lebendig erscheint Charlie Cox als heißblütig schmachtender Schüchterling. Trotz mancher Mängel ist Casanova doch auch ein in vielen Punkten gelungenes Produkt solider Handwerkskunst. Und die Handlung hält eine durchaus überraschende Wendung bereit, über die an dieser Stelle geschwiegen werden soll.

Exil (Tony Gatlif)

Originaltitel: Exils, Frankreich 2004, Buch: Tony Gatlif, Kamera: Céline Bozon, Schnitt: Monique Dartonne, Musik: Tony Gatlif, Delphine Mantoulet, mit Romain Duris (Zano), Lubna Azabal (Naïma), Leïla Makhlouf (Leïla), Habib Cheik (Habib), Zouhir Gacem (Saïd), 103 Min., Kinostart: 26. Januar 2006

Le Figaro meinte zu diesem Film, er habe „einen Elan, dem man nicht widerstehen kann“. Dem muß ich leider widersprechen. Die spontane Idee der männlichen Hauptfigur des Films, Zano (Romain Duris), nach Algerien zu fahren, entspricht ganz der Motivation des Regisseurs, Tony Gatlif, der während der Dreharbeiten erstmals seit 43 Jahren ins Land seiner Kindheit zurückkehrte. Gatlif, der seine Wurzeln als Roma immer wieder zum Kernpunkt seiner Filme wie Latcho Drom (1993) oder Gadjo Dilo (1998) machte, präsentiert mit Exils einen Reisefilm, der neben der Reise der Protagonisten vor allem die des Regisseurs zeigt. Und darin begründet sich auch das größte Manko des Films, denn zu keinem Zeitpunkt kommt man den Figuren so nahe wie dem sich hinter seinem Werk versteckenden Regisseur. Rein physisch kommt man dem jungen Liebespaar Zano und Naïma (Lubna Azabal) zwar so nah, wie es die Kamera nur erlaubt, doch über die Emotionen und Hintergründe dieser Platzhalter erfährt man zu wenig, um sich (wenn man nicht zufällig schon die Filmographie Gatlifs seit Jahren verfolgt) mit ihnen zu identifizieren. Der Film vollbringt zwar bewundernswerte Einzelleistungen wie die Entwicklung des Soundtracks, die Rekonstruktion der Familiengeschichte Zanos anhand einiger Souvenirs oder eine teilweise ausgeprägte sinnliche Körperlichkeit, doch wenn sich wie in der Schlüsselszene des Films, einer schier endlosen Einstellung, in der Naïma geradezu einem Tanzwahn verfällt, daß man den nächsten Exorzisten bestellen will, wenn sich in solchen Szenen beim Zuschauer (und ich bin hier kein Einzelfall) nur Langeweile und Müdigkeit einstellt, so muß man halt feststellen, daß es durchaus Menschen gibt, die sich dem Elan dieses Films nicht entziehen können (Die Jury, die in Cannes den Regiepreis vergab, scheint dazuzugehören), daß diese aber einer Minderheit angehören, die nur geringfügig größer ist als die in Gatlifs Filmen bevorzugt gezeigten Figuren.
Freunde und fans des Regisseurs werden ebenso Grund zur Freude haben, wie alle, denen Sexfantasien im Pfirsischhain, semidokumentarische Bilder des Erdbebens in Sevilla oder der immer wieder im Takt einer Kopulation hämmernde Beat des Soundtracks als Teilleistungen des Films ausreichen, wer jedoch glaubt, allein durch die Kraft des Filmes ein Interesse an seinem Sujet entwickeln zu können, dem lege ich den weitaus mitreißenderen Le grand voyage von Ismaël Ferroukhi als überzeugendere Alternative ans Herz, in dem es neben der Sehnsucht des Regisseurs nach dem Süden auch eine Geschichte und Figuren gibt, für die man sich interessieren kann.
Und wenn Tony Gatlif sich herausredet, daß er mit „herkömmlichem“ narrativen Film wenig anfangen kann und sich eher in der Nähe von Jean-Luc Godard oder Chris Marker sieht, so muß ich leider knapp und hart attestieren, daß er die Energie, die deren Essayfilme ausstrahlen, nur immer mal für einige eingesprengte Passagen erreicht.

