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Mascha Kurtz
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Juni 2002
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- daily kurtz -


Freitag, der 14. Juni 2002


Annäherung des Städters an eine Landschaft

Camping 1

Wir bauen das Zelt im Dunkeln auf. Der Regen wäscht uns, der Wind will uns die Plane entreissen. Wir stecken eine Taschenlampe in den Boden, das Licht schneidet einen Streifen Wirklichkeit aus der Nacht. Ein Film aus Kälte überzieht unsere Haut. Wir sind unendlich weit entfernt voneinander, zwischen uns das Zelt, das sich im Wind bläht wie ein Segel, sich aufbäumt bei jeder neuen Bö. Wir zwingen das Zelt an den Boden, schieben die Stangen kreuzweise durch die Hohlsäume und schlagen die Heringe ein. Wir kriechen hinein, unseren Kleidern entströmt Feuchtigkeit. Die Zeltplane klebt an unseren Gesichtern. Wenn wir uns drehen, prallen wir aneinander. Es gibt keinen Raum, die Arme auszustrecken. Gekrümmt rutschen wir in die Schlafsäcke, die durchdrungen sind von Nässe. Unter den Schultern drückt eine Wölbung, der Körper passt sich der Erde an. Wir löschen das Licht. Die Welt löst sich auf. Graue Dunkelheit umhüllt uns wie ein feuchtes Tuch. Der Wind schiebt das Zelt vor sich her. Wir ziehen die Köpfe ein. Er rauscht über uns hinweg, eine Welle, die sich an der Zeltplane bricht. Es folgt ein Augenblick der Stille, wir schweben frei im Raum, bis die nächste Welle kommt. Im Schlafsack beginnen die Kleider zu dampfen, unsere Haut wellt sich, Wärme breitet sich aus.
 
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