Sonntag, der 9. Juni 2002Land 2
Ich stoße das Hoftor auf. Der Hof liegt still, zwischen den Pflastersteinen wächst Gras. Die Dächer sind mit Schiefer gedeckt, die Mauern aus Holz und Stein. Er strahlt Beständigkeit aus und signalisiert Schutz. Der Hof wurde nicht gebaut, um zu beeindrucken, das macht es leicht, sich in ihm aufzuhalten. Man vergisst, sich zu schminken, trägt tagelang dieselben Hosen und dasselbe T-Shirt mit Erdbeerflecken auf der Brust. Man lässt sich treiben zwischen den Feldern. Weniges zieht den Blick auf sich, er läuft ungestört bis zum Horizont. Es gibt keine Dinge. Felder und Bäume sind keine Dinge. Dinge sind etwas Gemachtes. Doch ihr Vorhandensein enthält den Widerspruch, dass es sie nicht gäbe ohne Menschen. Menschen haben die Felder angelegt, die Wälder umrissen, die Obstbäume gepflanzt, den Fluss begradigt. Zwischen die Baumkronen schiebt sich ein Aussichtsturm. Das finde ich romantisch. Ich halte etliche Konnotationen bereit zu diesem Anblick: Rapunzel, ein Ritterfilm aus den 50er Jahren, die Ruinenarchitektur der Romantik. Voll von dem Gefühl, zu dem diese Verknüpfungen sich verbinden, steige ich die Treppe hoch. Der Sog nach unten wird mit jeder Stufe stärker. Ich denke an andere Türme, die ich schon hochgestiegen bin, den schiefen Turm von Pisa; einen anderen nachts, mit eine Feuerzeug in der erhobenen Hand, die andere fuhr die feuchte Mauer ab.
Ich klettere durch eine Öffnung auf die Plattform. Der Wind zerrt an meinen Kleidern, es ist nicht romantisch. Von oben kriegt die Landschaft etwas Eintöniges. Sie wirkt flach und scheint vor allem aus Getreidefeldern zu bestehen. Ich sehe nicht lange hin.