daily satt
- daily kurtz -Montag, der 24. Juni 2002Annäherung des Städters an eine LandschaftPicknick
Wir haben Tupperdosen mit Salaten dabei, frisches Fladenbrot, Obst, Käse, und natürlich kalte Hühnerschenkel. Alles ist schön verpackt in eine Klappbox aus Plastik. Dekorationsläden verkaufen auch Picknickkörbe mit Fächereinteilung. Teller, Besteck und Tassen werden von Lederriemen gehalten, in ein Extrafach passen zwei Flaschen Wein. Diese Körbe sind so groß, dass man drei Leute braucht, um sie zu tragen. Für ein gelungenes Picknick braucht man jedoch einen möglichst abgelegenen Platz. Einen, den niemand kennt, an dem niemand stört. Das macht das halbe Vergnügen aus, einen Platz zu finden, den sonst keiner kennt. Wir stellen uns vor, wir wären im 19. Jahrhundert, so eine schöne, großbürgerliche Veranstaltung ist ein Picknick.
Schon das Auspacken macht gute Laune. In den Tupperdosen und Schalen verbergen sich lauter Überraschungen. “Mmmh, Nudelsalat! ruft jemand. So kann man sich über die einfachsten Sachen freuen. Alle Dosen, Teller, Gläser werden auf der Picknickdecke verteilt. Die Picknickdecke ist rot kariert wie in der Werbung für Margarine. Jeder legt sich hin, wie es ihm gefällt, zwischen das Essen, und dann zugreifen. Nur der Nudelsalat wird mit der Gabel gegessen, für alles andere darf man die Finger benutzen. Beim Picknick darf man alles, wofür man als Kind gerügt wurde. Dieses Gefühl ist verantwortlich für die ausgelassene Stimmung. Wir werfen uns gegenseitig Weintrauben in den Mund, sprechen mit vollen Backen, beschmieren uns die Finger mit Hühnerfett und wischen sie im Gras ab. Die Sonne scheint, wir speisen im Grünen. Alles schmeckt besser. Die Speisenfolge ist willkürlich: Neben dem Nudelsalat kommt ein Klacks Schokoladencreme, zuerst essen wir Erdbeeren, dann Wurstbrötchen und zum Schluss die Minifrikadellen, die Susanne mitgebracht hat. Dazu trinken wir Prosecco, nichts anderes. Ein herrliches Durcheinander füllt unsere Mägen. Wir liegen im Gras wie satte Löwen; wir dösen, nur ab und zu streckt jemand träge den Arm aus und fasst in eine der Schüsseln. Denn es ist immer noch etwas da, und als nichts mehr da ist, entdecken wir den Apfelkuchen, den Petra im Korb vergessen hat. Die Sonne und der Prosecco lassen uns durch den Nachmittag taumeln, Wind streicht über unsere heißen Gesichter. Befreit von Zwang, füllen unsere Körper sich mit Trägheit, und wir lassen uns zurücksinken. Über uns im blauen Himmel, gleitet ein Ballon, ganz still.