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Jape: Ritual
(V2/Cooperative/Universal)
Immerhin fünf Alben nahm Richie Egan mit der irischen Hardcore-Punk-Truppe The Redneck Manifesto auf. Selbst organisierte Touren führten quer durch Europa und die USA. Im Prinzip hätte es ewig so weiter gehen können. Doch vor fünf Jahren schloss sich Egan eine Woche lang mit einem Beutel Gras bewaffnet in einer kleinen Hütte in der Pampa ein. Heraus kam „Cosmosphere“. Acht abgedrehte Songs – „Like a Black-Sabbath-Album“, erklärte Egan damals enthusiastisch sein Debüt. Die Lo-Fi-Tracks pendelten zwischen Folk und dudelnder Gameboy-Electronica. Ungefähr da setzt „Ritual“ an. Was am melodiösen Anfang („Christopher and Anthony“) wie auf 80er getrimmter Indie-Pop klingt, entpuppt sich im Laufe des Albums als herrlich schrulliger Eigenbrötler-Minimalismus: definitiv unberechenbar, mit Ecken und Kanten. Auf eine akustische Thin-Lizzy-Verbeugung („Phil Lynott“) folgt Electro-Pop. Tanzbar? Na ja...Oder wie es Egan selbst beschreibt: „We took our first pill when the music was shit. I said, Fuck dancing all night. And then that’s what we did.” Das Herunterkommen nach so einer Nacht erklingt im fragilen, wiederum akustischen Song “At The Heart Of All This Strangeness”. Mit „Apple In an Orchard“ verbirgt sich auf der Platte sogar so etwas wie ein kleiner Hit. Konsequenterweise ziemlich weit hinten versteckt. „Ritual“ klingt so genial unfertig, so herunter gebremst, stellenweise sperrig, dass man lange Zeit Freude mit der Scheibe hat. Bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Und die Details lassen sich peu à peu entdecken, da die Ohren nicht durch Leierkasten-Pop zugekleistert werden.
» www.myspace.com/richiejape
Klimt1918:
Just In Case We’ll Never Meet Again
(Music For The Cassette Generation)
(Prophecy Productions)
Gustav Klimt gilt als einer bedeutendsten Vertreter des Wiener Jugendstils. Lange von der deutschen Kunstkritik ignoriert, wurde ihm spät zuerkannt, dass seine statische Flächenhaftigkeit richtungsweisend für moderne Malerei, wie z.B. dem Kubismus wurde. Das Flächige, Elegische macht auch die Musik der römischen Indie-Pop- / Post-Rock-Kapelle Klimt1918 aus, die bei der Jahreszahl nicht nur an das Todesdatum des Malers erinnern, sondern – nach Eigenaussage - gleichzeitig auf den Eintritt in die Moderne referieren. Auf ihrem letzten Album „Dopoguerra“ (2005) hinterfragten sie, was aus dem Versprechen der „Post-War-Era“ wurde und setzten der amerikanischen Friedensaktivistin Rachel Corrie, die unter tragischen Umständen von einem israelischen Bulldozer getötet wurde, ein Denkmal. „Just In Case We’ll Never Meet Again“ wirkt musikalisch noch ausgewogener: getragener, aber auch treibender und in jedem Falle hypnotisierender. Die oft beschworene Nähe zu U2, The Jesus And Mary Chain oder auch Godspeed You, Black Emperor! lässt all jene, die mit den Italienern noch nicht vertraut sind, eine Ahnung erhalten, welch kompositorische Kraft auf CD gepresst wurde. „We’ll Meet Again“ hieß bei Johnny Cash noch ein Versprechen. Bei Klimt1918 klingt es wie eine vage Möglichkeit. Viel wahrscheinlicher jedoch, alleine im abgedunkelten Zimmer zu sitzen, der Musik im Walkman zu lauschen und all das Unausgesprochene zu bereuen. Diese verfluchte Kommunikationslosigkeit, deren Überwindung aber längst zu spät käme. Was bleibt? Die Stille, die Leere, der Tod.
