Bisher war mir entgangen, daß die Produktionsfirma "Dark Caste" gemeinsam von den Produzenten Joel Silver (u.a.
Predator, Lethal Weapon, The Matrix) und Robert Zemeckis (vor allem als Regisseur von
Back to the Future I-III oder
Forrest Gump bekannt, aber auch für
What lies beneath oder diverse Folgen der TV-Grusel-Serien
Amazing Stories und
Tales from the Crypt verantwortlich) gleichsam als Hommage an den Gruselregisseur William Castle (u.a. 1944:
When Starngers Marry, 1958:
House on Haunted Hill, 1962:
The Old Dark House) gegründet wurde. Was schlicht damit zusammenhängen wird, daß mich Filme wie
House on Haunted Hill (1999),
Thirteen Ghosts (2001) oder
Ghost Ship (2002) nicht wirklich angesprochen haben.
Nun hat man sich erneut eines spukigen Themas angenommen und verpflichtete als Regisseur Mathieu Kassovitz, den meisten Kinozuschauern als Sweetheart von Amelie Poulain bekannt, aber auch schon durch die Inszenierungen von La haine oder (leider negativ) dem Kloster-Grusel Les rivières pourpres (Die Fortsetzung ist schon abgedreht) aufgefallen.
Die beiden Hauptrollen vergab Joel Silver an zwei Darsteller, deren Karriere er mitgeformt hatte: Zum einen die jüngst Oscar-ausgezeichnete Halle Berry, die für ihn schon in Last Boy Scout (1991) oder Swordfish (2001) auftrat, zum anderen den in letzter Zeit etwas heruntergekommenen Robert Downey jr., an dessen Anfänge in Weird Science (dt.: Lisa - Der helle Wahnsinn, 1985) sich wahrscheinlich kaum jemand mehr erinnern kann.
Halle Berry spielt die streng logisch denkende Psychologin Dr. Miranda Grey, die wir zuerst in der Therapie mit ihrer Patientin Chloe (Penélope Cruz) erleben, welche hartnäckig behauptet, in ihrer Zelle wiederholt vom Teufel besucht und vergewaltigt geworden zu sein, was die erfahrene Ärztin natürlich als aus der Misshandlung des von Chloe ermordeten Stiefvater abgeleitete Halluzination deutet, die sich leider nur durch Medikamentation behandeln lässt. Chloe bemängelt an der Beziehung zu ihrer behandelnden Ärztin, daß man niemandem trauen kann, der einen für verrückt hält, Worte, die wir schon aus dem Trailer kennen, und die natürlich Gewicht haben. Nachdem wir nämlich Dr. Greys Gatten, den überraschend voluminösen Chef der Anstalt, und ihren Kollegen, den offensichtlich dennoch auf sie scharfen Dr. Graham (Downey jr.) kennengelernt haben und feststellen durften, daß sich unsere Ärztin selbst bei Gewitter und Stromausfall (Regisseur Kassovitz zieht alle atmosphärischen Register) nicht davon abhalten lässt, in einem Pool ihre Bahnen zu absolvieren, der mindestens so gruselig ist wie in Jacques Tourneurs Cat People (1942), fährt sie nach Hause, trifft auf dem Weg eine Geistererscheinung, die Leinwand wird dunkel und drei Tage später erwacht sie unter Mordverdacht in einer der Zellen, die sie vor kurzem noch als Ärztin betreute.
Nun erfährt sie, daß Chloe mit ihrem Spruch recht hatte, denn die plötzlich recht hysterisch reagierende Miranda erfährt von ihrem ehemaligen Kollegen, daß sie ihren Gatten mit einem Beil ermordet haben soll und für Halle Berry und den Zuschauer beginnt die Tortur, herauszufinden, wer diese Tat verübt hat, aus welchem Grund, und wie das mit diesem mysteriösen Mädchen zusammenhängt, das zunächst zu den letzten Erinnerungen unserer unfreiwilligen Heldin gehört.
