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daily satt - daily wien -Sonntag, der 21. April 2002
Die Frau in der Kiste hat eine Tierhaarallergie. Und auch Lisa
schnüffelt, da heute im Licht der ersten Sonnenstrahlen nach der
Grottenbahn und den ersten vor Sibirien sie mit dem lieben Clemens durch
den Augarten wandelte, allwoher das berühmte Augartenporzellan kommt,
das in Ungarn hergestellt wird. Die Wirtschaft ist eine recht paradoxe
Sache. Aber auch die Linden beginnen zu blühen und ihre Pollen
hoffnungsfroh in den Wiener Wind zu schütteln. Schon wieder schlechtes
Gewissen: Die Lisa hat in DE CHAMÄLAEON den Namen des lieben Erich
Wolfesberger mit Wolfinger total falsch und zerschrieben, wie Ilse das
sagen würde. Da ist das berühmte Hotel Wolfinger in Linz dazwischen
gekommen, in dem zu übernachten wir alle die große Ehre haben, wenn uns
der Anwalt der Poesie, und das ist Christian Steinbacher, zu einer
Lesung bei den Linzer Notaten einlädt, was nebstbei auch eine große
Ehre ist. Noch größer wird natürlich nur noch die Ehre sein, sich im
Lokal der .werkschaft zu präsentieren, das nun schon folgende
Einrichtungsgegenstände sich einverleibt hat:
- ein Präsentationstisch aus zwei IKEA-Böcken mit übriggebliebener Glasplatte.
- eine Präsentationsplatte, türkis (gestrichen von Clemens und Lisa), der nur noch ein Scharnier, eine Holzleiste und diverse Metallstifte
- eine Duschtasse
- kein Strom, kein Gas, weilchselbe aber schon angemeldet sind, was
heißt, dass wir nur noch auf die nicht in unserer Macht stehenden
hochamtlichen Aufdrehung derselben zu warten die treue Pflicht und Ehre
haben dürfen,
- eine Transportkiste für alte Gobelins, Fahnen oder sowas aus
irgendeinem Museum (die Vormieterin ist Restauratorin), die mit ein paar
Zwischenplatten bald einen wunderbaren CD-Ständer abgeben wird
- ein alter, dunkelbrauner, an Hässlichkeit nicht zu übertreffender
Tisch mit unzerstörbarer Plastikplatte von der Vormieterin aus Clemens
und Lisas Wohnung, der zum Werktisch umgebaut werden wird, wenn sich
jemals wieder die zwecks Verstauung angebrachten Klebebänder entfernen
lassen
- bald besitzen wir zwei Klappsessel, die Ilse und Fritz beisteuern
werden, zwei Klappsessel, die wir morgen im Kitsch-hoch.zwei-Second-Hand
kaufen werden
- sechs Thonet-Sessel, die schon lange im Dachboden gestanden haben
- ein kombiniertes Herd-/Backofengerät
- ein Bieröffner
- eine Kaffeemaschine
- sechs Flaschen Bier voll, sechs Flaschen Bier leer,
- diverses Arbeitsgerät, das zu 99% unser Carsten leihweise zur
Verfügung gestellt hat,
- ein Aschenbecher, der allerdings nicht gerade klein ist
- das was wir jetzt aufzuschreiben vergessen haben.
Ansonsten war dieser schöne Tag mit Basteleien an unseren in Arbeit
befindlichen Werkstücken angenehmst ausgefüllt, was auch zu einigen
Gesprächen über die Unsicherheit des Ins-Werk-setzens derselben mit sich
geführt hat, was unseren Tag aber nur ebenso angenehm beeinflusst hat.
Der überaus arme Clemens ist aber jetzt noch nicht in der Lage, sich
ruhig und genüsslich sich dem Müßiggang hinzugeben. Er muss noch einige
Vorarbeiten zu seiner ganz plötzlich notwendig gewordenen Habilitation
vornehmen. Ein habilitierter Komponist soll er werden, hat man dem armen
Wozzlems befohlen, weil er sonst seine Kompositionsstudierenden nicht
mehr unterrichten darf. Das tut er zwar schon seit Jahren, aber jetzt
hat die austriakische Bürokratie endlich zugeschlagen. Nur, wer von
Bürokratias Gnaden abgesegnet ein lehrfähiger Komponierender ist, darf
das, was sie/er schon immer tat, nun auch weiterhin tun. Da mussten wir alle
schon sehr viel denken, was das soll, auch ob man soll (mitspielen bei
dem Spielchen der allgemeinen Hierarchisierung, die wieder auf alle
Lebensbereiche sich auszudehnen sich anschickt). Nun gut, so haben wir
beschlossen, um unsere finanzielle Lage halbwegs in Ordnung zu halten, und
die Freiheit zu haben, eben sowas wie .werkschaft zu betreiben, beißt
der Clemens eben in diesen säuerlichen Apfel. Auch hat er einfach Freude
an der
Arbeit mit seinen jüngeren KollegInnen, was halt auch eine ordentliche
Motivation ist. Nachsatz: wer etwas zu sagen hat, trete vor und schweige, schrieb Karl
Kraus. Uns fällt derzeit das Ladl runter, das Wahlergebnis aus
Frankreich ist über den TV geflimmert. Trotzdem gute Nacht?
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