Montag, der 3. Juni 2002Stadt 3
Schilder weisen die Richtung ins Freie. Wir eilen den Bahnsteig entlang. Ich stehe auf meiner Stufe der Rolltreppe, über mir Hinterköpfe, unter mir Gesichter. Ich scheue mich, das mitlaufende Band aus schwarzem Gummi zu berühren. Ein Ungeduldiger drängt sich vorbei. Die Rolltreppe schiebt uns ans Licht. Bilder schießen auf mich zu. Mit einem Blick erfasse ich eine Gruppe von Säufern, die sich streitet, eine Bettlerin, die einen Anzugträger angeht, einen Punk, der seinem Hund ein rotes Halstuch umbindet, den Imbissverkäufer, der Fleischfetzen auf ein Fladenbrot schabt, eine Frau, die zwei große Koffer und ein Kind hinter sich herzerrt. Sie werden zu Randfiguren in meinem Gesichtsfeld, ich blende sie aus.
Jeder will etwas. Sich in die Läden hineindrängen und wieder hinaus, auf der Suche nach Schnäppchen. Schuhe, Jacken, Haarbänder, Fußkettchen, Rucksäcke, Badeanzüge, Parfum: Wer macht das günstigste Angebot? Junkies stellen sich in den Weg und strecken die Hand aus. Man sieht durch sie hindurch. Wraps und HotDogs gibt es alle zehn Meter. Die Kaffeebecher haben Plastikdeckel, damit man im Gehen trinken kann. Die Straße teilt sich, mit ihr der Menschenstrom, Bürogebäude mit großen Fensterscheiben schieben sich nach vorne. Glatte Flächen streben senkrecht nach oben. Alle Linien sind gerade, die Kanten ausgerichtet. Die Häuser schneiden die Menge entzwei.
Vor mir liegt das Tor zum Bahnhof. Ich passiere die Fotofix-Kabinen. Zwischen den Reisenden ballen sich kleine Gruppen derer, die am Bahnhof leben. Sie zetern und schimpfen vor sich hin. Ich blende sie aus. Nichts zu sehen, ist leicht. Ich betrete den Bahnhof. Unter dem gewölbten Dach herrscht ständiges Dämmerlicht. Tauben lassen sich von Eisenträgern fallen und schießen durch die Bahnhofshalle. Die Eisenträger sehen aus wie verbrannt. Auf der Galerie hängen Jugendliche in Jogginganzügen herum. Sie sehen aus als wollten sie über das Geländer spucken. Ich weiche Leuten aus, die es eilig haben. Manche tragen ihre Mäntel über dem Arm. In einer Nische liegt ein Mensch. Er verkriecht sich in einem Schlafsack vor den Blicken. Die Bahnpolizisten rütteln ihn und schicken ihn nach draußen.
Ich füge dem Schmutz auf dem Boden meinen hinzu und steige in den Zug.