Fortan erleben wir Geisterattacken allenthalben, als Höhepunkt die während einer Massenduschszene, bei der man bemerkenswerterweise nicht eine einzige Brustwarze oder Schambehaarung zu sehen bekommt. Plötzlich stehen auf Mirandas Unterarm wie mit einem Skalpell eingeritzt die Worte "not alone" (übrigens andersherum als auf dem Filmplakat), die hinterhältigerweise auch schon mit Blut an die Wand geschmiert waren, wo man Miranda in unmittelbarer Nähe der Überreste ihres Mannes fand. Es sieht nicht gut aus, denn natürlich muss eine Patientin, die nicht nur ihren Gatten, sondern auch sich selbst verstümmelt (so die logische Deutung des Vorfalls), in besonderen Gewahrsam. Und die Medikation sollte man vielleicht auch vorsichtshalber erhöhen …
Leider leidet der Film (und der Zuschauer) unter den allzu klischeehaft eingesetzten Gruselingredenzien (Stromausfall, Gewitter, Geisterbesuch, eine Klapse, die an gothic novels - deshalb der Titel! - erinnern soll) und einem Drehbuch, das (siehe unten) in Sachen Logikfehler seinesgleichen sucht. Wie schon bei den purpurnen Flüssen lässt sich der wahrscheinlich über seinen Hollywood-Ausflug begeisterte Regisseur geradezu wegspülen von seiner Begeisterung für (Grusel-) Atmosphären, statt hin und wieder die Story oder die Motivationen der Figuren zu hinterfragen. Die neueste Ergänzung zu den sechs Horror-Filmen, die bisher unter sich ausmachen, welcher von ihnen der schlechteste Film des neuen Filmjahrs ist (Stand: 12. Januar, von hinten nach vorne: Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre, Haus der 1000 Leichen, Die Geister-Villa, Gothika, Underworld, Sin Eater)
SPOILER-Nachtrag zu Gothika
(bitte nicht lesen, wenn ihr den Film noch sehen wollt)
Gegen Ende dieses Films sagt Halle Berry mal "Logic is overrated", den Satz, der wie ein Wahlspruch für die Drehbuchautoren und Geister dieses Films klingt.
An Filmen über Geistererscheinungen, die sich rächen wollen oder den Mord an der eigenen Person aufzuklären wünschen, gibt es seit Joel Haley Osmonts unsterblichem Spruch "I see dead people" leider viel zu viele, mitunter sind die Geister technologiebegeistert und teilen sich über Videocassetten (The Ring) oder das Internet (Fear Dot Com) mit, im Fall Gothika stehen dem Gespenst gleich mehrere Möglichkeiten zur Wahl, mit The Others Kontakt aufzunehmen. Das Öffnen von Türen scheint kein Problem (Ghost Patrick Swayze wird neidisch sein …), Computer und Videokameras kann man offenbar auch anschalten, und durch das Anatmen von Glasscheiben kann man sogar Botschaften schreiben (selbst, wenn man dabei unsichtbar ist … echt gruselig, wa?) Dadurch, daß man Wände durchqueren kann, hat man einen gewissen Zeitvorteil, und das Erschrecken von Menschen klappt selbst bei solchen, die nicht an Geister glauben ("I don't believe in ghosts, but the ghosts believe in me …"), vorzüglich (Dickens' Canterville Ghost hatte damit ziemliche Probleme).
Doch besonders hilfreich ist die Möglichkeit, wie Deadman Boston Brand andere Körper zu übernehmen und diese beispielsweise als nichtsahnende axtschwingende wandelnde Rächer einzusetzen, die die blutige Drecksarbeit übernehmen. Und wem das noch nicht genügt, in Gothika hat der Geist (oder besser die Geistin, nennen wir sie ruhig Rachel) auch noch die nahezu superkraftmäßige Möglichkeit, mit skalpellartigen Einschnitten hilflosen Ärztinnen Botschaften in den Unterarm zu ritzen. Daß es der etwas verwirrt erscheinenden Rachel hier sogar gelingt, innerhalb kürzester Zeit trotz vehementem Widerstand 37 Schnitte so anzubringen, daß sie die Worte "not alone" bilden, ist schon etwas unglaubwürdig, aber lassen wir uns ruhig für einen Moment auf den Logik-Level des Drehbuchs herab.
Eine verschleppte, mehrfach vergewaltigte und schließlich getötete junge Frau (von der man infamerweise annimmt, sie habe Selbstmord begangen), will ihren Tod rächen und die weiterhin Frauen missbrauchenden Täter dingfest machen. Na gut, die Schweine umzulegen wäre sogar noch besser. Was tut sie? Sie stellt sich an irgendeine Brücke, die zufällig gerade von der Ehefrau des einen Peinigers (Halle Berry) überquert wird. Diese wird kurzerhand übernommen, zerstückelt ihren Gatten und wundert sich, daß sie danach in der Klapsmühle landet.
