Donnerstag, der 6. Juni 2002Unterwegs 3
Ich hoffe auf Einsamkeit, auf Leere. In unseren Köpfen ist es immer leer auf dem Land. Das Land verspricht eine Pause. Ich will mich erholen, sage ich. Etwas zurückholen, das ich verloren habe in der Stadt. Es könnte sein: Ausruhen von der Gewohnheit.
Ich stelle mir etwas Bestimmtes darunter, aufs Land zu fahren. Bestimmte Bilder verbinden sich mit dieser Handlung. Ich erinnere mich daran, als Kind bei der Großmutter meiner Kusine gewesen zu sein. Wir verbrachten die Tage im Garten oder in der Scheune des Bauernhofs gegenüber. Draußen war es heller Tag, in der Scheune herrschte Dämmerlicht. Abgeschottet, in unserer eigenen Welt, spielten wir. Wir sprangen von den höchsten Querbalken ins Stroh oder suchten in dunklen Ecken nach den Katzen. Das Stroh roch staubig. Durch eine Luke blickten wir auf die Schweine im Stall. Im Garten schnitzten wir Indianerspeere und durchstreiften damit das Gebüsch. In einem Anbau gab es einen Wurf junger Hunde. Nachts wurden sie mit Infrarotlicht bestrahlt, ein roter Schein drang durch die Fensterritzen.
Diese Erinnerungen habe ich, wenn ich daran denke, auf dem Land zu sein. Darunter mischen sich Filme, die ich gesehen habe, Gemälde, Bilder von weiten Landschaften, Bauern, die im Schatten vespern. Darum greift meine Stimmung der Wirklichkeit vor, fühle ich mich entspannt und gelöst bei dem Gedanken, die Stadt zu verlassen.