daily satt
- daily knörer -
10. Tag: Idealpassage (Neukölln)
Besichtigung: Freitag, 10.5., 16 Uhr 30 bis 17 Uhr 05
Straßen gibt's, die gibt's gar nicht.
Die Idealpassage versteckt sich hinter scheinbar ganz normalen Hauseingängen, ich bin drum ein paar Mal dran vorbeigelaufen, bis ich's kapiert habe. Sie verbindet, durch Hinterhöfe mit hohen grünen Bäumen hindurch, die Weichsel- und die Fuldastraße, die beide auf die sehr belebte Neuköllner Karl-Marx-Straße stoßen. In der Idealpassage dagegen ist Frieden, eine Oase der Stille, aber auch, der hohen Häuser wegen, die Anfang des Jahrhunderts von der Wohnungsbaugenossenschaft Ideal errichtet wurden, des Dauerdämmerlichts. Kinder auf Rollern. Kinder, die herumsitzen, als gäbe es den Trubel draußen gar nicht. Nur von der Weichselstraße her können Autos überhaupt eine Schranke passieren, in den ersten eigentlichen Hinterhof dürfen sie schon nicht. Niemand wohnt in der Idealpassage, die Hausnummern sind, 55 und 56a bis d, der Fuldastraße zugeordnet.
In gewisser Weise existiert die Idealpassage also wirklich nicht - aber in den Stadtplänen ist sie verzeichnet. Man ist in Neukölln sogar so stolz auf sie, dass ihr eines der Plakate im U-Bahnhof Neukölln gewidmet ist, die den Besucher offenbar auf die touristischen Attraktionen des Bezirks aufmerksam machen sollen. Die liegen zum großen Teil in Britz, wo es eine Mühle gibt und Mustersiedlungen aus den zwanziger Jahren - die nähere Umgebung nämlich ist touristisch nicht so attraktiv. Hier erfreut höchstens der Anblick, schön bunt, einer Teppich-Resttecke und türkischer Brautkleider im Schaufenster, dazu Eck- und sonstige Kneipen bzw. Kaschemmen zuhauf, aus denen Musik dringt, die nicht wahr sein kann. Reichlich deplatziert wirk das neue Forum Neukölln, eine in die urban verschmuddelte Tristesse der Karl-Marx-Straße hineingepflanzte Mall mit Hugendubel, Spinnrad (Ex-, die sind ja pleite) und dem Kommerzkino Karli. Und auf den Straßen laufen einem, auch wenn's das Klischee bestätigt, Vokuhilas und Bullterrier, Macho-Jungs unterschiedlicher Nationalität und um diese Tageszeit längst zugesoffene Alkoholiker über den Weg. Das ist die Wirklichkeit, in der Idealpassage kann man fünf Wegminuten lang eine Auszeit davon nehmen.