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Inade: Samadhi State. Collected Recordings
Samadhi steht im Zentrum zweier fernöstlicher Religionen. So lehrte Buddha, dass der Achtfache Pfad wichtig sei, um Erleuchtung zu erlangen. Samadhi umfasst dabei die verschiedenen Regel und Stufen der Meditation, um zum Zustand der absoluten Vertiefung zu gelangen. Im Sanskrit und damit im Hinduismus beschreibt Samadhi eine Tranceartigkeit, in der das diskursive Denken zum Ruhen kommt. Dieser Zustand sei weder mit Wachsein, noch Schlafen oder Träumen vergleichbar. Statt dessen handele es sich um das Einswerden mit dem Objekt, über das zuvor meditiert wurde. Es benötigt jedoch keine religiöse oder esoterische Disposition, um von der Musik Inades in den Bann gezogen zu werden. Die Leipziger Dark-Ambient-Altmeister arbeiteten in den letzten sechzehn Jahren oft mit dem Motiv des Kosmos oder des Raumes. Die aktuelle CD, deren Erstauflage begleitend zur Japan-Tour 2006 ausschließlich im Land der Aufgehenden Sonne erschien, lässt Innen- und Außenraum verschmelzen. Neu für das Duo erscheint die stärkere Vokalfokussierung, so erklingt beispielweise ein Gedicht Nietzsches. Dominierend bleiben jedoch die hypnotischen Klangflächen, die wiederum eindrucksvoll beweisen, dass die Formation auch international zu den wichtigsten Künstlern des Genres gehört.
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Défilé des âmes: Lust’n’stone
Auf ihren umjubelten Live-Konzerten überraschte die griechische Formation Défilé des âmes mit Coverversionen von Johnny Cash oder Nina Simone. Das Debütalbum der Band setzt hingegen ausschließlich auf Eigenkompositionen und beginnt mit einem interessanten musikalischen Versprechen: Es erklingt ein Sample einer alten Schellack-Platte, auf die sich kurzzeitig eine dunkle Ambientfläche legt, bevor eine akustische Gitarre ansetzt, die anfänglich nach Post-Rock klingt, aber dann begleitet vom Rauschen des Windes die Atmosphäre einer griechischen Insel überträgt. Défilé des âmes arbeiten in der Tat mit einer Verschachtelung verschiedenster Einflüsse, die in jedem Song neue Facetten entfalten: So kommt beispielsweise „Carnal Desire“ komplett ohne Rhythmus aus, die wenigen Worte begleitet eine melancholische Violine, während „Welcome“ mit einem schleppenden, trippigen...fast Beat den Hörer in den Bann zieht. Die phantasievollen Kompositionen begeisterten offensichtlich auch Matt Howden (Sieben), der auf „Liar...!“ einen Gastpart an der Geige übernimmt. Dezente Filmsamples (z.B. aus Kubricks „2001“) reihen sich organisch in das Werk, das aufgrund seiner ungewöhnlichen Arrangements und der Komplexität der Komposition lange zu begeistern weiß.
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Werkraum: Early Love Music
Friedrich Nietzsche ließ an seinen Dichter- und Denkerkollegen selten ein gutes Haar. Aber Goethe und Stifter kamen bei ihm erstaunlich gut weg. Gedichte genau jener beiden, neben anderen, vertonte Axel Frank mit seinem Projekt Werkraum. Wie bereits auf der Mini-CD „Kristalle“ lud der Berliner dabei prominente Mitstreiter ins Studio: unter anderen Robert N. Taylor und Nicolas Tesluk von Changes und die Alpin-Folk-Barden von Sturmpercht. Heraus kam ein sehr abwechslungsreiches und sauber produziertes Album, das trotz der Vielzahl der Gesangsstimmen und der Texte aus knapp einem Jahrtausend Dichtungsgeschichte absolut organisch wirkt. Traditionelles Liedgut fügt sich an aktuelle Kompositionen, die wiederum von vertonten Gedichten Lewis Carrolls oder Konras Weiss’ abgelöst werden. Die ausgereiften Arrangements rekurrieren zwar ansatzweise an die Psychelic-Folk-Bewegung der späten 60er und 70er, passen aber genauso wenig in die Schublade des Apocalyptic Folk. Sehr reif, eigenständig und angenehm genrefremd!