The Dark (John Fawcett)

Buch: Stephen Massicotte, Lit. Vorlage: Simon Maginn, Kamera: Christian Sebaldt, Schnitt: Chris Gill, Musik: Ed Butt, Production Design: Eve Stewart, mit Maria Bello (Adelle), Sean Bean (James), Maurice Roëves (Daffyd), Sophie Stuckey (Sarah), Abigail Stone (Ebrill), Ricard Elwyn (Rowan), 93 Min., Kinostart: 26. Januar 2006

Die Familienzusammenführung der New Yorkerin Adelle (Maria Bello) und ihrer Tochter Sarah mit dem abgelegen in Wales lebendem Vater James (Sean Bean) steht von vornherein unter einem schlechten Stern: Passend zum Filmtitel The Dark reihen sich diverse unheilvolle Omen aneinander, wobei insbesondere die immer wieder auftauchenden Schafe zumindest jene Zuschauer unruhig machen, die wissen, daß die Romanvorlage des Films unter dem Titel Opferlamm erschien.
Den Rest übernimmt der Schnitt, insbesondere der Tonschnitt. Cutter Chris Gill legte zuletzt immerhin 28 Days Later vor, bei dem aber wahrscheinlich der weitaus begabtere Regisseur Danny Boyle den Hang zum Overkill etwas beruhigen konnte. Regisseur John Fawcett, der fast nur Leuten ein Begriff ist, die schon mal von der Werwolf-Filmreihe Ginger Snaps gehört haben, war womöglich zufrieden mit dem, was der Cutter zusammen mit dem auch nicht für gelungenen narrative Auflösungen bekannten Kameramann (Resident Evil: Apocalypse, Fear Dot Com) präsentiert: Stakkato-Schnitt mit immer wieder unerträglich lautem Ton, um die Erschreck-Momente erkennbar zu machen, Schafe, die zu einem Hardrock-Soundtrack den Lemmingsprung über eine Klippe vormachen (“Schäfchen zählen“ funktioniert bei diesem Film nur wegen der Lautstärke nicht), Fernsterladen, die im Morsecode klappern und ähnliche Kinkerlitzchen.
Die Story, der vierte Aufguß des längst geschmacklosen Teebeutels namens The Ring, leistet auch nicht mehr. Wenn der Vater sich ans Bett der schlafenden Tochter heranschleicht, nur um sich dann zu entschuldigen „Ich wollte Dich nicht erschrecken“, so möchte man als Zuschauer dem verstörten Kind die Erklärung „stand aber so im Drehbuch“ nachliefern. Die Kinderdarsteller bleiben noch am ehesten im Gedächtnis, Sophie Stuckey als Sarah erinnert an die allerersten Rollen von Scarlett Johannson oder Sarah Polley, Abigail Stone als Wasserleichen-Pendant Ebrill ist selbst im verdreckten Zustand fast so süß wie Drew Barrymore damals in E. T.
Doch leider reicht das auch nicht, um Interesse am Schicksal dieser Figuren aufkommen zu lassen. Spätestens, wenn die Mutter ihrer Tochter ins Jenseits folgt, das man fast nur an der unterschiedlichen Farbgebung und dem Kontext erkennen kann, wartet man nur noch darauf, daß das filmische Grauen ein Ende hat (und das keineswegs weil man sich fürchtet …) und auch der eine gelungene Gag bei der unvermeidlichen Familienzusammenführung kann den Gesamteindruck nur noch geringfügig nach oben korrigieren.
Wer sich schon immer für seltsame religiöse Sekten, walisische Mythologie, Schädelöffnungen mit rostigen Instrumenten bei hilflosen Familienangehörigen oder Tonspuren nah an der Schmerzgrenze (meine horroranfällige Begleiterin hielt sich öfter die Ohren als die Augen zu) interessiert, mag an diesem Film vielleicht noch irgendwas Interessantes finden, allen anderen kann ich vom Kinobesuch nur energisch abraten.

Die Geisha (Rob Marshall)

Originaltitel: Memoirs of a Geisha, USA 2005, Buch: Robin Swicord, Doug Wright, Lit. Vorlage: Arthur Golden, Kamera: Dion Beebe, Schnitt: Pietro Scalia, Musik: John Williams, Kostüme: Colleen Atwood, Production Design: John Myhre, mit Zhang Ziyi (Chiyo / Sayuri), Ken Watanabe (Chairman), Michelle Yeoh (Mameha), Gong Li (Hatsumomo), Tsai Chin (Auntie), Suzuka Ohgo (junge Chiyo), 144 Min., Kinostart: 19. Januar 2006