Statt diesen perfekt ausgeklügelten Mord mit einer anderen Passanten am zweiten Täter zu wiederholen, besucht unser unfriendly ghost Rachel nun Halle Berry in der Klapse und macht ihr (und dem bemitleidenswerten Zuschauer) ein bißchen Angst. Ach nein, sie will ihr ja nur etwas mitteilen. Daß Insassen einer psychiatrischen Anstalt sich nicht unbedingt eignen, komplizierte Kriminalfälle zu lösen, hat unser Geist dabei irgendwie übersehen. Stattdessen immer wieder "not alone", was den dringenden Mordverdacht, der auf unserer Heldin lastet, nur noch verstärkt. Warum nicht etwas aussagekräftigeres wie "2 Killers" oder "it's Ryan"? Wird durch den Tod etwa die Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt? Man weiß so wenig …
Nachdem unsere arme gepeinigte Rachel etwa eine Filmstunde lang die Geduld des armen gepeinigten Zuschauers strapaziert hat, nimmt sie die Sache schlußendlich doch selbst in die Hand, bevor die unfähige Psychologin (die immerhin auf unglaubwürdige Weise der Anstalt entkommen ist und in Rekordzeit den Fall gelöst hat) doch noch zum nächsten Opfer wird.
Es folgt das Happy End.
Penelope Cruz, die ihren Stiefvater ermordet hat, wird entlassen, weil sie ja nicht nur von diesem vergewaltigt wurde (was aber schon vorher bekannt war), sondern auch noch von den beiden fiesen Typen, deren Verbrechen nun aufgelöst ist.
Das wäre jetzt ja auch fies, wenn sie trotzdem in Gewahrsam bleiben müsste, oder? Nur wegen eines (womöglich noch gerechtfertigten) Mordes gleich hinter Gittern …
Halle Berry wird ebenfalls entlassen, obwohl sie doch offensichtlich nicht nur ihren Mann zerstückelt hat, sondern auch noch einen Polizisten erschossen hat (Na gut, das könnte als Notwehr gelten). Und durch das befreite letzte Opfer hat man nun auch genügend Beweismittel gegen die beiden toten Übeltäter, aber ich weiß nicht genau, was das an dem Gattenmord ändert. Womöglich, weil der brutale Mord dadurch gerechtfertigt wird, daß das Opfer selbst ein Mörder war (In Amerika gibt es ja noch die gute alte Todesstrafe), selbst wenn die Täterin das zum Zeitpunkt der tat nicht einmal ahnte. Oder weil Halle Berry die überzeugende Geisterstory, zu der es keinerlei Beweismittel gibt, wohl der Obrigkeit weismachen konnte. Oder wird sie einfach entlassen, weil sie das letzte Opfer ihres Mannes befreit hat? Das beweist doch, daß sie zu den Guten gehört …
Ich kenne mich im amerikanischen Rechtsystem nicht aus, aber ich bezweifle stark, daß Sebastian Gutierrez, der Drehbuchautor, in einem früheren Leben mal Jura studiert hat.
Und zum Abschluß will ich auch noch einen politisch unkorrekten Versuch starten, Halles Gatten Doug in Schutz zu nehmen. So ein böser Mensch ist das meines Erachtens nämlich gar nicht …
Auf einem Videoband sehen wir, daß er irgendwas mit der Verschleppung junger Mädchen zu tun hat (Die Zeugenaussage des letzten geretteten Opfers kenne ich leider nicht), doch schauen wir uns das Band doch mal genau an: Eine Videokamera ist auf ein Bett (mit Seidenlaken) gerichtet, daß an vier Enden Ketten aufweist, wie sie zuletzt im 18. Jahrhundert in Mode waren. Auf dem belastenden Video sehen wir, wie sich Doug recht liebevoll von der dort angeketteten jungen Frau verabschiedet. Daß er dabei wirres, blasphemisches Zeug faselt ("It's good to be god"), wollen wir mal nicht zu seinen Ungunsten werten, immerhin nennt ihn seine Frau, die Ärztin, auch so. Doch daß die junge Frau fast splitternackt (und gefesselt) ist, könnte durchaus auf ein Sexualverbrechen schließen lassen.
Doch Moment, die zu ihren Füßen angebrachte Kamera zeigt uns nicht nur, daß sie an den Füßen angekettet ist, im Gegensatz zu den Armketten und dem weit von der Kamera entfernten unscharfen Oberkörper können wir ihren blütenweißen Slip ausgezeichnet sehen. Will mir jetzt jemand weismachen, Doug hätte die Frau erst vergewaltigt und ihr dann die Fußfesseln abgenommen, um ihr eine frische Unterhose anzuziehen - die dann bei der nächsten Vergewaltigung wieder empfindlich stört?
Jaja, wenn man kein X-Rating wegen full frontal nudity riskieren will, erinnert man sich auch schnell wieder an den großen Wahlspruch "Logic is overrated".