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30. Tag: Zitadellenweg (Spandau)
Spandau ist, mehr als alle anderen Bezirke und Teile Berlins, eine Stadt für sich. Historisch sowieso (nicht jedoch, wie ein Pflanzen-Sponsoringaufruf im Zentrum belegt, in finanzieller Hinsicht), dazu legt sich die Havel als Grenzfluss dazwischen, U- und S-Bahn enden im Osten Spandaus, das sich nach Westen hin in nur per Bus erforschbares Gelände ausbreitet. Der gewöhnliche Berlin-Bewohner kommt nach Spandau eigentlich nur, wenn er zu Ikea fährt. Touristen gibt es, die interessieren sich vor allem für die Zitadelle, eine, wie es am Eingang heißt, der am besten erhaltenen Renaissancefestungsanlagen in Europa.
Sehr reizvoll aber ist die einstige Zitadellenvorstadt, die heute Altstadt Spandau heißt und, damit es alle kapieren, Straßenschilder mit Frakturaufschrift trägt. Ein so ideologisches Produkt wie das Nicolaiviertel ist sie aber nicht - der zentralen gleichnamigen Nicolaikirche zum Trotz -, hier findet sich schön Saniertes zwischen ehrlich hässlichen 50er Jahre-Bauten, den größten Platz im Zentrum regiert ein Woolworth. Sofort stellt sich das Heimatgefühl ein, das total normale westdeutsche Fußgängerzonen bei mir auslösen: das ist ja, anders als fast überall sonst in Berlin, ganz wie zuhause.
Der Zitadellenweg nun führt keineswegs zur Zitadelle, sondern so elegant an ihr vorbei, dass man von hier nirgends einen Blick auf sie erhaschen kann. Stattdessen - vom Einkaufszentrum am Eingang, mit Toys'r'us und Kaufland abgesehen - ein reines Gewerbegebiet, von Bosch bis Gebrauchtwagen, ganz am Ende baut BMW ein neues Motorrad-Produktionsgebäude. Menschen in blauen Kitteln, als Spaziergänger macht man sich fast verdächtig. Zur Zitadelle gehe ich den ganzen Weg zurück, komme an lauschigem Grün und Wasser vorbei, der Imbiss-Wagen vorm Eingang sieht aus, als stünde er seit dreißig Jahren hier