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8. Februar 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  The International (R: Tom Tykwer)
The International (R: Tom Tykwer)
The International (R: Tom Tykwer)
Bilder © Sony Pictures Releasing GmbH
The International (R: Tom Tykwer)
The International (R: Tom Tykwer)
The International (R: Tom Tykwer)
The International (R: Tom Tykwer)


The International
(R: Tom Tykwer)

USA / Deutschland / UK 2009, Buch: Eric Singer, Kamera: Frank Griebe, Schnitt: Mathilde Bonnefoy, Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Tom Tykwer, Production Design: Uli Hanisch; Supervising Art Director: Kai Koch, mit Clive Owen (Louis Salinger), Naomi Watts (Eleanor Whitman), Armin Müller-Stahl (Wilhelm Wexler), Ulrich Thomsen (Jonas Skarssen), Brian F. O'Byrne (Gutachter), James Rebhorn (Arnie Goodwin), Jay Villiers (Francis Ehames), Luca [Giorgio] Barbareschi (Umberto Calvani), Michel Voletti (Viktor Haas), Patrick Baladi (Douglas White), Fabrice Scott (Nicholai Yeshinski), Remy Auberjonois (Sam Purvitz), Haluk Bilginer (Ahmet Suney), Alessandro Fabrizi (Inspector Cerutti), Tibor Feldman (Dr. Isacson), Jack McGee (Detective Bernie Ward), Axel Milberg, Ben Whishaw, 118 Min., Kinostart: 12. Februar 2009

Ein Film, der mit “70 Millionen Hollywood-Dollar” finanziert wurde (eine Formulierung, die ich im Fernsehen aufgeschnappt habe), funktioniert natürlich nach gewissen eigenen Regeln. Davon erfährt man im neuen Tom-Tykwer-Film etwa in den ersten zehn Einstellungen, in denen sich bereits drei Fälle von Product Placement tummeln (Deutsche Bahn, Audi, Marlboro). Auch gibt es im Drehbuch eine Menge “Hollywood-Logik”, wie ich es mal in Anlehnung an das Eingangs-Zitat nennen möchte, und The International könnte nach Das Parfum ein weiterer Schritt auf dem Weg durch die sieben Kreise Hollywoods gehen, wenn Tykwer nicht trotz allem erstaunlich viel von seiner Integrität behalten würde. So kann man beispielsweise das Casting der zwei Hautrollen mit Clive Owen und Naomi Watts einerseits als Schritt ins internationale Rampenlicht deuten, auf der anderen Seite stehen diese beiden noch weitaus stärker als zuletzt Alan Rickman und Dustin Hoffman für einen eher positiven Ausleger Hollywoods, im Falle von Frau Watts, bei der man eher an Mulholland Drive, 21 Grams, Eastern Promises und Funny Games denkt als an The Ring oder King Kong, könnte man fast als Arthouse-Hollywood-Diva bezeichnen, und auch Owen scheint lieber mit aufstrebenden Ausländern (Håfström, Rodriguez, Cuarón, Tykwer) zu drehen als für Bruckheimer und Disney (bei King Arthur war er noch jung und brauchte das Geld). Und, als weiterer Beweis für den (soweit möglich) leisen Kampf gegen das Diktat der Produktionsmittel: die beiden haben in diesem Film noch nicht einmal das obligatorische Techtelmechtel mit diskret ausgeleuchteter Sexszene, sondern sind einfach nur Partner im Kampf gegen die übermächtige weltweite Verschwörung mit Mulder und Scully in den ersten Staffeln.

Auch das Tempo des Films und die Art und Weise, wie etwa die Action-Sequenzen inszeniert sind, bleiben typische Tykwer-Merkmale. Bei der aufwendigen Schießerei im Guggenheim scheint man zwar soviel Munition verbraucht zu haben wie bei der entsprechenden Szene in Heat, aber selbst hier geht es Tykwer mehr um Videoinstallationen, Architektur und eine nachvollziehbare Topographie. Die von Tykwer selbst gerne in Interviews angesprochene Nähe zu Paranoia-Thrillern der 1970er sehe ich zwar nur bedingt (vielleicht denkt er aber auch mehr an Italien als an New Hollywood, hat es aber nur aufgegeben, von Filmen zu reden, die seine Gesprächspartner nicht kennen), aber spätestens bei der Abkehr von Schwarz-Weiß-Zeichnungen (es gibt hier erstaunlich viele Graustufen der Moral) und einer gebrochenen Figur wie hier der von Owen gespielte Louis Salinger ist es offensichtlich, wieviel Tykwer diesmal von seiner eigenen Vision in den Film schmuggeln konnte (was bei Das Parfum nicht ganz so gut gelungen war). Und wenn Tykwer dann auch noch seine ganz persönliche Version des JFK-Attentats einbringt (nur leider ohne Magic Bullet, sondern mit etwas geradliniger Hollywood-Dramaturgie), dann wünscht man ihm viel Glück in der Hollywood-Maschinerie, denn verglichen etwa mit Pollacks The Interpreter ist The International durchaus ein halbwegs geglückter Versuch der Wiederbelebung der Verschwörungs-Szenarien von The Parallax View oder The Conversation (oder halt von den italienischen Vorbildern, bei denen ich mich aber nicht so gut auskenne). Und wenn die allerletzte Schlagzeile des Films als Konzession an Hollywood-Happy-Ends ausgelegt werden sollte, so ist das eine Art von Happy End, mit der selbst ich mich jederzeit abfinden kann.