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Ekkehard Knörer
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Mai 2002
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3. Tag: Butterblumensteig (Hellersdorf)
Besichtigung: Donnerstag, 2.5., 17 Uhr 5 bis 18 Uhr 20

Berlin ist eine Stadt aus Dörfern, die irgendwann aneinander gestoßen sind, die man dann, in immer neuen Eingemeindungen und Bezirksreformen halbwegs ordentlich sortiert hat, aber nur auf dem Papier, das in den Verwaltungen zirkuliert. So ist Marzahn-Hellersdorf neuerdings ein Bezirk, die Struktur freilich bleibt fraktal: man wähnt sich unterwegs nach Hellersdorf, steigt aber in einem Ort namens Mahlsdorf aus der S-Bahn, gerät mit der Straßenbahn - die hier höchst abenteuerlich gegen die Fahrtrichtung entgegen kommender Autos unterwegs ist - nach Alt-Mahlsdorf, um dann plötzlich in einem Mini-Bezirk mit dem schönen Namen Kiekemal zu landen. Ich bin mir sicher, dass auch die Kiekemaler in distinktionsbewusste Clans und Unterclans zerfallen, von denen der flüchtige Straßenbeschreiber auf seiner Suche nach dem Butterblumensteig nicht die mindeste Ahnung hat.

Dieser nun, der Butterblumensteig, ist gar keine Straße, sondern ein Fußweg, der zu einem See führt, durch ein Gelände, das sowas wie das kapitalistische Upgrade einer Datschen-Siedlung zu sein scheint. Kleine altersschwache Hütten neben großgaubigen und gerade fertig gebauten Einfamilienhäusern. Es wird gemäht, gehämmert, dachgedeckt, im Garten gesessen. Sehr nett und blumig sind die Namen der Straßen, Gassen und Wege: Immortellenweg, Phloxstraße, Lavendelweg, Balsaminenweg. Ich sehe aber nur Löwenzahn. Friedlich ist's, ein bisschen schläfrig vielleicht auch, zwei Hühner beäugen mich von hinterm Zaun, am Ende des Wegs liegt der Habermann-See. Kein bisschen erhaben, der Blick darauf, der See ist dann einfach da, nicht sehr groß, Leute joggen, gehen mit ihren Kindern und Hunden spazieren am Ufer, in der Ferne grollt der Verkehr von einer dieser Ausfallstraßen, auf denen man vom Idyll nichts ahnt. Das Ufer ist hübsch unordentlich, mehrere kleine Sandstrände, im Sommer wird gewiss gebadet. Der Blick streift übers Gesträuch, auf einer Anhöhe liegt wie eine Ritterburg ein OBI-Markt. Es liegt bestimmt an mir, aber ich habe plötzlich große Lust auf die Rückkehr in die Großstadt.

Morgen: C wie Cyclopstraße (Reinickendorf)

Habermannsee


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