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* Black Christmas, The Last House of the Left, Piranha, Fright Night, Maniac, Evil Dead und Carrie sind einige Beispiele, zu denen ich auch Kritiken erstellt habe, man könnte aber auch fast das komplette Grusel-Werk John Carpenters erwähnen oder Nightmare on Elm Street, Friday the 13th, The Hills Have Eyes, My Bloody Valentine, Prom Night, Amityville Horror, The Omen, The Crazies, The Hitcher – eigentlich scheint es einfacher, Horrorfilme der 1970er und 80er zu nennen, die (noch) kein Remake bekommen haben … und irgendwie wirkt es so, als hätte es die Branche auch darauf angelegt, seine komplette Geschichte wiederzukäuen – weil die Fangemeinde sich offenbar genötigt sieht, beim Nostalgie-Trip ein ums andere Mal einzusteigen. Auch weil das Angebot an »Original«-Horrorfilmen ja nur zwei oder drei mal im Jahr einigermaßen »originell« wirkt.
** typische uninspirierte Richard-Edlund-Kost – nahezu deckungsgleich mit den Effekten der Bundeslade bei Raiders of the Lost Ark. Ich war damals eher ein Anhänger von Rick Baker, Rob Bottin, Carlo Rambaldi und Tom Savini.
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Poltergeist
(Gil Kenan)
USA 2015, Buch: David Lindsay-Abaire, Kamera: Javier Aguirresarobe, Schnitt: Jeff Betancourt, Bob Murawski, Musik: Marc Streitenfeld, mit Sam Rockwell (Eric Bowen), Rosemarie DeWitt (Amy Bowen), Kyle Catlett (Griffin Bowen), Kennedi Clements (Madison Bowen), Saxon Sharbino (Kendra Bowen), Jared Harris (Carrigan Burke), Jane Adams (Dr. Brooke Powell), Nicholas Braun (Boyd), Susan Heyward (Sophie), 93 Min., Kinostart: 28. Mai 2015
Wenn ein Remake auf den Markt geworfen wird, erhofft man sich zwar einen künstlerischen Grund dafür, erwartet ihn aber inzwischen nicht mehr, denn meistens geht es dabei vorrangig um finanzielle Geischtspunkte. Gerade und besonders im von Remakes seit »Michael Bays« Texas Chainsaw Massacre und Zack Snyders Dawn of the Dead überlaufenen Horrorgenre*. Im weitesten Sinne »phantastische« Filme erfahren vermutlich auch deshalb gerne Remakes, weil in Sachen Effekten heutzutage weitaus mehr machbar ist. Richard Donners Superman ist zwar nach wie vor ein guter Film, aber man kann die Effekte heutzutage ja nicht mehr ernstnehmen. Deshalb sind Superheldenfilme auch die, die am meisten von der technologischen Evolution (lies: computer generated images) profitieren. Für Sci-Fi zählt das auch, in den Bereichen Fantasy und Horror indes werden oft die »handgemachten« Effekte vermisst. Weniger, wenn zwei Tolkien-Armeen auf sich einschlagen oder ein gestiefelter Kater perfekt lippensynchron Monologe aufsagt, aber immer dann, wenn man auf dem Kinosessel merkt, dass eine Blutfontäne aus dem Rechner kommt oder ein (virtuelles) Messer ohne wirklichen Widerstand in einen Körper eindringt (aktuell in Ex Machina – was für ein Murks-Effekt! Und das in einem Film, der einen größtenteils durch seine Effekte in Staunen versetzt.)
Ich bin auch eher ein Freund der Old-School-Effekte, aber während ich den Eindruck habe, dass vielerorts das Poltergeist-Original dem Remake vorgezogen wird (und ich habe den starken Verdacht, dass das nicht zuletzt daran liegt, weil man den früheren Film in einem Alter gesehen hat, in dem man noch leichter »beeindruckbar« war), war ich trotz Horror-Vorliebe damals gar kein Freund der seltsamen Mischung aus heftigen Effekten** und einem Familienfilm (inklusive Spielberg-Suburbia und radfahrenden Kindern), bei dem man selbst als 15jähriger schnell begriffen hat, dass insbesondere die in großer Gefahr schwebenden Kinder einen Freifahrtschein haben.
Und deshalb freue ich mich über viele Veränderungen im neuen Film. (Dass Gil Kenan als Regiedebüt ausgerechnet den komplett computeranimierten Kindergruselfilm Monster House vorzuweisen hat, interessiert mich an dieser Stelle eigentlich kaum. Wenn sich ein Regisseur sowohl mit dem Genre als auch mit der Technologie auskennt, sollte man ihm das nicht zum Vorwurf machen.
Bildmaterial © 2015 Twentieth Century Fox
Der gruselige Baum vor dem Fenster des Jungen sah für mich damals nie wie ein Baum aus (eher wie ein aus Ton gefertigtes Mammutkunstwerk, das Richard Dreyfuss in den Drehpausen von Close Encounters gefertigt hat), da lasse ich mir dann auch eine CGI-Trauerweide gefallen, die auch davon profitiert, dass man das Fenster diesmal schräg über dem Jungen angebracht hat. Und wenn die sturmgepeitschten Äste sich für einen kleinen Augenblick mal seltsam verhalten, funktuioniert das auch noch, wenn man längst weiß, was passieren wird.