Die Bestsellervorlage dieses Film war 1997 das Romandebüt des aus Tennessee stammenden Arthur Golden, der sich immerhin mit japanischer Kunst befasst hat, japanische Geschichte studierte, einige Zeit in Tokio (und Beijing) verbrachte und sogar Mandarin (aber nicht Japanisch) lernte. Für das Drehbuch brauchte man also keine Experten mehr und nahm neben dem Debütanten Doug Wright Robin Swicord, die Autorin von so glatten wie unscheinbaren Filmen wie Practical Magic oder Matilda - und engagierte lieber nebenbei noch die „Geisha-Expertin“ und einzige „amerikanische Geisha“ der Welt Liza Dalby.
Rob Marshall, der vor seinem weithin überschätzten Regie-Debüt Chicago neben einigen Fernsehjobs (Annie) vor allem als Broadway-Choreograph tätig war, scheint auch nicht besonders prädestiniert für den Stoff, und spätestens bei der Entscheidung, nahezu sämtliche Japanerinnen im Film (das Presseheft vergleicht traditionelle Geishas mit heutigen Supermodels) von bekannteren und womöglich westlichen Schönheitsidealen besser entsprechenden Chinesinnen (okay, Michelle Yeoh stammt aus Malaysia) spielen zu lassen, fragt man sich, was die Filmemacher geritten haben mag - sowohl in Japan als auch in China haben sie sich jedenfalls nicht beliebt gemacht.
Die junge Zhang Ziyi, die fürs Kinoplakat sogar ihren Namen in Ziyi Zhang (der Familienname muss halt hinten stehen) verwestlichte, kennt man aus Zhang Yimous Martial-Arts-Spektakeln House of Flying Daggers und Hero, zuvor spielte sie auch in Ang Lees Crouching Tiger, Hidden Dragon, der diese (im Westen recht erfolgreiche) Bombast-Filmserie sozusagen begründete. Und in dem auch Michelle Yeoh mitspielte, deren westliches Debüt der James-Bond-Streifen Tomorrow Never Dies war. Außerdem mit dabei: Gong Li, die seit mittlerweile zwei Jahrzehnten durch Filme von Zhang Yimou, Chen Kaige und Wong Kar-Wei (zuletzt mit Zhang Ziyi in 2046) im internationalen Rampenlicht weilt.
In einem Prolog, der wie aus einem (wenig überzeugenden) Horrorfilm stammt, verkauft in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in der Provinz ein Vater seine zwei kleinen Töchter, und es sprechen tatsächlich alle Japanisch (ohne Untertitel), bevor dann für den Rest des Films in der alten Kaiserstadt Kyoto alle Charaktere Englisch sprechen - teilweise noch mit chinesischem Akzent. Im Jahre 1929 war dies zwar noch längst nicht so verbreitet wie heutzutage, aber das schert die Filmemacher keinen Deut, sie kümmern sich nur um den reibungslosen Fortgang ihrer melodramatischen Aschenputtel-Geschichte.
Ein Bilderrausch ohne tiefergehende Inhalte oder Einsichten erwartet den Zuschauer, die Geschichte des zweieinhalbstündigen Films ist so vorhersehbar wie langweilig. Schon früh wird eine Rekordzeit erwähnt, in der mal eine berühmte Geisha zum Zenit ihrer Karriere aufblühte - und jeder Zuschauer weiß bereits hier, daß Chiyo mit den seltsam hellblauen Augen - die das unaufhaltsame Wasser symbolisieren - diesen Rekord brechen wird. Als Neunjährige trifft sie auf ihren „chairman“ (Ken Watanabe, immerhin auch mal ein Japaner), der ihr ein Eis ausgibt, sie in kaum verhohlener fast pädophiler Weise betatscht, und in ihr den Wunsch aufkeimen lässt, eine Geisha zu werden, um sich diesen vermeintlichen „;Prince Charming“ (der immense Altersunterschied ist wohl unwichtig) unter den Nagel zu reißen.
Dazu immer wieder vermeintlich kunstvoll drapierte Ansichten eines zu keinem Zeitpunkt überzeugend wirkenden Geisha-Viertels (Bonsais unter Kunstschnee!!), das tragische Schicksal der älteren Schwester, ein bis ins Peinliche undramatisch inszenierter Fluchtversuch auf dem regennassen nächtlichen Dachfirst - für mich war nach einer Dreiviertelstunde (kurz nachdem Zhang Ziyi erstmals im Film auftauchte) klar, daß es an Masochismus grenzen muß, diesen ärgerlichen Film weitere 100 Minuten zu ertragen - ich zog meine Konsequenzen (und meine Jacke an) und kann deshalb auch nicht viel mehr über diesen Schmarrn erzählen. In einer beliebigen Viertelstunde eines Ozu- oder Kitano-Films erfährt man mehr über Japan als in zehn derartig von der Hollywood-Maschinerie aufbereiteten Stunden.

Coming soon in Cinemania 25 (Berlinale Aperitif):
Das erste Cinemania zur Berlinale 2006 mit Rezensionen zu: The Aggressives, Big River, Camping sauvage, Der die Tollkirsche ausgräbt, Paper Dolls, The Peter Pan Formula, Shisso (Dead End) und Vier Fenster.