» www.klimt1918.com
The Mint:
Empire Of The Sun
(Mondo Moon/Motor)
Als Westernhagen sich noch seinen Vornamen zugestand und “Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz” intonierte, nahm man ihm den Rock’n’Roll ab. Seit langer Zeit musikalisch erschlafft, ist die Roggnroll-Fackel längst an Jüngere weitergewandert. Zum Beispiel an die Berliner The Mint, die live seit Jahren die Clubs der Hauptstadt zum Kochen bringen. Die Debütplatte enthält mit den ersten beiden Nummern „The Empire Of The Sun“ und „Disorganize“ auch zwei High-Energy-Nummern, die sofort in Ohr und Beine gehen. Wie lässig die Band klingt, wenn sie das Tempo drosseln, beweist „Loving Every Memory“. Höhepunkt ist das 7:20-Minuten Epos „Step Away“, das auch die internationale Konkurrenz erblassen lässt. Wer war noch mal Oasis?
» myspace.com/mintofficial
Fleet Foxes: Sun Giant
(EP/ Bella Union / V2)
Na, Halleluja. Wer rechnet schon mit einem acapella vorgetragenem Gospel als Eröffnungstrack? Gerade bei einer Band aus Seattle. Der Stadt, die erst drögen Dinosaurier-Rock (Queensryche) und anschließend knuffigen Anti-Rock (The Presidents Of The United States Of America) hervorbrachte. Na gut, Nirvana...auch Pearl Jam. Die Fleet Foxes knüpfen an die Traditionen ihrer Heimatstadt mitnichten an. Auf den sakralen Anfang folgt mit „The River“ ein Song, der langsam in die Welt harmonischen Pops entführt. Der Übergang zwischen Gospel und Pop gelingt dabei durch das langsame, regelrecht behutsame Einsetzen der Instrumente absolut fließend. Und plötzlich befinden wir uns in einem Klangkosmos, der mit „English House“ und „Mykonos“ irgendwo in die Zeit der 60er und Anfang der 70er führt. Jedenfalls, wie wir uns die Zeit heute vorstellen. In der friedfertigen Harmonie steckt eine unterschwellig kämpferische Haltung, die das Spannungspotenzial der Songs bildet. Die vorliegende EP gilt nur als Vorgeschmack auf das Debüt-Album. Wenn das Full-Length-Release auch nur annähernd den Spannungsbogen der Mini-Scheibe halten kann, steht eine der ganz großen Platten 2008 ins Haus.
» myspace.com/fleetfoxes
Funeral Throne:
Nihil Sine Diabolus
(Sathans Rex/Cold Spring)
Das Trio aus Birmingham tourte unlängst mit den Jahrmarkt-Metallern Cradle Of Filth. Musikalisch passen beide Bands kaum zusammen, auch wenn sie unter Black Metal subsumiert werden. Funeral Thrones Debüt erstaunt erst einmal aufgrund der technischen Fertigkeiten der Musiker. Die Produktion musste nicht nachträglich heruntergeregelt werden (was Dilletanten gerne mit „we-are-so-true-fucking-evil-our-sound-descends-from-hell“ legitimieren). Neben dem klaren Erkennen der Instrumente, warten die infernalischen Drei auch musikalisch mit Abwechslung auf: Tempiwechsel und Breaks gehören nicht zur Standard-Ausrüstung der Black-Metal-Kapellen. Die Mischung aus Abwechslung, Melodie und (!) kompromissloser Härte macht die Platte für Fans des Schwarzmetalls attraktiv. Starkes Debüt.
» myspace.com/nfbm
Todesbonden:
Sleep Now, Quiet Forest
(Prophecy Productions)
Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau betrachtete sich nicht nur als Landschaftsarchitekt und Schriftsteller, sondern auch als Reisender, der seine Eindrücke von exotischen Orten in die hiesigen Gärten und Parks organisch einarbeitete. Die amerikanische Band Todesbonden nimmt ihre Hörer auf eine Reise um die Welt und durch die Zeit. So erwacht das alte Ägypten aus seinem Dornröschenschlaf und es erklingt die Geschichte der von ihrer Verantwortung überforderten Marie Antoinette. Der fragile Gesang Laura Ann Haus’ bildet die (dunkle) Sonne der elf Tracks. Darum kreisen zum jeweiligen Thema passend zum Beispiel neoklassische Anklänge, fernöstliche Einsprengsel oder Balkan-Folk-Elemente. Ab und an erklingen die Gitarren etwas tiefer gestimmt, die Drums druckvoller – so wie dereinst bei den ganz frühen The Third And The Mortal. Die musikalische Vielschichtigkeit macht „Sleep Now, Quiet Forest“ jedoch auch für weniger Metalaffine attraktiv!
» www.todesbonden.com