Dasselbe gilt natürlich auch für den damals spektakulärsten Effekt, einer Art Variation von Martin Scorseses The Big Shave vor einem Badezimmerspiegel. Diesmal löst man dies größtenteils ohne Special-Make-Up-Effekte, aber was ich schon ziemlich toll fand, ist, dass man den Badezimmerspiegel einfach weglässt und das »Opfer« stattdessen seine Reflektion im Wasserhahn der Küchenspüle erblickt. Immer eine gute Idee, wenn man weniger sieht und mehr erahnt.
Bildmaterial © 2015 Twentieth Century Fox
Die technologische Fortentwicklung hat auch in der Handlung einen Eindruck hinterlassen. Nicht nur, weil die »TV people« jetzt in einem großen Plasmabildschirm auftauchen oder eine Smartphone-App als »Geigerzähler« für paranormale Aktivitäten nutzt. Schon beim MGM-Löwen gibt es Bildstörung und der eigentliche Film beginnt damit (things to come …), dass Teenie Griffin eine Art Ego-Shooter (nur ohne Schießen) mit Zombies auf seinem Pad spielt, aus dem die 3D-Kamera sozusagen herausfährt.
Mit 3D wird relativ wenig gemacht, aber es gibt einige hübsche Details. Mein liebstes ist ein winziger Schmutzfleck auf einem Fenster, der nun dreidimensionell wird und so auf die ansonsten unsichtbare Scheibe aufmerksam macht.
Bildmaterial © 2015 Twentieth Century Fox
Der deutlichste Unterschied zum alten Film ist das Tempo. Das liegt nicht nur daran, dass sich die Sehkonventionen gewandelt haben und man keine Fernsehzuschauer durch Zappen verlieren will. Offensichtlich wollte man auch einen rasanten Drive entwickeln, was auch funktioniert. Als ich im Nachspann erfuhr, dass Sam Raimi den Film mitproduziert hat, war es dann auch nicht mehr seltsam, dass mich die schnelle Abfolge von Bedrohungen und Ereignissen an das Evil-Dead-Remake erinnerte (nur halt mit weniger Blutregen und Todesopfern). Zumindest eine Szene ist aber wirklich unangenehm – eine Bohrmaschine ist involviert (und dadurch, dass es kein Familienmitglied ist, das in Gefahr schwebt, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob das Remake vielleicht härter ausfällt.
Die eigentliche Erneuerung ist aber der Einsatz von Schauspielern. Nichts gegen Craig T. Nelson und JoBeth Williams, die 1982 noch recht unbekannt und vermutlich preiswert waren, aber der neue Poltergeist hat Schauspieler, die zwar nicht jedem Gala-Leser bekannt sind, aber sich beim Publikum bereits mehrfach bewähren konnten. Rosemarie DeWitt ist trotz eines Jahrzehnts von kleinen Rollen in durchaus bekannten Kinofilmen noch ein Geheimtip à la Catherine Keener (u.a. spielte sie die Titelrolle in Jonathan Demmes Rachel getting married oder vor allem in der ersten Staffel von Mad Men Don Drapers unkonventionelle Freundin Midge.
Jared Harris als »Geisterjäger«, der teilweise sogar an John Constantine erinnert, war in selbiger TV-Serie der Lane Pryce oder durfte Sherlock Holmes' Gegenspieler James Moriarty darstellen (diesmal aber nicht in einer Fernseh-, sondern in der Kinoversion). Und meiner bescheidenen Meinung nach ist er eine deutliche Verbesserung zur kleinwüchsigen Zelda Rubinstein damals, die einfach nur als Kuriosum auftrat.
Bildmaterial © 2015 Twentieth Century Fox
Die Kids sind auch nicht schlechter als damals, aber die deutlichste Verbesserung in der Besetzung ist Sam Rockwell (Moon, Confessions of a Dangerous Mind). Ein echter Vollblutschauspieler, der es mit routiniertem Understatement und »tongue-in-cheek« schafft, dass man als Zuschauer tatsächlich etwas Herzblut in die Geschichte investiert.
Und ausnahmsweise reicht mir das schon. Ein paar clevere Verbesserungen, den Drive eines Motorrads statt eines Kinderdreirads – und mir gefällt der neue Poltergeist tatsächlich besser als der alte (den ich aber auch seit ca. 1987 nicht wieder gesehen habe).
Dass es nicht wirklich klar wird, warum man die direkten Nachbarn bei den spektakulären Geschehnissen nie sieht, dass die Mutter ihre verdreckten Kinder mit Klamotten in die Badewanne steckt und solche Kleinigkeiten kann ich auch mal ignorieren, wenn ich mich gut unterhalten fühle.
Bildmaterial © 2015 Twentieth Century Fox
Nachtrag: Dass die 3D-Projektion einigermaßen weit entfernt davon war, perfekt zu sein, war ein kleiner Dämpfer, muss aber nicht zwangsläufig am Film liegen. Wenn man in Nachtszenen starke Kontraste hat und einiges doppelt zu sehen ist, selbst wenn man ein Auge zudrückt, klingt eher nach Rot-Grün-3D mit falsch abgestimmter Brille. Testet das mal im Kino und verlangt ggfs. das Aufschlag-Geld zurück!