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Mascha Kurtz
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Juni 2002
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- daily kurtz -


Sonntag, der 23. Juni 2002


Annäherung des Städters an eine Landschaft

Ausflug 2

Wir fahren nicht wie gewöhnlich auf der Autobahn, sondern nehmen die Landstraße. Schon wenige Kilometer außerhalb der Stadt stoßen wir auf eine Welt, die wir nicht in unserer Nähe vermutet hätte. Endlose Felder wellen sich bis zum Horizont, unterbrochen von Wäldchen und kleinen Dörfern, deren Namen wir noch nie gehört haben. Im Vorbeifahren sehen wir Kühe und Pferde auf ihren Weiden. Immer ruft einer: “Guck’ mal, die Kuh!” oder “Oooh! Pferde!”. Tante Gisela deutet mit dem Finger auf jeden Kirchturm und ist entzückt. Wir sind auch entzückt, würden das aber nie zugeben.

Darum sind alle gut gelaunt, als wir in Lauenbrunn ankommen. Wir stellen das Auto auf einem bewachten Parkplatz ab und schlendern durch die verwinkelten, mit Kopfsteinen gepflasterten Gassen. Dabei essen wir Eis. Es wird darüber abgestimmt, ob man ins Oldtimer- oder ins Foltermuseum gehen soll. Das Foltermuseum gewinnt. Der Mann an der Kasse ist angezogen wie Martin Luther, seit die Museumsleitung ein neues Konzept erarbeitet hat, um mehr Besucher anzulocken. Schandmasken und Richtschwertern liegen in Vitrinen aus. Wir gucken, ob an den Daumenschrauben noch Blutreste hängen und tun so als wollten wir Tante Gisela in die Eiseren Jungfrau schubsen. Der Gedanke an rohe Gewalt erregt uns, und darum gehen wir nach dem Foltermusum ins Café, um uns bei heißer Schokolade und Apfelstrudel etwas zu besinnen. Nach den düsteren Räumen des Museums scheint uns alles etwas zu hell; wir blinzeln und haben Schwierigkeiten, wieder ins 21. Jahrhundert zurückzufinden. Irgendjemand macht einen Witz über Keuschheitsgürtel, Tante Gisela sagt: “Also, wirklich!”

Im Souvenirshop der Wassermühle kauft sie anschließend eine Scheibe von einem Baumstamm, in die die Worte gebrannt sind: “Souvenir aus Lauenbrunn.”

 
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